Rheinmetall:Das Unternehmen der traurigen Stunde

Lesezeit: 3 min

Ein "Puma" im Graupel: Rheinmetall baut den Schützenpanzer gemeinsam mit der Münchner Firma Krauss-Maffei Wegmann. (Foto: Björn Trotzki/imago images)

Weil Europa aufrüstet, sucht Deutschlands größte Rüstungsfirma Rheinmetall Hunderte Beschäftigte. Die Aktie legt stark zu. Eine ganze Branche hofft plötzlich, ihr Image verbessern zu können.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Fragt man Menschen, worin sie überschüssiges Geld auf keinen Fall anlegen möchten, dann sagen viele: nicht in Waffen! Die Rüstungsindustrie gilt nicht wenigen als Schmuddelecke der Wirtschaft. Als die EU in den vergangenen Monaten erste Entwürfe für die Kriterien sozial nachhaltiger Investitionen einholte, sollte Rüstung nicht als solche gelten. Und bestimmte Waffen wie Minen oder Streubomben fielen in die böse Kategorie: "sozialen Zielen widersprechend".

Doch mit dem Krieg in der Ukraine erleben Rüstungsfirmen einen Aufschwung. So plant Deutschland nicht nur ein sogenanntes Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, um die Bundeswehr besser auszustatten. Auch wollen mehrere Staaten künftig wieder jährlich zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. So sah es die Nato schon länger vor. Aber wer erwartete schon einen Krieg in Europa?

Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall spürt die Zeitenwende, wie sie Bundeskanzler Olaf Scholz nannte, gleich mehrfach: Die Düsseldorfer erwarten, dass sie einen beträchtlichen Teil jener Munition, Lastwagen oder Panzer liefern werden, die die Bundeswehr ordern will. An der Börse ist Rheinmetall gut 60 Prozent mehr wert als vor Ausbruch des Kriegs. Und die ganze Branche hofft, die Schmuddelecke zu verlassen. "Wir haben uns natürlich nie so gesehen", sagt Vorstandschef Armin Papperger.

Investoren, die lange einen Bogen um die Branche machten, denken allmählich um

"Über die letzten 20, 25 Jahre wurde in der Bundeswehr extrem gespart", sagt der Manager. Daher sei die Kehrtwende weise. Papperger räumt freilich ein: "Dieses Wachstum wird nicht einfach sein." Bereits in den vergangenen Monaten habe sein Unternehmen Stahl- oder Elektronikvorräte aufgefüllt, auch als Reaktion auf Lieferprobleme während der Corona-Krise. Doch damit ist es nicht getan: "Wir haben hochgerechnet, dass wir zwischen 1500 und 3000 zusätzliche Beschäftigte benötigen", sagt Papperger, die Hälfte davon in Deutschland. So schafft die Zeitenwende neue Jobs: nicht nur in Bremen oder Kiel, sondern etwa auch in Kassel oder Unterlüß bei Celle.

Bislang arbeite Rheinmetall im Ein-Schicht-Betrieb. Aber Papperger sagt: "Wir können natürlich auch mehrschichtig arbeiten." Zumal die Firma nicht nur mit Deutschland erste Verträge infolge des Kriegs in der Ukraine geschlossen habe. "Das merken wir auch bei den Anfragen, die aus den osteuropäischen Ländern kommen." Welche Rüstungsgüter man nun in die Ukraine geliefert habe, dürfe Rheinmetall aus verteidigungstaktischen Gründen nicht verraten. Angeboten habe man etwa Helme sowie Platten für Schutzwesten, sagt Papperger. Prognostizierte Rheinmetall bislang, dass der Umsatz in diesem Jahr um acht bis zehn Prozent steigen dürfte, geht der M-Dax-Konzern mittlerweile von 15 bis 20 Prozent Wachstum aus.

Investoren jedenfalls, die lange einen Bogen um die Branche machten, denken allmählich um. Beispielsweise hatte sich die schwedische Großbank SEB zwischenzeitlich auferlegt, kein Geld in Waffen zu investieren. Zum kommenden Monat hebt das Geldhaus das Verbot nun auf. Man passe sich an die neue Realität in Europa an, konstatiert SEB. Zwar wolle man weiterhin Investitionen in Waffen meiden, die gegen internationale Konventionen verstoßen. Aber grundsätzlich seien Rüstungsinvestitionen wichtig, um Demokratie, Freiheit und Menschenrechte zu verteidigen.

Konzerne mit Rüstungsgeschäft sorgten sich um ihre Finanzierung

Die Diskussion um die sogenannte soziale Taxonomie der EU treibt auch andere Unternehmen um, die kleinere Teile ihres Umsatzes mit Rüstungsgütern erwirtschaften. Sie waren zwar gewohnt, dass manche Aktionäre in der Hauptversammlung kritische Fragen zu Militärgeschäften stellten. Doch wenn Rüstungsgüter nach künftigen Kriterien der EU keine nachhaltige oder gar eine schädliche Anlage darstellen sollten, könnten die Firmen auch schwerer oder zu schlechteren Konditionen an Kredite kommen.

Papperger beklagte Anfang des Jahres, dass zwei Landesbanken Rheinmetall von ihrer Kreditvergabe ausgeschlossen haben - mit der Begründung, dass ökologische und soziale Kriterien sowie eine gute Unternehmensführung immer wichtiger würden. Der Fachbegriff mit den englischen Abkürzungen für Environment, Social und Governance lautet ESG.

Konzerne und Gewerkschaften hingegen verweisen zum einen auf Tausende, vergleichsweise gut bezahlte Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie und ihren Zulieferern hierzulande. Zum anderen leiste die Branche nun mal einen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit Europas oder der Nato-Staaten.

Papperger sieht jedenfalls Signale, wonach die EU die Rüstung in ihrer geplanten Klassifizierung nicht per se als schädlich anerkennen will. Was ESG betrifft, unternehme Rheinmetall in Sachen "E" sehr viel, beziehe etwa immer mehr Ökostrom und heize zunehmend mit Holzschnitzeln. An vorderen Plätzen in Governance-Ranglisten arbeite die Firma ebenfalls stetig. "Wir hoffen jetzt, dass allgemein auch im S-Bereich wir keine negativen Impacts kriegen", sagt Papperger etwas kryptisch.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: