Automesse:Fünf große IAA-Trends

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Branchentreff im September: die IAA 2015 in Frankfurt. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Wer auf der IAA wissen wollte, was die Autobranche wirklich plant, musste hinter die Kulissen blicken. Ein Überblick über das, was sich im Dunkeln abspielte.

Von Georg Kacher

Diese IAA steht unter Strom. Während Berlin noch am Förderungsprogramm für Stromer tüftelt, präsentierten Audi und Porsche die ersten Oberklasse-Verführer, die Ende 2018 in Serie gehen sollen. Nein, nicht mit einer einheitlichen Antriebstechnik, denn diese Lösung war für den VW-Konzern bisher viel zu billig. Jeder machte dort sein Ding, und das wirkt noch eine Weile nach.

Einen Passat CC Shooting Brake finden die Wolfsburger charmant genug, um damit eine mikroskopisch kleine Nische zu bedienen. Auf die SUV im Polo- und Golf-Format müssen Seat-, Škoda- und VW-Kunden dafür bis mindestens 2017 warten. Einerseits sollen die Marken mehr Eigenständigkeit erhalten, andererseits wird wohl weiter eisern durchregiert. Der neue VW-Markenchef Herbert Diess hätte den nächsten Phaeton gerne nur als Plug-in Hybrid auf den Markt gebracht, doch Ex-Konzernlenker Martin Winterkorn sagte Nein. Man darf gespannt sein, wie das der neue VW-Chef sieht.

Doch was passiert mit der Kernmarke, die seit dem Tiguan keine neue Modellreihe mehr auf den Markt gebracht hat? Jetzt, wo für die Amerikaner das Kürzel TDI zum roten Tuch geworden ist, wachsen vielleicht die Chancen, das auch wir Europäer demnächst den in USA produzierten supergünstigen Passat SUV fahren dürfen. Für China und danach auch für Lateinamerika hat VW wenigstens das Budget Car abgesegnet: drei Modellvarianten zu Preisen von 9000 bis 12 600 Euro, 400 000 Stück pro Jahr.

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Die nahe Elektro-Zukunft

Während VW am massentauglichen NEV (new electric vehicle, 2019) arbeitet, läuft bei Mercedes das Projekt EVA (electric vehicle architecture, 2018) auf Hochtouren - zunächst als Limousine und SUV, beide preislich dichter an der S-Klasse als am E. Im Porsche Elektromobil (Code J1, 2018) surren zwei permanent erregte Innenläufer mit mehr als 600 PS um die Wette, im künftigen Audi Q6 (2018) kommen anders geartete Stromer mit mehr als 300 PS zum Einsatz. Uneinigkeit herrscht auch in Spannungsfragen. Der eine Hersteller setzt auf 800 Volt, der andere begnügt sich mit 400 Volt, der dritte wünscht sich als Kompromiss 600 Volt.

Die Infrastruktur beherrscht das frühestens in einigen Jahren, vom induktiven Laden ohne Stecker-Fummelei ganz zu schweigen. Tesla-Fahrer freuen sich inzwischen über ein wachsendes Netz an Superchargern. Toyota gewinnt unterdessen mit dem neuen Prius vielleicht einen Preis für das schrägste Design, doch die Uralt-Akkus stammen noch aus der Zeit der Duracell-Hasen. Am anderen Ende der Experimentalskala wartet der Mirai mit Wasserstoff-Antrieb, an dem auch BMW Gefallen findet.

Auf Automessen wie der IAA werden Deals eingefädelt und unterzeichnet, aber auch Auto-Ehen geschieden. Schon in Genf warb Sergio Marchionne (Fiat-Chrysler,FCA) um Mary Barra (GM), doch die Dame zeigte dem Verehrer die kalte Schulter. Warum geht FCA stattdessen nicht mit VW zusammen? Das könnte im Idealfall die Probleme der Wolfsburger in Amerika lösen und im Gegenzug Fiat wieder festen Boden in Europa verschaffen. Zumindest von deutscher Seite wird tatsächlich in diese Richtung sondiert. Allerdings wäre ein solcher multinationaler Megakonzern kaum zu steuern.

Andere Kooperationen werden dagegen ausgebaut oder erneuert. Nach BMW rückt auch Mini dichter heran an Toyota, und auch zwischen BMW und McLaren tut sich was. Rund 20 Jahre nach dem legendären F1 könnten die beiden Marken auf Basis der Karbonzelle des 650S-Nachfolgers wieder gemeinsame Sache machen. Falls das nicht klappt, wäre zumindest der Weg frei für einen in Eigenregie konzipierten BMW-Supersportwagen mit i-Effizienz.

