Nutztiere:Kühe sind keine Maschinen

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Kühe, hier auf einer Weide in Niedersachsen, können Freundschaft schließen. (Foto: Lars Klemmer/dpa)

Kühe, Schweine und andere Nutztiere sind dem Menschen viel ähnlicher, als viele wahrhaben wollen. Das muss endlich in der Haltung berücksichtigt werden.

Kommentar von Tina Baier

Kühe haben beste Freundinnen. Ziegen können fast so gut mit Menschen kommunizieren wie Hunde. Schweine empfinden wahrscheinlich Mitgefühl für Artgenossen in Not. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Nutztiere Gedanken und Gefühle haben und dem Menschen viel ähnlicher sind als lange gedacht. Das sollte endlich in der Tierhaltung berücksichtigt werden.

In der Praxis werden Nutztiere oft nicht wie Lebewesen behandelt, sondern wie Automaten, die möglichst viel Fleisch oder Milch liefern sollen. Kälber etwa werden gleich nach der Geburt von ihren Müttern getrennt, damit sie den Menschen keine Milch wegsaufen. Die Mütter schreien nach der Trennung oft stundenlang - davon auszugehen, dass das keine emotionale Komponente hat, ist absurd.

Gängige Praxis in der Milchwirtschaft ist es auch, Kuhherden ständig neu zusammenzusetzen. Um die Abläufe zu optimieren, werden die Tiere nach unterschiedlichen Kategorien aufgeteilt: etwa danach, wie oft sie schon ein Kalb bekommen haben, oder danach, wie viel Milch sie geben. Ignoriert wird dabei die wissenschaftliche Erkenntnis, dass Kühe Freundschaften pflegen und eine Trennung von ihrer besten Freundin wahrscheinlich Stress pur für die Tiere bedeutet.

Warum werden Kühe und Schweine schlechter behandelt als Hunde und Katzen?

Zugegeben: Die Abläufe in den Betrieben umzustellen und zum Beispiel darauf zu achten, Kuhfreundinnen nicht voneinander zu trennen, kostet Zeit und Geld. Dasselbe gilt für Baumwollseile oder andere Spielsachen in Schweineställen, mit denen sich die intelligenten Tiere beschäftigen können.

Ethisch ist es aber geboten und eigentlich längst überfällig, Nutztiere wie lebende Wesen zu behandeln, die mehr Bedürfnisse haben, als nur genügend Futter zu bekommen. Bei Hunden und Katzen gilt das als selbstverständlich. Warum dann nicht bei Kühen und Schweinen? Weil Menschen diese Tiere essen?

Langfristig würde sich ein Umdenken auch wirtschaftlich auszahlen. Unglückliche Nutztiere verursachen Kosten, weil sie langsamer wachsen, ein schlechteres Immunsystem haben und deshalb öfter krank werden. Überhaupt ergäben sich viele Win-win-Situationen, wenn Menschen die Fähigkeiten von Kühen, Schweinen und Ziegen nutzen würden, statt sie geflissentlich zu ignorieren.

Schweine zum Beispiel können lernen, einzeln zur Futterstation zu gehen, wenn sie mit einer bestimmten, für jedes Tier individuellen Tonfolge "aufgerufen" werden - so ähnlich wie Menschen bei einem Behördengang, denen eine Nummer zugewiesen wird, damit sie wissen, wann sie an der Reihe sind. Ein solches Vorgehen erspart den Tieren den Stress, sich mit anderen um Futter zu streiten. Der Vorteil für den Bauern ist, dass die Schweine besser gedeihen.

Auch von der Entdeckung, dass sich Kühe darauf trainieren lassen, zur Toilette zu gehen, statt Fladen und Urin einfach fallen zu lassen, könnten Menschen profitieren. Bauern hätten weniger Arbeit beim Sauberhalten der Ställe. Außerdem würde weniger Ammoniak in die Umwelt gelangen, eine Substanz, die Böden, Gewässern und dem Klima schadet.

Bis solche von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelten Ansätze in die Praxis gelangen, werden leider noch Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen. Doch erste Verbesserungen gibt es schon: beheizte Wasserbetten für Ferkel zum Beispiel oder elektrische Kuhbürsten, mit denen sich die Tiere im Stall selbst kraulen können. Und immer mehr Bauern entscheiden sich dafür, Kälbchen möglichst lange bei ihrer Mutter zu lassen.

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Kühe, Schweine oder Ziegen pflegen Freundschaften und haben individuelle Charakterzüge. Für Forscher wird immer klarer: Da stehen intelligente, fühlende Wesen auf der Schlachtbank. Was bedeutet das für die Massentierhaltung?

Von Tina Baier

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