Fahrbericht McLaren 650S Spider:Erhöhter Puls

McLaren 650S Spider

Wer den McLaren 650S Spider im Grenzbereich erleben möchte, muss sich eine Rennstrecke suchen.

(Foto: Patrick Gosling; McLaren)

Wenn sich Köpfe wegen eines Autos drehen, dann muss es sich um einen Exoten handeln. Erlebnisse mit dem McLaren 650S Spider - einem Supersportwagen, der leuchtende Augen und feuchte Hände verschafft. Kostet ja auch nur eine Kleinigkeit.

Von Thomas Harloff

Die Augen leuchten mit der an diesem Tag so intensiv scheinenden Sonne um die Wette. Schon der erste Blick auf diese Autoflunder löst diesen "Gib-mir-endlich-den-Schlüssel"-Reflex eines Autotesters aus. Dann kommt der Moment, in dem der Grundpreis des neuen McLaren 650S Spider ins Bewusstsein rückt. 255 000 Euro. Mindestens. Mehr als 300 000 Euro mit ein paar Sonderwünschen. Enorme Beträge, die auch für ein Haus samt Grundstück aufgerufen werden könnten. Oder eine komfortabel ausgestattete Eigentumswohnung. Nun erhöht sich auch noch der Puls. Werden die Hände feucht. Die erwähnten Summen flößen zugegebenermaßen Respekt ein.

Bevor es losgeht, bleibt viel Zeit, den Respekt in Ehrfurcht umschlagen zu lassen. Dafür reichen ein paar Blicke in die Scheinwerferaugen des Sportwagens. Die Leuchten sind dem Markenlogo nachempfunden und - ja nach Sichtweise - wie ein Bumerang oder Säbelzähne geformt. Die neue Front orientiert sich formal am 916-PS-Sportwagen McLaren P1 und steht dem Sportwagen deutlich besser als das Design des etwas zu technokratischen und beliebig gezeichneten MP4-12C. Nach wie vor erfüllt jedes Detail einen technischen oder aerodynamischen Zweck, aber der neue Bug verpasst dem Boliden endlich einen unverkennbaren Gesichtsausdruck. Menschen, die mehr als eine Viertelmillion Euro für ein Auto ausgeben, sollen auf derlei Dinge Wert legen.

Karbon, Alcantara und Plastik

Und natürlich auf eine hochwertige Innenausstattung. Schließlich handelt es sich hier um ein britisches Luxusgut, und geschmackvolle Gediegenheit ist seit jeher eine Domäne der englischen Nobelhersteller. Doch der McLaren ist anders als die Edelkarossen von Aston Martin, Bentley oder Rolls-Royce. Es gibt weder massive Holzvertäfelungen noch dickes Leder, das wäre schlicht zu schwer. Stattdessen arrangiert die Sportwagenschmiede, die aus dem berühmten Formel-1-Team hervorgegangen ist, viel Karbon, noch mehr Alcantara und auch ein bisschen Plastik.

Von der fahrerpeinigenden Askese eines Lotus, Caterham oder Radical, anderen Ikonen des britischen Sportwagenbaus, ist der McLaren 650S aber mindestens ebenso weit entfernt wie den zuvor beschriebenen Luxuslinern. Selbstverständlich ist ein - wenn auch eher träge reagierendes - Navigationssystem an Bord. Dazu Instrumente, die über Wesentliches wie Geschwindigkeit, Drehzahl, Temperaturen und Füllstände sowie Fahrmodi informieren. Das feste Klappdach öffnet und schließt automatisch, die Klimaanlage sorgt für wohlige Innenraumtemperaturen. Die optionalen Schalensitze kosten 6030 Euro pro Paar und dürften keinen Zentimeter enger sein, schmiegen sich aber an den Körper wie das Lieblings-T-Shirt.

Der Innenraum des McLaren 650S Spider.

Das Cockpit beschränkt sich aufs Wesentliche, ist aber fein arrangiert und sehr gut verarbeitet.

(Foto: McLaren)

Ein umgänglicher Typ

Nach einer kurzen Einweisung in die Funktionen der Tasten für Klimaanlage, Fronthaube, Dach und Fahrmodi kann es auch schon losgehen. Natürlich liegt der Münchner McLaren-Showroom, der Startpunkt dieser Tour, mitten in der Stadt. Und Stadtverkehr ist gewöhnlich die Hölle in einem solchen Höllengerät. Brutal harte Fahrwerke, eine schlechte Rundumsicht, Fahrzeugwerte im enormen sechsstelligen Bereich und die stete Angst, das teure Blech - oder aus was die Karosserie sonst so besteht - zu beschädigen, lassen Fahrten durch unübersichtliche Stadtzentren meist zum Angstschweiß-Beschleuniger werden.

