Künstliche Intelligenz:Ein neuer Laptop, so bahnbrechend wie das iPhone?

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Eine neue Geräteklasse: Amerias Laptop hat keine Tastatur, man bedient ihn mit dem Zeigefinger in der Luft oder spricht ihn einfach an. (Foto: Eugen Shkolnikov/Ameria)

Die Heidelberger Firma Ameria entwickelt eine neue Art von Gerät. Statt mit Klicks und Wischen lässt es sich mit Fingerzeigen und Worten steuern. Der Gründer will damit der neue Steve Jobs werden.

Von Tobias Bug

In Heidelberg arbeiten sie an einer Revolution. Die Firma Ameria hat nichts Geringeres vor, als den Laptop neu zu erfinden. Nicht einmal den Vergleich zu Apple scheuen sie. Die Amerikaner hatten damals die Tasten am Mobiltelefon abgeschafft und dem Handy völlig neue Welten eröffnet. Auch Amerias Laptop hat keine Tastatur mehr, man muss ihn nicht einmal mehr berühren, sondern bedient ihn mit dem Zeigefinger in der Luft oder spricht ihn einfach an. Und das Gerät soll fit werden für die künstliche Intelligenz.

Die Idee dahinter: Computer können mehr und mehr Aufgaben übernehmen, die Menschen vorbehalten waren, also eigenständig recherchieren, schreiben oder Bilder erstellen. Wieso sollte der Mensch nicht auch menschlicher mit ihnen kommunizieren? Mit Gesten und Worten anstatt mit Klicks und Wischern? Doch bisher haben Laptops und Smartphones ihre Grenzen. Der Mann, der diese Grenzen überwinden will, heißt Albrecht Metter. "Wir können eine Revolution auslösen", sagt Metter, der Gründer der Firma Ameria.

Es mag etwas großspurig klingen, doch in der Branche sind sie tatsächlich beeindruckt: Vincent Piarou, leitender Entwickler bei Samsung sagt, er habe noch nichts vergleichbar intuitives, schnelles gesehen und nennt die Ameria-Technologie "fast grenzenlos". Robert Verhulst von Philips ist "beeindruckt". Mit Sony arbeitet Ameria schon zusammen. Alle großen Laptophersteller, Apple, Dell, Lenovo, erkundigten sich nach Amerias Entwicklung. Doch die Konzerne waren ihnen zu träge, die Heidelberger sprechen mittlerweile nicht mehr mit ihnen. Sie wollen den Laptop jetzt selbst bauen und melden fleißig Patente an. Der Codename ist Programm: Maverick - Einzelgänger.

Ein Bildschirm mit zwei Hasenohren

Etwas Eigenes bauen, das wollte Metter eigentlich nie. Er hat viele Firmen pleitegehen sehen, die das versuchten. Mit seiner Firma hat er seit 2001 als Dienstleister Marketingaufträge für Porsche oder Philip Morris erledigt, iPad-Spielchen oder berührungslose Interaktionen für Läden oder Messestände.

Damit er nun selbst nicht pleitegeht, ist Metter unterwegs, um Geld einzusammeln. Als man in der Ameria-Zentrale in einer ehemaligen US-Kaserne in Heidelberg ankommt, um den Maverick anzuschauen, ist der Chef nicht da. Vor ein paar Stunden hatte eine Familie aus der Region angerufen, die investieren will. Ob Metter nicht schnell vorbeikommen könne, bevor man in den Osterurlaub reise. Und weil Ameria gerade in einer Finanzierungsrunde steckt, fuhr Metter hin.

Er wäre gerne der deutsche Steve Jobs: Ameria-Chef Albrecht Metter. (Foto: Eugen Shkolnikov; Ameria/Eugen Shkolnikov)

Sein "Computer Vision Engineer" Steffen Hauth sitzt in der Ameria-Zentrale am Schreibtisch, vor ihm der Laptop ohne Tasten und Touchpad. Ein Fingerzeig reicht und schon erscheint das Hologramm eines Schuhs vor dem Display. Hauth bewegt seinen Zeigefinger, um den Schuh zu drehen und von allen Seiten zu betrachten. Später sagt er: "Schreib mir eine Geschichte für Kinder." Unter dem Bildschirm, wo sonst die Tastatur steckt, erscheinen auf einem Display drei mögliche Handlungsstränge. Hauth wählt mit dem Zeigefinger eine aus, ohne den Laptop zu berühren, und auf dem Bildschirm öffnet sich ein Word-Dokument. Der PC beginnt zu tippen und spuckt wenig später eine Geschichte aus.

