Stromkonzern:RWE baggert, will aber nicht mehr so viel verfeuern

Lesezeit: 3 min

Klimaretter und Klimakiller: Windräder von RWE stehen vor dem Braunkohlekraftwerk Neurath, das der Konzern in Nordrhein-Westfalen betreibt. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Der Stromkonzern verdient blendend und investiert massiv in erneuerbare Energien. Das Braunkohle-Geschäft soll bald der Vergangenheit angehören. Doch noch bereitet es Ärger.

Von Björn Finke, Essen

Es war ein lukratives, aber auch ein turbulentes Jahr für den Stromkonzern RWE. In Lützerath gab es erbitterte Proteste dagegen, dass das verlassene Dorf südlich von Mönchengladbach den Braunkohlebaggern des Dax-Unternehmens zum Opfer fällt. Kein Wunder also, dass der Vorstandsvorsitzende Markus Krebber bei der Bilanzpräsentation am Dienstag in Essen gar nicht auf diese Episode zurückblicken will. "Es ist unglaublich wichtig, dass wir jetzt nach vorne gucken", sagt er auf die entsprechende Frage. Es gehe nun darum, in Deutschland den Ausbau der erneuerbaren Energien "voranzutreiben und möglichst viel Kohle im Boden zu lassen".

Klingt paradox: Der RWE-Chef will die Braunkohle unter Lützerath wegbaggern, doch zugleich lieber früher als später damit aufhören, den Klimakiller in seinen Kraftwerken zu verfeuern. Hinter diesem scheinbaren Widerspruch steht Krebbers ehrgeiziger Plan, den Stromkonzern ergrünen zu lassen. Wegen der Energiekrise bleiben zwei Braunkohle-Kraftwerksblöcke vorerst am Netz, die RWE zum Jahreswechsel abschalten wollte. Und die Anlagen benötigen nach Argumentation des Unternehmens den Rohstoff aus Lützerath. Dafür steigt der Konzern - früher einer der größten Klimasünder des Planeten - schon 2030 anstatt 2038 komplett aus der Kohle aus.

Hohe Investitionen in Windparks

Krebber setzt stattdessen auf erneuerbare Energien: Zwischen 2021 und 2030 sollen mehr als 50 Milliarden Euro in Wind- und Solarparks, in Batteriespeicher sowie in Gaskraftwerke fließen, die RWE künftig mit klimafreundlichem Wasserstoff befeuern will. 15 Milliarden Euro davon sollen auf Deutschland entfallen. Allein im vergangenen Jahr investierten die Essener weltweit 4,4 Milliarden Euro, gut die Hälfte mehr als 2021. Teuerste Posten waren zwei Windparks in der Nordsee, einer in der deutschen, einer in der britischen. Im laufenden Jahr werde RWE "noch einmal deutlich mehr" investieren, sagt Finanzvorstand Michael Müller.

Der grüne Schwenk zahlt sich bereits aus. Der Betriebsgewinn der Wind- und Solarparks stieg im vergangenen Jahr um zwei Drittel auf insgesamt 2,2 Milliarden Euro. Die zwei Sparten profitierten von den hohen Strompreisen und davon, dass neue Anlagen ans Netz gingen. Die Kohle- und Kernkraftwerke steuerten dagegen nur 0,8 Milliarden Euro zum Betriebsgewinn bei, ein Sechstel weniger als 2021. Der Rückgang lag daran, dass RWE Kraftwerke abgeschaltet hat. Das Unternehmen wird seinen letzten Atommeiler im niedersächsischen Lingen in drei Wochen herunterfahren.

Die Übergewinnsteuer wird teuer

Größter Gewinnbringer waren aber die Gaskraftwerke. Das Betriebsergebnis der Sparte mit Gas-, Biomasse- und Wasserkraftwerken verdreifachte sich auf 2,4 Milliarden Euro. Die teuren Gaskraftwerke kamen im vergangenen Jahr häufiger zum Einsatz als sonst üblich und profitierten von höheren Preisen.

Krebber und seine Vorstände erwarten allerdings, dass die Gewinne der Gaskraftwerke im laufenden Jahr wieder sinken. Dafür sollen sie bei den Öko-Anlagen weiter steigen. Insgesamt erzielte der Konzern mit seinen 18 300 Beschäftigten 2022 ein Betriebsergebnis von 6,3 Milliarden Euro, von dem 3,2 Milliarden Euro unter dem Strich als Gewinn hängenblieben. Dieser Gewinn wird im laufenden Jahr auf deutlich unter drei Milliarden Euro fallen.

Eine Belastung werden die Übergewinnsteuern sein, mit denen EU-Staaten und Großbritannien die Profite der Energieversorger abschöpfen. Im vergangenen Jahr fiel für RWE eine Viertelmilliarde Euro an, doch wurde die Abgabe in wichtigen Märkten erst im Dezember eingeführt. Für 2023 rechnet das Management daher mit höheren Zahlungen.

Vorstandschef Krebber klagt, dass "ständige Debatten" über die Regeln auf dem Strommarkt oder über das Abschöpfen von Gewinnen die Unternehmen verunsicherten. Das verzögere bereits Investitionsentscheidungen, sagt der 50-Jährige, der RWE seit 2021 führt. Der Manager fordert auch, dass sich die Regierung "so schnell es geht" wieder aus den in der Krise verstaatlichten Energiekonzernen zurückziehe. Gemeint sind die Gasimporteure Uniper und Sefe.

Vor Rügen sollen Tanker mit Flüssigerdgas anlegen

Ein Lob kassiert die Bundesregierung dafür, die Genehmigungsverfahren für den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt zu haben. Allerdings würden erst "die nächsten 18 Monate zeigen", ob das wirklich ausreiche, sagt der frühere McKinsey-Berater und Banker.

Krebber verlangt zudem, dass die EU-Kommission Subventionen schneller und einfacher billigen solle. Im Vergleich zum Beihilfenprogramm der US-Regierung, dem sogenannten IRA-Gesetz, sei die EU-Förderung zu kompliziert. Die Politik müsse auch Hersteller grüner Technologien in Europa unterstützen - etwa von Teilen für Windkraftanlagen -, damit die Fertigungskapazitäten mit dem Bedarf mithielten, sagt er. Genau in diese Richtung geht eine Initiative, welche die EU-Kommission erst vorige Woche präsentiert hat.

Trotz all der schönen grünen Pläne und Forderungen: In den Schlagzeilen ist RWE zuletzt wieder wegen eines umstrittenen Projekts, das mit klimaschädlicher Energie zu tun hat. Die Bundesregierung plant vor Rügen ein Terminal für Flüssigerdgas (LNG), und RWE hat im Auftrag des Bundes mit Erkundungsarbeiten begonnen. Der Konzern soll die Anlage betreiben, wobei Krebber betont, dass Berlin noch keine Entscheidung gefällt habe. RWE wolle sich bei solchen Terminals außerdem nicht auf Dauer beteiligen, sondern sie bald wieder abgeben, sagt der Manager: "Wir helfen nur, weil wir es können."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBankenkrise
:Nun kommt es auf die Zentralbanken an

EZB, Fed und andere Notenbanken stützen nach dem Credit-Suisse-Fiasko das weltweite Finanzsystem. Sie geben Geld, wenn es sonst niemand mehr tut. Warum ihre Aufgabe dennoch heikel ist - und wie sie dabei tricksen.

Von Victor Gojdka und Markus Zydra

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken
OK