Klimapolitik:Streit um 20 Millionen Tonnen CO₂

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Tempolimits, alternative Kraftstoffe oder eine Quote für E-Autos? Die Experten können sich nicht einigen, wie der CO₂-Ausstoß im Verkehr verringert werden soll. (Foto: Marijan Murat/dpa)
  • Die Kommission für mehr Klimaschutz im Verkehr legt den Entwurf eines Berichts vor. Ob sie sich aber auf ein gemeinsames Papier einigen können wird, ist unklar.
  • Noch immer gibt es Streit um die nötigen Maßnahmen, mit denen der CO₂-Ausstoß eingedämmt werden soll.
  • Umweltschützer fordern ein Tempolimit, höhere Spritkosten und harte E-Auto-Quoten. Das Verkehrsministerium und Autoverbände sind dagegen.

Von Markus Balser, Berlin

Noch immer ist der Bericht der Kommission für mehr Klimaschutz im Verkehr noch nicht ganz fertig. Das fünfte und letzte Kapitel fehlt noch. Doch schon der mit Anhängen 115 Seiten lange vertrauliche Entwurf, den die Mitglieder erst kurz vor Sitzungsbeginn heute um 10:30 Uhr bekamen, macht klar, wie weit die Positionen noch immer auseinanderliegen. 600 Änderungsanträge von Umwelt- oder Autoverbänden hatten die Autoren seit Sonntag bearbeiten müssen. "Wege zur Erreichung der Klimaziele 2030" steht auf der Frontseite. Das Problem ist nur: Einen gemeinsamen Weg haben die Experten noch immer nicht gefunden.

Mit 163 Millionen Tonnen CO₂-Ausstoß pro Jahr gehört der Verkehrssektor zu den großen Klimasündern in Deutschland. Er trägt maßgeblich dazu bei, dass Deutschland bislang seine Klimavorgaben aus dem Abkommen von Paris verfehlt. Die Emissionen nahmen zuletzt sogar zu, statt ab. Effizientere Autos und Lkws haben die Lage nicht gebessert, denn die fahren immer mehr Kilometer auf den Straßen. Der Klimaplan der Regierung sah deshalb radikale Einschnitte vor. Bis 2030 sollen die Emissionen auf weniger als 98 Millionen Tonnen sinken. Bislang aber konnten sich die Experten nur auf Maßnahmen wie den Ausbau der E-Mobilität und einen besseren Nahverkehr, mehr Digitalisierung im Verkehr und einen besseren Bahntakt einigen, die rund 40 Millionen Tonnen bringen sollen. Noch immer gibt es laut Komissionskreisen eine Lücke von mindestens 20 Millionen Tonnen.

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Das liegt vor allem daran, dass Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) alle Instrumente für mehr Klimaschutz ablehnt, die Autofahrer finanziell belasten oder anderweitig einschränken können. Das generelle Tempolimit auf Autobahnen, das Umweltverbände vehement fordern, taucht deshalb in dem Zwischenbericht nur als Fußnote auf. Mehrfach sei es auf Druck von Befürwortern hineingeschrieben worden, aber auf wundersame Weise wieder aus dem Text gefallen, heißt es auch in Regierungskreisen. Im Ministerium gab es wegen der Vorschläge der Kommission, die ursprünglich auch höhere Spritpreise vorsahen, heftigen Streit. Letztere sind herausgefallen. Noch immer sei der Druck aus der Hausspitze groß, zu den "richtigen" Ergebnissen zu kommen, heißt es weiter.

Scheuer will Proteste wie die der Gelbwesten in Frankreich vermeiden

Dahinter steckt auch die Angst vor Protesten wie der Gelbwesten-Bewegung in Frankreich. Scheuers Haus favorisiert deshalb Maßnahmen wie den verstärkten Einsatz von Bio- und synthetischen Kraftstoffen. Die finden sich bei Lektüre des Berichts nun zuhauf. Der Einsatz von Biokraftstoffen könnte einem Szenario zufolge mehr als verdoppelt und auch synthetische Kraftstoffe im großen Stil eingesetzt werden. Helfen sollen außerdem Park-Apps oder die Verflüssigung des Verkehrs durch technische Maßnahmen. Kritiker allerdings halten die genannten Mengen alternativer Kraftstoffe für utopisch. Bei vielen anderen Maßnahmen sei offen, was sie bringen. Es gehe wohl eher um ein Feigenblatt, um den Verbrennungsmotor zu schützen, hieß es. Eine E-Auto-Quote sieht der Bericht dagegen bislang nicht vor. Die Vorstellungen gehen noch weit auseinander. Die verschiedenen Szenarien gehen von sechs bis 14 Millionen E-Autos im Jahr 2030 aus.

Der Streit in der Kommission dürfte weitergehen. Dabei drängt die Zeit. Eigentlich sollte die Arbeitsgruppe heute ihre Arbeit abschließen. Daraus wird wohl nichts. Für Montag ist ein weiterer Termin anberaumt, bei dem es dann um die kritischen Punkte gehen wird. Bis zum 29. März sollen die Vorschläge veröffentlicht werden. Noch sei unklar, ob sich die Kommission wirklich auf ein gemeinsames Papier einigen kann - oder im Streit zerfällt.

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