Deutsche Bank:Postbank-Debakel wird Fall für den Aufsichtsrat

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Filiale der Postbank in Bonn. Verbraucherschützer beklagen, dass Kunden nach wie vor Probleme haben, teils sogar nicht an ihr Geld kämen. (Foto: RAINER UNKEL /imago images)

Das Kontrollgremium der Deutschen Bank prüft, wer in der Führungsriege für das Chaos bei der Postbank-Integration verantwortlich ist. Noch immer scheinen die Probleme nicht behoben.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Wenn sich der Aufsichtsrat der Deutschen Bank in der kommenden Woche turnusgemäß trifft, wird ein Thema sicher weit oben stehen auf der Agenda: das Debakel um die Postbank-Integration. Schließlich haben die Serviceprobleme der früheren Deutsche-Bank-Tochter nicht nur einen Reputationsschaden verursacht, sondern auch Tausende Kunden verärgert und nach Angaben von Verbraucherschützern sogar einige in Existenzkrisen gestürzt. Der Schaden soll sich Finanzchef James von Moltke zufolge allein im vierten Quartal auf 30 bis 35 Millionen Euro belaufen, nach bis zu zehn Millionen Euro im dritten Quartal.

Insider bestätigten einen Bericht des Handelsblatts, wonach der Aufsichtsrat der Bank den eigenen Wirtschaftsprüfer EY beauftragt hat, die Verantwortung für das Servicedebakel zu prüfen. Aufsichtsratschef Alex Wynaendts habe die Prüfung angeregt. Die Bank wollte sich weder zum Zuschnitt der Prüfung äußern noch zur Frage, ob die Verantwortung aller Vorstände geprüft wird, inklusive Konzernchef Christian Sewing, oder ob nur Ex-Privatkundenvorstand Karl von Rohr im Fokus steht. Folge der Prüfung könnten Bonuskürzungen sein. Schadenersatz wäre eher ungewöhnlich, weil Manager dafür nachweislich grob fahrlässig gehandelt haben müssten. Wynaendts ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet.

Nach dem jüngsten Umzug der Postbank-Daten auf die IT-Systeme der Deutschen Bank hatten sich die vergangenen Monate Tausende Kunden beschwert: Viele kamen wochenlang nicht an Konten oder beklagten sogar unberechtigte Abbuchungen. Betroffen waren vor allem Kunden mit Pfändungsschutzkonten. Der Vorstand wollte die IT-Migration offenbar möglichst kostengünstig durchziehen, hatte zu wenig Mitarbeiter für die Callcenter eingeplant und Prozesse schlecht organisiert. Dies rief die Finanzaufsicht Bafin auf den Plan, die einen Sonderbeauftragten in die Bank schickte, nachdem sie selbst mit Kundenbeschwerden überschwemmt worden war.

Die Bankführung hatte die Probleme lange heruntergespielt; interne Warnungen zu wachsenden Kundenbeschwerden versackten, oder wurden "als Gemecker" abgetan, wie ein Insider sagt. Die Frage nach der Verantwortung des Managements schien man lieber beiseitewischen zu wollen. "Derzeit konzentrieren wir uns darauf, die Situation für unsere Kunden zu verbessern", sagte Privatkundenvorstand Claudio de Sanctis unlängst auf eine entsprechende Frage. Auch Konzernchef Christian Sewing wollte sich auf die Frage, ob der Vorstand wegen des Debakels auf Boni verzichten wolle, nicht festlegen, das sei Sache des Aufsichtsrats, sagte er auf einer Veranstaltung. Dieser werde sicherlich eine "balancierte Entscheidung" dazu treffen und auch berücksichtigen, dass die Bank endlich eine einheitliche IT habe. Mit 9,2 Millionen Euro war Sewing 2022 Bestverdiener im Dax. Den Vertrag des Privatkundenvorstands von Rohr ließ der Aufsichtsrat im Oktober auslaufen. Ob die Migrationsprobleme dabei eine Rolle spielten, ist unklar.

Auch Verbraucherschützer sind skeptisch

Kritik gibt es Konzernkreisen zufolge auch am Organisationschef der Sparte, Manuel Loos, sowie am Deutschlandchef des Privatkundengeschäfts, Lars Stoy. "Es ist gut, dass sie die Sonderprüfung machen", sagt ein Insider. "Wenn sie ehrlich vorgenommen wird, werden sie feststellen, dass das Ding durchgeboxt wurde, ohne fertig zu sein." Zu hören ist außerdem, dass die fundamentalen "Prozessthemen" bisher nicht gelöst seien. "Es wird nur stumpf an den Rückständen gearbeitet", sagt ein weiterer Insider. Sewing hatte versprochen, die Probleme bis Ende des Jahres zu lösen. Man wolle nicht nur den Rückstau abarbeiten, sondern Kundenservice und Sachbearbeitung verbessern, sagte ein Sprecher.

Zweifel am Zeitplan haben auch Verbraucherschützer. "Wir haben den Eindruck, dass die Bank nur schnell die akuten Probleme außer Sichtweite geschafft hat, aber die grundlegenden Prozesse dahinter nicht gelöst sind", sagt Silke Rey Romero von der Verbraucherzentrale NRW. Ein Indiz sei, dass Kunden nach wie vor dieselben Probleme melden würden, etwa, dass viele Menschen schlichtweg nicht an ihr Geld kommen würden. "Das ist keine Frage der Erreichbarkeit eines Kundenservice, sondern des grundlegenden Funktionierens von Zahlungskonten", sagt Rey Romero. Können die Probleme bis Jahresende gelöst sein? Das glaubt sie nicht.

Zugleich, so fordert Rey Romero, dürfe es nicht sein, dass die Bank mit für Kunden unzugänglichen Guthaben in irgendeiner Form wirtschafte, also Zinserträge erziele, während Kunden teilweise wochenlang existenzielle Probleme, massiven Stress und hohen Aufwand hatten. Bislang habe die Bank Entschädigungszahlungen öffentlich weitgehend abgelehnt beziehungsweise allenfalls im Hintergrund schnelle Vergleiche geschlossen. Das aber, so die Juristin, sei nicht hinnehmbar.

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