Im McLaren ist alles anders. Die Federung schluckt im Normal-Modus sogar die fiesen Unebenheiten der Dauer-Großbaustelle am Münchner Luise-Kieselbach-Platz. Die Rundumsicht istm zumindest bei geöffnetem Dach und dank weit abstehender Außenspiegel, ordentlich und die Gasannahme nicht so giftig, dass man beim Antippen des rechten Pedals einen Sprint wie Usain Bolt hinlegt. In diesen für Autofahrernerven so strapaziösen Gefilden ist der Brite ein umgänglicher Typ, doch das Hitzeflirren über der Motorabdeckung mahnt an, dass ihm nun doch ein bisschen warm wird und ein wenig freier Auslauf das Wohlbefinden von Auto und Fahrer doch ordentlich steigern würde.

Mit Verstand und Verantwortung

McLaren 650S Spider Drift

Auch driften kann der McLaren 650S. Aber bitte nur auf abgesperrtem Terrain.

(Foto: Patrick Gosling; McLaren)

Zum Glück ist die Autobahn Richtung Garmisch nicht mehr weit. Endlich eine adäquate Spielwiese für den McLaren, dessen 650 PS starker Doppelturbo-V8 mit 3,8 Litern Hubraum seit dem Beginn der Fahrt chronisch unterfordert war. Schon beim ersten Beschleunigungsvorgang spielt der trocken 1370 Kilogramm leichte 650S seinen Gewichtsvorteil aus, der aus seinem superleichten Kohlefaser-Chassis sowie der hauptsächlich aus Kunststoff, Aluminium und Karbon gefertigten Karosserie resultiert. Locker und leicht drückt der direkt hinter der Fahrgastzelle verbaute Achtzylinder den Boliden selbst oberhalb der 200-km/h-Marke nach vorne.

Einigermaßen verantwortungsvolle Piloten merken spätestens hier, dass öffentliche Straßen nur bedingt das Jagdrevier eines solchen Supercars sein können. Der Spider liegt zwar auch bei hohem Tempo unerschütterlich auf der Straße, doch den irrwitzigen Fahrleistungen - 3,0 Sekunden von null auf 100 km/h, 8,6 Sekunden von null auf 200 km/h und 329 km/h Spitzengeschwindigkeit - sollte man sich eher auf einem weitläufigen und vor allem abgesperrten Testgelände nähern. Denn auf der Autobahn wird eine sich im Formel-1-Tempo nähernde und 1,20 Meter niedrige Sportwagenflunder gerne übersehen.

Öffentliche Straßen langweilen den 650S

McLaren 650S Spider

Beim Heck bleibt optisch alles beim Alten. Charakteristisch sind die weit nach oben verlagerten Auspuff-Endrohre.

(Foto: Patrick Gosling; McLaren)

Auch auf der Landstraße lässt sich das Potenzial des McLaren 650S gerade einmal anreißen. Natürlich lenkt er überragend ein. Selbstverständlich bietet er eine exzellente Kurvendynamik und -stabilität. Freilich beißt die serienmäßige Karbon-Keramik-Bremse beherzt zu und lässt sich dabei sehr feinfühlig dosieren. Überflüssig zu erwähnen, dass der Mittelmotor-Sportler - zumindest auf trockener Straße - seine Bärenkräfte verzögerungslos auf den Asphalt überträgt. Doch wer hier versucht, das fahrdynamische Limit zu erreichen, lässt das zuvor erwähnte Verantwortungsbewusstsein vermissen. Wer den McLaren im Grenzbereich spüren will, muss auf die Rennstrecke und dort von kundiger Hand bewegt werden. Öffentliche Straßen, man muss es einfach so deutlich formulieren, unterfordern, nein langweilen diese Präzisionsmaschine.

Dennoch ist die Tour durch das Kurvenlabyrinth Richtung Garmisch eine vergnügliche Angelegenheit. Vor allem deshalb, weil das Auto so mitteilsam ist, dass der Pilot jederzeit spürt, was es macht. In diesem Aspekt liegt neben dem aufregenderen Design die größte Errungenschaft des Modellwechsels vom MP4-12C zum 650S. Auch der Vorgänger fuhr irrsinnig schnell um Kurven, ließ das allerdings eher steril wirken. Er vermittelte dem Fahrer das Gefühl, nichts falsch machen zu können und vieles selbst zu erledigen. Der 650S ist anders. Hier fühlt es sich an, als beherrsche man dieses Kurvenskalpell. Eine Illusion vielleicht, schließlich gibt es nun noch mehr agilitätsfördernde Hightech, eine noch effizientere Aerodynamik und noch bessere Pirelli-Sportreifen. Aber auf diese Art lässt man sich gerne hinter´s Licht führen.

Nach dem Ende der Tour rast der Puls noch immer, leuchten die Augen, sind die Hände feucht. Innerhalb eines Nachmittags hat es der McLaren geschafft: Aus riesigem Respekt ist pure Begeisterung geworden.

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