Eine ähnliche Strategie war für Mercedes und Aston Martin angedacht - doch die Stuttgarter winkten ab. Der noch nicht endgültig definierte SLS-Nachfolger soll stattdessen in Affalterbach entstehen, die Briten dürfen aber für ihre nächste Modellgeneration Achtzylinder, Getriebe und Elektronik zukaufen. Mercedes holt sich die sparsamen Dreizylinder für die nächste A-Klasse bei Nissan, die Nissan-Tochter Infiniti bekommt im Gegenzug eine dritte Variante des Q30.

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Die Motoren werden immer kleiner

Der Zwölfzylinder wird aus Prestigegründen am Leben erhalten, aber uns ist keine einzige Neuentwicklung bekannt. Als Nächstes geht es dem V8 an den Kragen, der gegen die Kombination aus Sechszylinder plus E-Motor jedes CO₂-Duell verliert. Die Downsizing-Spirale hat freilich längst auch den Sechszylinder erfasst, der gegen die aufgeladenen Vierzylinder an Boden verliert.

Nur im Premiumsegment darf der Sechser weiterschnurren. Mercedes wechselt mit dem Debüt der neuen E-Klasse Ende 2016 vom V6 zum kostengünstigeren Reihensechszylinder, und auch Jaguar verabschiedet sich in etwa zwei Jahren vom V6. Geplant ist ab Ende 2017 ein 3,0 Liter-Aggregat als Benziner und Diesel in jeweils drei Leistungsstufen. In Verbindung mit den markenübergreifend 75 bis 120 kW starken Elektro-Bausteinen kommen die neuen Selbstzünder auf über 400 PS. Auch bei den Vierzylindern herrscht Aufbruchstimmung. Porsche erfindet für den nächsten Boxster/Cayman den Vierzylinder-Boxer neu, Mercedes treibt den leichteren Alu-Treibsatz mit dem Kürzel M264 auf bis zu 450 PS, VW will mit seinem über 400 PS starken 2,0 Liter-Kraftwerk ähnlich hoch hinaus. Eine Sonderstellung nimmt der bullige und stimmgewaltige 2,5 Liter-Fünfzylinder ein, den Audi in TT RS und RS3 anbietet.

Nicht zuletzt, weil Geld und Sprit nach wie vor billig sind, eilen Crossover von einem Absatzrekord zum Nächsten. Jaguar plant gleich drei Pseudo-Geländewagen: den kompakten E-Pace im Q3-Format, den in Frankfurt vorgestellten F-Pace und den großen J-Pace auf Range-Rover-Basis. Sogar das Elektroauto, das sich die Briten von Magna in Graz bauen lassen wollen, ist ein veritabler SUV - schon des US-Markts wegen.

Range Rover will 2017 einen siebensitzigen Evoque bringen, Land Rover errichtet für den nächsten Defender ein komplett auf Alu-Fertigung ausgelegtes Werk in Slowenien. Bei Ford ist die SUV-Palette mit dem Edge jetzt komplett, doch Opel muss nachlegen, und zwar mit dem zum Soft-Roader umprogrammierten Zafira-Nachfolger und mit einem neuen Crossover im Insignia-Format. Weil die Marke gerade einen Lauf hat, traut man sich sogar die Neuauflage des legendären Opel GT zu. Eine entsprechende Studie steht in Genf.

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Audi bringt schon 2016 den Q1, der eigentlich Q2 heißen müsste, weil er genetisch ein Q3 ist. Neben dem voll elektrischen Q6 rundet in zwei Jahren der noble Q8 das Angebot ab. Wer kann da mithalten? Zum Beispiel BMW mit dem X2, der kein X1-Coupé sein will sondern eher ein Einser Sports Tourer. Mercedes plant den GLB, den man als Fusion aus neuer B-Klasse und G-Modell-Optik verstehen darf.

Wie viel Technik wollen wir wirklich?

In kaum einem Bereich schreitet der Fortschritt so rasch voran wie in Sachen Connectivity und Assistenzsysteme. Vom autonomen Fahren profitieren neben dem Nutzer nämlich auch der Hersteller und Big Data, die sich schon heute darüber streiten, wer welche Informationen wie nutzen darf und zu welchem Preis. Schöne neue Auto-Welt? Eher nicht.

Ähnliches gilt für Infotainment und Ergonomie, wo die Industrie den Konsumenten mit Innovationen flutet, die uns schon daheim am Wohnzimmertisch überfordern würden - geschweige denn bei 130 km/h auf der Überholspur. Noch hat keine Marke begriffen, dass hier weniger wirklich mehr ist. Oder sollen wir uns vom Computer demnächst auch noch das Denken abnehmen lassen?

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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