Steuern:Wie viel Politik ist gemeinnützig?

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Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler im Berliner Regierungsviertel: noch gemeinnützig oder schon politisch? (Foto: Peter Meißner/imago/Pemax)

In Berlin streiten zwei Vereine, wie viel politisches Engagement eigentlich noch dem Gemeinwesen dient. Es geht um grundsätzliche Fragen - und ums Geld.

Von Stephan Radomsky

Neid unter Nachbarn, den soll es ja gelegentlich geben. Dass aber ein Lobbyverein den anderen beim Finanzamt anschwärzt, das ist eher ungewöhnlich. Und doch: Am Dienstag teilte die Kampagnen-Plattform Campact mit, man habe Briefe an verschiedene Finanzämter verschickt, weil Landesverbände des Bundes der Steuerzahler gegen die gesetzlichen Vorgaben zur Gemeinnützigkeit verstießen. Campact selbst hatte seine Gemeinnützigkeit bereits 2019 verloren.

Die Aktion wirft ein Schlaglicht auf einen Streit, der seit Jahren tobt. Er dreht sich um die Frage, welche politischen Aktivitäten als gemeinnützig gelten und damit steuerlich gefördert werden sollen - und welche nicht. "In Deutschland herrscht eine Zwei-Klassen-Zivilgesellschaft, die unserer Demokratie schadet", sagt Campact-Vorstand Felix Kolb. Vor allem linke Organisationen wie Campact und deren Anliegen stünden unter Druck, während konservative Vereine wie der Bund der Steuerzahler kaum etwas zu befürchten hätten. "Es geht Campact nicht darum, dem Bund der Steuerzahler etwas wegzunehmen", so Kolb weiter. Man wolle mit den Anzeigen aber auf "die Schieflage in der Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts" aufmerksam machen.

Bekannt ist der Bund der Steuerzahler vor allem für seine öffentlichkeitswirksame Schuldenuhr im Berliner Regierungsviertel und sein jährliches "Schwarzbuch" zur Steuerverschwendung. Daneben engagiert sich der Verein aber auch für die Beibehaltung der Schuldenbremse oder gegen die Reform des Wahlrechts, außerdem unterstützt er Steuerklagen, etwa gegen die Neuregelung der Grundsteuer oder zum Solidaritätszuschlag.

Auch in der Frage der Gemeinnützigkeit geht es vor allem um eines: ums Geld. Denn was gemeinnützig ist, das definiert in Deutschland das Steuerrecht, genauer Paragraf 52 der Abgabenordnung. Vereine, die auf dieser Basis vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt sind, genießen viele Vorteile: Sie profitieren etwa von Erleichterungen bei der Körperschafts- und Umsatzsteuer, vor allem aber dürfen sie Spendenbescheinigungen ausstellen, die Spender in ihrer Steuererklärung geltend machen können. Ohne Gemeinnützigkeit entfällt diese Möglichkeit - und womöglich bleiben dann Spenden aus.

Wenn es darüber zum Streit kommt zwischen Behörden und Vereinen, muss in letzter Instanz der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden. 2019 hatte der im Fall des globalisierungskritischen Netzwerks Attac ein Grundsatzurteil gefällt ( Az. V R 60/17): Der Trägerverein habe keine politische Bildung mehr betrieben, sondern die Grenze zur "allgemeinpolitischen Betätigung" überschritten. Den Aktivisten sei es darum gegangen, "die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen". Dafür aber gebe es keine Steuervorteile. In der Folge dieses Urteils hatte auch Campact seine Gemeinnützigkeit eingebüßt.

Spätestens seit dem BFH-Urteil fürchten auch viele andere politisch engagierte Vereine um ihren Status. Denn rechtlich gedeckt ist nur ein Katalog von 26 Vereinszwecken, darunter etwa Flüchtlingshilfe, Naturschutz oder Sport, aber auch Tier- und Pflanzenzucht oder Unterhalt und Pflege von Friedhöfen. Dafür dürfen sich die Vereine auch politisch engagieren - darüber hinaus aber wird es unsicher. Kann der Sportclub gegen Rechtsextremismus demonstrieren? Dürfen sich Kleingärtner am Klimastreik beteiligen?

Eigentlich sollte die Sache längst geregelt sein

Ein Gutachten zeige, dass sich der Bund der Steuerzahler regelmäßig öffentlich zu politischen Entscheidungen äußere und seine Gemeinnützigkeit deshalb längst hätte einbüßen müssen, heißt es von Campact. Weitere Nachforschungen hätten nun gezeigt, dass auch sechs Landesverbände in tagespolitische Diskussionen eingriffen. Deshalb habe man Hinweise an die jeweiligen Finanzämter in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen verschickt.

Vom Bund der Steuerzahler heißt es, man setze sich ebenfalls für rechtssichere und einfache Regelungen zur Gemeinnützigkeit ein und engagiere sich auch in einem entsprechenden Bündnis mit mehr als 200 anderen Organisationen. "Die Kampagne eines Verbandes, dem die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, hat keine sachliche Grundlage."

Eigentlich hätte die ganze Sache auch längst geklärt sein sollen. Bereits nach dem Urteil im Fall Attac wollte der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) das Gesetz neu ordnen, scheiterte aber an der Union. Und auch die Ampel-Koalition hatte sich eigentlich vorgenommen, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren, so ist es im Koalitionsvertrag festgehalten. Aus dem Bundesfinanzministerium heißt es dazu auf SZ-Anfrage: Derzeit werde in der Regierung dazu ein Gesetzespaket erarbeitet, "zu Details und einem konkreten Zeitplan" könne man sich aber noch nicht äußern.

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