Wandern:Er ist der Erfinder des "Traumpfads" von München nach Venedig

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Wanderungen von zehn bis 15 Kilometern seien noch drin, sagt Graßler. Hier auf seinem "Traumpfad München-Venedig" unterwegs - in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

550 Kilometer und 20 000 Höhenmeter: Ludwig Graßler hat vor 40 Jahren erstmals die Route an die Adria beschrieben. Der 91-Jährige ist auch heute noch unterwegs.

Von Marlene Krusemark, Wolfratshausen

Die 51 Stufen zu seiner Wohnung erklimmt er drei-, manchmal fünfmal am Tag - und das auch mit fast 92 Jahren ohne Probleme. Ludwig Graßler ist schließlich anderes gewöhnt: Fünfmal hat er in seinem Leben die Alpen zu Fuß überquert und ist bis an die Adria gewandert. Schließlich hat er diesen Weg vor 40 Jahren erstmals in einem Buch beschrieben und "Traumpfad München-Venedig" genannt - 550 Kilometer, 20 000 Höhenmeter, 28 Tagesetappen vom Marienplatz zum Markusplatz. Natürlich habe ihn das Wandern fit gehalten, sagt er. Außerdem stammt Graßler aus einer Hirtenfamilie - die Naturverbundenheit liegt ihm quasi in den Genen.

Die erste Tagesetappe des Traumpfads endet in Wolfratshausen, wo Graßler seit 1962 wohnt. "Unter dem Begriff Traumpfad verstehe ich einen fußfreundlichen Boden, eine Strecke abseits vom Verkehr mit wenig Lärm und natürlich landschaftliche Schönheit." Begonnen hat alles noch zehn Jahre vor der Veröffentlichung des Buches: Genau vor 50 Jahren hat er den Wanderweg von Wolfratshausen bis Bad Tölz angelegt. Von seiner Wohnung aus erreicht Graßler in fünf Minuten diesen Wanderweg an der Isar, den er in den Jahren danach zum Traumpfad erweiterte - und wo er noch heute gern spazieren geht.

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Dort trifft er immer wieder auf Menschen mit großen Rucksäcken, die auf der Graßler-Route die Wanderung nach Venedig antreten. Vorletzten Sonntag beispielsweise lernte er erst sieben Straßburger kennen. Vor einer Woche hat er zwei Engländer zwischen Wolfratshausen und Geretsried getroffen. "Da habe ich zum ersten Mal gesehen, dass es den Wanderführer mittlerweile schon auf Englisch gibt. Die Wanderer sind fast ausgeflippt, als ich mich vorgestellt habe."

Um die Geschichte seiner Begeisterung fürs Wandern zu erzählen, beginnt Ludwig Graßler in seiner Kindheit. Geboren wurde er 1925 im "flachen Amberg", wie er sagt, in der Oberpfalz als eines von zehn Geschwistern. Sein Vater war Hochofenarbeiter, für große Ausflüge habe das Geld nicht gereicht. Um sich erste Touren in die Berge zu finanzieren, übernahm der 13-jährige Ludwig Hilfsarbeiten - er war neugierig geworden, als ein Salesianerpater aus Benediktbeuern ihm von den Bergen vorschwärmte. 1938 radelte er erstmals mit zwei Schulkameraden ins Gebirge, wo sie mit Turnschuhen die Benediktenwand erklommen: Das war Graßlers erster Gipfel, die Leidenschaft war entfacht. Gleich anschließend im Sommer 1940 radelte er zum Großglockner und bis nach Tirol. "Dort steckten wir auf dem Brenner die Füße unter der Zollschranke hindurch, um daheim sagen zu können, dass wir in Italien waren."

Ludwig Graßler (r.) und zwei Wanderkameraden nach der ersten Tour auf dem Markusplatz in Venedig. (Foto: privat/oh)

Über die Ausbildung zum Gebirgsunteroffizier in Feldkirchen und die anschließende Hochgebirgsausbildung in Mittenwald verwirklichte Graßler sich seinen Traum von den Bergen. Nach der Gefangenschaft in Skandinavien studierte Gartenbau in Weihenstephan und wurde in Wolfratshausen Kreisfachberater für Gartenbau und Landespflege - und war damit auch für die Wanderwege zuständig. So gelangte er auch 1965 zum Isartalverein.

Die Idee zum Traumpfad entstand auf einer Wanderung zur Isarquelle im Karwendeltal, als seine Frau sagte: "Es wäre schön, jetzt weiter ins Zillertal zugehen." Den Weg kannte Graßler noch aus seiner Gebirgsjägerzeit. Als zwei Mitwanderer vom Dolomitenhöhenwegen erzählten, nahm die Idee Gestalt an. 1974 wanderte Graßler zum ersten Mal zum Markusplatz. "Die Route ist einfach faszinierend. Besonders eindrucksvoll sind natürlich die Dolomiten mit ihrem 3100 Meter hohen Piz Boé. Außerdem fest im Kopf geblieben ist mir der Blick von der Vazoler Hütte auf den Torre Trieste." Auch der Malerwinkel zwischen München und Tölz sei für ihn ein Höhepunkt. "Wenn man dann nach einem Monat zu Fuß an der Adria ankommt und aufs Meer blickt, bekommt man ein Gefühl für Unendlichkeit."

Graßler erinnert sich noch daran, wie er nach seiner ersten Wanderung bis Venedig innerhalb von 40 Minuten mit dem Flugzeug wieder zurück nach München flog - nachdem er einen Monat lang zu Fuß unterwegs gewesen war. "Da hatten wir sogar noch Rückenwind", erinnert sich Graßler. Zu Fuß reisen blieb seine Leidenschaft. Da halte er sich an den Dichter Johann Gottfried Seume: "Es würde alles besser gehen, wenn man mehr ginge."

Und er geht noch. Zwar meist keine Strecken, die länger als zehn bis fünfzehn Kilometer sind - für den nächsten Sommer plant er aber zum Beispiel mit einem Bergkameraden, wieder einen Ausflug ins Karwendeltal zu machen. Hier werde er aber hauptsächlich mit dem Auto fahren. "Im Alter werden die Wege natürlich immer weiter und die Berge höher", sagt Graßler. An seinem Lachen merkt man, dass er auch das sportlich nimmt. So macht es ihm große Freude, abends Polster auf seinen Balkon zu legen und den Mauerseglern dabei zuzuschauen, wie sie gen Alpen fliegen.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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