Thyssenkrupp:Zwei mächtige Brüder sollen die Wende schaffen

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Tekin Nasikkol leitet den Konzernbetriebsrat von Thyssenkrupp. Das Unternehmen muss sparen. (Foto: Zoltan Les/Funke Foto Services)

Der kriselnde Essener Mischkonzern Thyssenkrupp verordnet sich ein weiteres Sparprogramm. Der verantwortliche Manager hat beste Verbindungen zum Betriebsrat.

Von Björn Finke, Duisburg

Es ist ein besonderer Ort für Tekin Nasikkol: Die Gewerkschaft IG Metall hat zur Pressekonferenz ins Bildungszentrum der Stahlsparte von Thyssenkrupp in Duisburg geladen. Nasikkol sitzt auf dem Podium, er leitet den Betriebsrat dieser Sparte sowie den Konzernbetriebsrat der Mutterfirma Thyssenkrupp. Damit ist der 55-Jährige einer der mächtigsten Arbeitnehmervertreter in Deutschland. Doch in diesem Raum des Bildungszentrums saß Nasikkol schon als junger Mann. "Meine Ausbildung habe ich hier begonnen", sagt er. Nasikkol hat Mitte der Achtzigerjahre Schmelzschweißer gelernt.

Trotzdem war Nasikkol am Mittwoch nicht nostalgisch-milde gestimmt. Der Gewerkschafter forderte mehr Unterstützung der Politik für den grünen Umbau der Stahlproduktion. Und er warnte den neuen Thyssenkrupp-Chef Miguel Ángel López Borrego, es dürfe beim geplanten Sparprogramm für das MDax-Unternehmen keine betriebsbedingten Kündigungen geben: "Wir ziehen hier klar und deutlich rote Linien für den gesamten Konzern", sagte Nasikkol.

Der Essener Mischkonzern verdient nicht nur mit Stahl sein Geld, sondern auch als Automobilzulieferer, Maschinenbauer, U-Boot-Hersteller und Werkstoffhändler. López führt die Firma und ihre weltweit 96 000 Beschäftigten seit Juni; er folgt der zurückgetretenen Martina Merz nach. Bei der Vorlage der Quartalszahlen im August kündigte der Deutsch-Spanier direkt ein neues "Performance-Programm" an. Betriebsbedingte Kündigungen schloss er auf Nachfrage nicht dezidiert aus, was zu Unruhe in der Belegschaft führte. Zumal Thyssenkrupp bereits in den vergangenen Jahren 11 000 Jobs gekappt hat. Kommenden Mittwoch will der frühere Siemens-Manager López das Programm namens "Apex" - lateinisch für Spitze - dem Aufsichtsrat präsentieren, danach startet die Umsetzung.

In einer E-Mail an die Beschäftigten erklärt die Konzernführung schon einmal, welche Bereiche betroffen sind. Demnach werden sich unter anderem die Themen Materialkosten, Vertrieb, Personal und Organisation, die Geschäftsmodelle und die "Performance Culture" angeschaut. Das klingt, als bliebe wenig außen vor. Aber der Druck ist groß nach Ansicht der Unternehmensspitze: "Wir haben die finanziellen Ziele, die wir uns gesetzt und dem Kapitalmarkt bereits 2021 kommuniziert haben, trotz der Anstrengungen im Veränderungsprozess der letzten Jahre nicht erreicht, und ein ,weiter so' können wir uns nicht leisten", heißt es in der E-Mail. Die Firma müsse "aufhören, von der Substanz zu leben".

Der Top-Manager kennt den Betriebsrat gut

López benannte zudem einen "Chief Transformation Officer", um das Programm zu überwachen. Hier fiel seine Wahl ausgerechnet auf Cetin Nazikkol, den ein Jahr älteren Bruder des Betriebsratsvorsitzenden Tekin Nasikkol. Der Gewerkschafter schreibt seinen türkischen Nachnamen mit "s", weil er ihn eingedeutscht hat. Cetin Nazikkol ist bisher Top-Manager für Thyssenkrupp in Dubai. In einem intern verbreiteten Interview sagt der promovierte Chemiker, dass ihn López' Anfrage zunächst überrascht habe, denn er sei kein Sanierer oder Controller. In seiner Karriere habe er sich mehr mit Geschäftsentwicklung und Vertrieb beschäftigt: "Für ein kurzfristig angelegtes Sparprogramm wäre ich sicher nicht die optimale Besetzung." Doch bei dem geplanten Programm gehe es vor allem darum, den Konzern "mittel- und langfristig wieder auf die Erfolgsspur" zu bringen.

Cetin Nazikkol betont in dem Gespräch, dass sein Bruder Tekin und er nicht gegeneinander arbeiten würden: Es handele sich schließlich nicht um ein Personalabbau-, sondern ein Transformationsprogramm. "Wir wollen Thyssenkrupp nachhaltig besser machen." Daran sei ja auch der Betriebsrat interessiert. Das umstrittene Programm liegt nun in den Händen zweier mächtiger Brüder.

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