Microsoft ist mit Milliarden Dollar dabei, Meta auch, Google sowieso. Ein Tech-Konzern dagegen hatte sich lange zurückgehalten, wenn es um sogenannte große Sprachmodelle geht, jene künstlichen Intelligenzen (KI), die derzeit der größte Technologie-Hype sind. Nun steigt der Allesanbieter Amazon mit einer großen Investition in das KI-Rennen ein.
Amazon verkündete am Montag, bis zu vier Milliarden Dollar in das KI-Start-up Anthropic aus San Francisco zu stecken. Das Unternehmen ist für seinen Chatbot namens Claude bekannt, der als eine Art persönlicher Assistent dienen soll. Er kann Anleitungen, Geschichten oder Computercode verfassen, sowie laut Anthropic-Werbung auch "geistreiche Dialoge".
Die Investition ist Amazon zufolge "Teil einer breiter angelegten Zusammenarbeit, um das zuverlässigste und leistungsfähigste Foundation-Model der Branche zu entwickeln". Diese "Grundlagen"-Modelle sind jene KIs, die an gigantischen Datensätze trainiert wurden und dann für viele verschiedene Aufgaben angepasst werden können.
Die Cloud-Sparte Amazon Web Services (AWS) werde zunächst Anteile für 1,25 Milliarden Dollar übernehmen. Daneben gebe es eine Kaufoption über weitere 2,75 Milliarden Dollar. Im Gegenzug erhalten Amazon und seine Kunden den Angaben zufolge privilegierten Zugriff auf die Technologie von Anthropic. Außerdem verpflichte sich Anthropic, seine KI hauptsächlich auf der AWS-Cloud laufen zu lassen. Zudem werde das Start-up seine KI mit Tausenden von Amazons Spezialchips namens Trainium und Inferentia trainieren. Amazon lässt seine Kunden auch die KI Claude über sein Portal "AWS Bedrock" nutzen, wo mehrere andere bekannte Sprachmodelle zur Verfügung stehen. Amazon ist Marktführer auf dem Cloud-Markt und positioniert sich im KI-Rennen als Infrastrukturanbieter.
Was ist Anthropic?
Anthropic - vom altgriechischen anthrōpos (Mensch) - das soll heißen, dass der Mensch im Zentrum steht. Das Unternehmen wurde 2021 von den Geschwistern Dario und Daniela Amodei gegründet, die beide zuvor bei der Pionierfirma Open AI gearbeitet hatten. Nach eigenen Angaben verließen sie Open AI, weil dieses Unternehmen aus kommerziellen Gründen seine ethischen Grundwerte verraten habe, die Risiken nicht ernst genug nehme. Anthropic wirbt damit, auf die Sicherheit seines KI-Modells besonderen Wert zu legen. Recherchen der New York Times zufolge beschäftigen sich Gründer und die Angestellte intensiv mit dem Szenario, ihre künstliche Intelligenz könne der Menschheit einmal massiv schaden oder sie gar vernichten. Skeptiker glauben dagegen, dass so eine "Superintelligenz" technisch gar nicht zu bauen sein wird.
Im Mai warb das Unternehmen 450 Millionen Dollar ein, was eine Gesamtbewertung von fünf Milliarden Dollar bedeutete. Der Einstieg von Amazon wird wohl auch beim Cloud-Rivalen Microsoft interessiert beobachtet werden. Microsoft band Open AI mit einem exklusiven 10-Milliarden-Dollar-Deal an sich - jenes Unternehmen, das mit seinem Chatbot ChatGPT den Hype auslöste. Die Abmachung, die Amazon und Anthropic nun geschlossen haben, erinnert an jene, mit der sich Microsoft und Open AI die Führung im KI-Rennen zunächst sicherten. Ein Erfolg von Anthropic nun liegt nun im gemeinsamen Interesse von Amazon und Google - die ebenfalls im Cloud-Geschäft und bei der Online-Suche konkurrieren.
Schon in den vergangenen Wochen war immer deutlicher geworden, was Amazon vorhat. Auch der Sprachassistent Alexa wird bald durch generative KI verstärkt, jene KI-Form, die selbst menschlich klingende Sprache - ebenso wie Bilder oder Computercode - erzeugen kann und zu der auch Claude von Anthropic zählt. Alexa soll so mehr "Persönlichkeit" bekommen und vage gehaltene Anweisungen besser verstehen. In seiner Shopping-App lässt Amazon bereits für einige US-Kunden generative KI die zentralen Themen aus diversen Kundenbewertungen für Produkte zusammenfassen.
Dass sich das KI-Rennen buchstäblich aufheizt, sieht man auch daran, dass Microsoft einer aktuellen Stellenanzeige zufolge einen Verantwortlichen sucht, der einen kleinen Nuklearreaktor verantwortet. Mit dem Strom sollen jene energieintensiven Datenzentren betrieben werden, auf denen Microsoft seine Cloud und seine KIs betreibt.