Zweite Stammstrecke:Hoffnung auf BOB-Linie bis zum Marienplatz

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Der Landrat fordert, dass die Oberlandbahn dank des neuen Tunnels von Lenggries bis ins Herz der Landeshauptstadt fährt. Bei der S 7 wird sich nichts tun.

Von Ingrid Hügenell, Bad Tölz

Wer zu den Stoßzeiten von Lenggries, Gaißach oder Bad Tölz aus mit dem Zug nach München fährt, kann froh sein, wenn er einen Sitzplatz bekommt. "Wenn Sie zwischen 7 und 9 Uhr in Bad Tölz einsteigen, müssen Sie stehen", sagt Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler). So nervig das für die Betroffenen ist: Im Oberland ist der Öffentliche Personennahverkehr eine Erfolgsgeschichte. Seit die Bayerische Oberlandbahn (BOB) vor 18 Jahren ihren Betrieb aufgenommen hat, haben sich die Fahrgastzahlen stark erhöht.

Weil sich die Situation in der Metropolregion München überall so darstellt, wurde das Bahnknotenkonzept für München erstellt. Die zweite Stammstrecke in München soll vor allem zusätzliche Gleiskapazitäten bereitstellen und prinzipiell auch von Regionalzügen genutzt werden können. Auch könnten Reisende aus dem Westen und Süden Münchens so schneller zum Flughafen gelangen.

Auch Niedermaier rechnet damit, dass künftig noch viel mehr Leute mit dem Zug in die Metropole wollen - und abends wieder nach Hause. Um all die Menschen transportieren zu können, reichen die Kapazitäten des Regionalverkehrs, wie die BOB ihn bisher anbietet, aber nicht aus, sie müssten dringend erweitert werden. "Wir müssen den Nahverkehr schnellstmöglich ertüchtigen", sagt der Landrat. Entschieden werden müsse jetzt, auch wenn die Strecken erst 2024 wieder vergeben werden. Sonst könnte es sogar zu einer Verschlechterung des Angebots kommen. "Wir müssen jetzt etwas tun, denn wir wollen nicht hinten runterfallen."

Ganz wichtig für Niedermaier: Eine Erhöhung der Kapazität, vor allem während der Hauptverkehrszeiten. Wie das geschehe, sei ihm nicht so wichtig, sagt der Landrat. Es könnten, von welchem Betreiber auch immer, längere Züge eingesetzt oder aber der Takt verdichtet werden - Hauptsache, es haben mehr Fahrgäste Platz.

Niedermaier möchte zudem, dass die Regionalbahnen aus dem Oberland eine der beiden Stammstrecken benutzen können und dann wie heute die S-Bahnen an den entsprechenden Stationen halten. Denkbar ist das schon: Wenn ein Teil der S-Bahn-Linien von der ersten auf die zweite Stammstrecke verlagert wird, könnte in der alten Röhre Platz für andere Züge frei werden. Der neue Tunnel soll im Jahr 2026 in Betrieb gehen. Eine BOB, die bis zum Marienplatz fährt, würde vielen Pendlern das Umsteigen an Haupt- oder Ostbahnhof ersparen. Als "Hoffnung der Region" bezeichnet Niedermaier diese Idee, die ursprünglich vom Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan (CSU) stamme.

Seine Forderungen brachte Niedermaier kürzlich bei einem Treffen mit Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), Radwan, dem Miesbacher Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) und mit dem Geschäftsführer der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), Johann Niggl, vor.

Die BOB-Strecken werden zwar erst 2024 wieder neu vergeben. Aber die BEG, die das Angebot bestellt, müsse natürlich schon vorher entscheiden, mit welchen Zügen gefahren werden soll. Der jetzt verwendete Intergral wird nicht mehr gebaut. Züge, die auf den BOB-Strecken fahren, müssen aber leicht gekoppelt und geflügelt, also in zwei Züge aufgeteilt, werden können. Derzeit gibt es Niedermaier zufolge keinen Zug, der das ebenso gut kann wie der Integral.

Die Nutzung der Stammstrecken aber würde mit dem Integral ohnehin nicht funktionieren: Er fährt mit Dieselloks, weil die BOB-Strecken nicht komplett elektrifiziert sind. Das zu erreichen, wäre Landrat Niedermaier zufolge auch sehr teuer: 150 Millionen Euro würde es kosten. Eine Summe, zu der Aigner bei dem Gespräch gesagt habe, es sei unrealistisch, dass sie investiert werde. Das Wirtschaftsministerium hat aber bereits zwei Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben, die das Problem auf andere Weise lösen könnten: Lokomotiven, die mit Wasserstoff angetrieben werden, und solche, die mit Akkus fahren. Die könnten im elektrifizierten Teil der Strecke aufgeladen werden und dann auf dem Rest der Strecke die Loks antreiben.

Es gibt noch ein weiteres Problem: Die bisher verwendeten Züge bei BOB, S-Bahn und DB Regio sind auf unterschiedliche Bahnsteighöhen eingestellt. "Es gibt keine Standardnorm", sagt Niedermaier. Seit Jahrzehnten habe man die Züge an die vorhandenen Bahnsteige angepasst. Nun gibt es Überlegungen, neue Züge mit flexiblen Zustiegen auszurüsten. Das wäre teuer, aber nicht so teuer, wie alle Bahnsteige auf eine Höhe zu bringen.

Auch wenn es für die BOB-Strecke voraussichtlich Verbesserungen geben wird: Bei der S 7 bleibt nach den bisherigen Planungen des bayerischen Verkehrsministeriums alles wie bisher, wenn die zweite Stammstrecke eröffnet wird. Denn die schleift erst mitten in der Stadt, bei der Donnersberger Brücke, in die Stammstrecke ein. Der zweite Tunnel beginnt aber westlich von Pasing. Es ist auch kein zweigleisiger Ausbau geplant, so dass die Fahrgäste hier auch nicht auf einen dichteren als den bislang bestenfalls 20-Minuten-Takt zu hoffen brauchen.

Eine kürzere Fahrzeit wird es dem Startkonzept zufolge zwischen Wolfratshausen und München nicht geben - obwohl kürzere Fahrzeiten eines der Ziele des Bahnknotenkonzepts ist, das hinter dem Stammstreckenbau steht. Womöglich fährt die S-Bahn bis dahin aber tatsächlich auch nach Geretsried. Das hofft zumindest der Landrat, der "die Vision" von einem Baubeginn 2019 oder 2020 hegt.

Über den Werdenfels-Takt, zu dem die Bahnstrecke Kochel-München gehört, ist Niedermaier zufolge in Zusammenhang mit der zweiten Stammstrecke bisher nicht gesprochen worden. Dabei könnten diese Züge zumindest theoretisch in den neuen Tunnel einschleifen. "Das wäre natürlich schön", sagt Niedermaier.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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