Wie das alles funktioniert? Oben am Bildschirm hängen an zwei Hasenohren integrierte Kameras, die erkennen, was Hauth mit seinen Zeigefingern macht. Die eigentlichen Prototypen stehen auf dem Tisch nebenan, sie haben keine Hasenohren mehr, hier sind die Kameras in den gewölbten Ecken integriert. Über ihnen hängt gerade noch Klebeband, das Hauth nicht entfernen darf. Kinderkrankheiten - in zwei Wochen will er mit seinem Team das Problem behoben haben.

Ende 2025 soll der Maverick zu kaufen sein

Die Kameras scannen den Raum vor dem aufgeklappten Laptop. Bewegt Hauth den Finger nach vorn, ertönt ein Klicken. Damit wählt er aus, er zeigt, wischt in der Luft und spricht mit dem Gerät. Berühren muss er es nicht mehr. Damit er das Bild dreidimensional sieht, verfolgen zwei Kameras Hauths Augenbewegungen. Auf dem Display werden ihm zwei Bilder angezeigt, die Hauth als dreidimensionales Objekt wahrnimmt. Eine optische Illusion. Er braucht keine 3D-Brille oder sonstigen Schnickschnack.

"Wenn diese neue Art von Gerät von uns aus Deutschland kommen würde, wenn wir das hier aufbauen könnten - ich fände das großartig", sagt Albrecht Metter im Videocall. Sein Besuch tags zuvor bei der Investorenfamilie war erfolgreich. Ameria hat schon 30 Millionen Euro eingesammelt und schließt gerade die nächste Finanzierungsrunde ab. Bis Ende des Jahres wollen sie 100 Prototypen des Maverick bauen und sie an Testnutzer herausgeben, darunter Investoren und Freiwillige. Den Praxistest sollen Software- oder Handelsunternehmen machen.

Ende 2025 soll der Maverick dann zu kaufen sein, für mehr als 2000 Euro. Gerade überlegen sie in Heidelberg, ob sie nur die Software entwickeln und die Hardwareproduktion an einen Partner abgeben sollen, oder ob sie die Geräte selbst produzieren lassen sollen. Auch die großen Player stellen schließlich nicht selbst her, Apple lässt seine Geräte etwa von Foxconn produzieren. Auf einem Markt, auf dem weltweit 200 bis 250 Millionen Laptops im Jahr weggehen, wäre es spannend, sich ein bis zwei Prozent Marktanteil zu sichern.

Dafür muss der Laptop natürlich überzeugen. Wofür das Gerät letztlich verwendet wird, wissen die Entwickler selbst nicht. So wie Steve Jobs damals nicht wusste, was auf seinem iPhone alles möglich sein würde. Was der Maverick alles können soll? Mit ihm soll man zehn- bis zwanzigmal schneller eine Powerpoint-Präsentation erstellen können oder in Windeseile eine E-Mail abschicken. Und Spiele spielen oder in der Luft Musik mixen können wie ein DJ.

"Wir können die Art und Weise des Arbeitens revolutionieren"

Auch der Maverick soll mit Apps funktionieren, mit Partnern, die Anwendungen für ihn programmieren, er soll unendlich viele Schnittstellen haben, sagt sein Erfinder Albrecht Metter. Dem Deutschen, der mit seinem Maverick der neue Steve Jobs werden will, merkt man auch im Videocall an, wie überzeugt er ist. "Wir können die Art und Weise des Arbeitens revolutionieren", sagt er, und dass sie "die Endnutzerschnittstelle neu besetzen" und "das 3D-Gaming dramatisch verändern" könnten.

Das sind natürlich große Worte. Doch der Maverick könnte tatsächlich mehr sein als eine Spielerei. Sein 3D-Display ist vielseitig nutzbar und die Fingergesten wenig fehlerbehaftet. Unwirsches Wischen ignoriert er, manche Gesten nimmt er mit Absicht nicht wahr. Die Bedienung ist intuitiv. Das Gerät läuft mit einem Windows-Betriebssystem und kann als Software-Agent theoretisch alle möglichen Dienste nutzen: OpenAI, Mistral, Claude, Gemini. Ein riesiger Datenschatz, einfach präsentiert und einfach zu managen. Doch eine gute Wegstrecke hat Ameria noch vor sich. Gerade entwickelt ein Fraunhofer-Institut die passenden Kameras. Auch an den Funktionen und am Design feilen sie noch etwas.

"Wir haben hier alles, was wir brauchen", sagt Metter, die richtigen Fachkräfte, die richtigen Partner, ausreichend Kapital. Worte, die man dieser Tage selten über den Standort Deutschland zu hören bekommt. Tatsächlich sind die Nachbarn in Heidelberg stark. Aleph Alpha, Rabbit AI, Paretos haben sich in der Nähe niedergelassen, im Technologiepark der Stadt sitzen 150 andere KI-Firmen. Und unweit von Heidelberg pumpen die Schwarzgruppe und SAP gutes Geld in künstliche Intelligenz. Metter will aus Ameria ein führendes Softwareunternehmen aus Deutschland machen, neben SAP.

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