Ihr Name lautet "Druschba", das ist russisch für Freundschaft: Seit fast 60 Jahren leitet eine Pipeline Öl aus Russland über Belarus und Polen nach Ostdeutschland - zu den großen Raffinerien in Schwedt an der Oder und später Leuna in Sachsen-Anhalt, die daraus Benzin und Diesel, Heizöl oder Kerosin herstellen. Die "Druschba" ist ein Erbe aus der Zeit sozialistischer Bruderländer - und noch immer wichtig für Tankstellen, Heizungen und Flughäfen im Osten.
Doch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine versuchen viele Ölkonzerne, unabhängiger von russischen Rohstoffen zu werden - wenngleich Deutschland bislang kein offizielles Embargo für Öl aus Russland verhängt hat. Erstmals trifft eine dieser Bemühungen nun die "Druschba". Es ist, sozusagen, das Ende einer Freundschaft.
Folgen des Kriegs in der Ukraine:Gazprom könnte seine deutschen Gasspeicher verlieren
Die EU-Kommission präsentiert ein brisantes Gesetz, das Regierungen zwingt, die Zuverlässigkeit der Betreiber zu prüfen. Daneben will Brüssel künftig gemeinsam Gas bestellen - und Bauern mehr Nahrungsmittel produzieren lassen.
So kündigt der französische Konzern Total an, dass er "so bald wie möglich" kein Rohöl und keine Erzeugnisse wie Diesel mehr aus Russland kaufen werde. Total ist nicht nur der drittgrößte Tankstellenbetreiber Deutschlands, sondern auch Eigentümer der Raffinerie in Leuna. Sie hängt bislang ganz überwiegend an der "Druschba". Doch damit soll spätestens Ende dieses Jahres Schluss sein: Dann laufen die letzten Lieferverträge mit Russland aus, teilt Total mit. Neue sollen keine mehr hinzukommen, bestehende würden nicht verlängert.
Der Konzern betont, dass er "in enger Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung" handle. Total traf in den vergangenen Tagen und Wochen die Kritik, wonach man mit den Ölgeschäften Komplize der Kriegsverbrechen Russlands sei. Das wollen die Franzosen nicht länger auf sich sitzen lassen.
Allerdings wirft die Kehrtwende von Total ungeahnte Fragen auf, was die Kraftstoffversorgung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen betrifft. Denn in aller Regel transportieren Tanklaster Kraftstoffe von den Raffinerien über Lager zu den Tankstellen der jeweiligen Region. Es ist bislang weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll, gewöhnliches Superbenzin innerhalb Deutschlands über weite Strecken zu karren. Das geschieht in der Regel nur für sogenannte Premium-Kraftstoffe wie etwa "Ultimate" vom Marktführer Aral.
Total plant einen Ausweg über Polen - doch der hat einen großen Nachteil
Total will das Werk in Leuna - immerhin eine der fünf größten Raffinerien Deutschlands - fortan mit mehr Rohöl über den polnischen Hafen Danzig versorgen. Dort können grundsätzlich Tanker aus der ganzen Welt anlanden; das Öl gelangt dann ebenfalls per Pipeline nach Ostdeutschland. Allerdings sei die Umstellung auf andere Ölsorten zumindest kurzfristig schwierig, heißt es vom Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x). Und der Weg über Danzig biete nur etwa die Hälfte der Kapazität der "Druschba".
Total teilt daher mit, dass man künftig beispielsweise mehr Diesel "aus anderen Kontinenten importieren" werde, und verweist etwa auf die Beteiligung an einer Raffinerie in Saudi-Arabien. Was das wiederum für die Auslastung in Leuna und die etwa 660 Beschäftigten dort bedeutet, wollte das Unternehmen am Mittwoch zunächst nicht kommentieren.
Neben Total betreiben beispielsweise auch Shell und der Aral-Mutterkonzern BP Raffinerien in Deutschland, die allerdings über Nordseehäfen wie Rotterdam mit Öl versorgt werden. Beide Unternehmen können von deutlich höheren Spritpreisen in diesem Jahr profitieren, weil sie international eigene Bohrinseln betreiben - und somit die ganze Wertschöpfungskette bis hin zur Tankstelle bedienen.
Nach Total bliebe mithin die Raffinerie in Schwedt letzter großer Abnehmer des "Druschba"-Öls. Sie versorgt weite Teile Berlins und Brandenburgs mit Sprit. Ihr Betreiber PCK hat bislang kein Embargo für Öl aus Russland angekündigt. Allerdings sind die Eigentumsverhältnisse auch ganz andere: PCK gehört mehrheitlich dem russischen Rosneft-Konzern - und dieser will seinen Anteil weiter erhöhen, auf knapp 92 Prozent. Diese Freundschaft scheint vorerst noch intakt.