Das Attac-Netzwerk dürfte nach Einschätzung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht gemeinnützig sein - zumindest was das Steuerrecht angeht. Das entschieden die obersten Finanzrichter in einem Grundsatzurteil, das jetzt veröffentlicht wurde.
Der Attac-Trägerverein überschreitet demnach mit seinen Aktivitäten die Grenze zur "allgemeinpolitischen Betätigung" und hat deshalb keinen Anspruch auf die Vergünstigungen vom Finanzamt, die gemeinnützigen Vereinen gewährt werden.
Dabei geht es in dem Urteil ( Az. V R 60/17) nicht um die eigentlichen politischen Tätigkeiten und Einstellungen von Attac. Entscheidend war für die Münchner Richter lediglich, wo die Grenze verläuft zwischen politischen Aktivitäten, die mit der Gemeinnützigkeit vereinbar sind, und solchen, die sie ausschließen.
Die hat Attac nach Einschätzung des BFH klar überschritten und darf deshalb nicht mehr steuerlich gefördert werden. Die Arbeit des Vereins an sich aber bleibt von dem Urteil unberührt.
Grundlage der BFH-Entscheidung ist ein Katalog von insgesamt 25 gemeinnützigen Vereinszwecken, die in der Abgabenordnung festgelegt sind. Darunter fallen beispielsweise die Förderung des Umweltschutzes, des Sports oder der politischen Bildung.
Nur Vereine, deren Arbeit auf diese Zwecke zielt, können demnach steuerlich gefördert werden - und in diesen Bereichen auch politisch aktiv werden. Dann genießen sie Erleichterungen bei der Körperschafts- und Umsatzsteuer und dürfen vor allem Spendenbescheinigungen ausstellen, die Spender wiederum in der Steuererklärung geltend machen können. Für viele Vereine ist es deshalb von großer Bedeutung, als gemeinnützig anerkannt zu werden.
Grenze der politischen Bildung überschritten
Im Fall von Attac sah der BFH die Voraussetzungen dafür aber nicht gegeben. Der Verein hatte sich darauf berufen, die politische Bildung zu fördern, das Finanzamt Frankfurt hatte das aber für die Jahre 2010 bis 2012 abgelehnt. Mit seiner Klage dagegen hatte der Attac-Verein vor dem Hessischen Finanzgericht noch Erfolg gehabt, der Bundesfinanzhof folgte nun aber der Argumentation des Finanzamts.
Die Münchner Richter urteilten, dass sich Attac mit seinen politischen Aktionen nicht auf die vom Gesetz geschützten gemeinnützigen Zwecke beschränkte - die Globalisierungskritiker forderten unter anderem eine Finanztransaktionssteuer, die Zerschlagung der Deutschen Bank und ein Ende der Sparmaßnahmen in Euro-Krise unter anderem in Griechenland.
Damit überschritten sie auch die Grenze der politischen Bildung. In dieser, so der BFH, könnten zwar "auch Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik erarbeitet werden". Das aber setze "ein Handeln in geistiger Offenheit voraus" - was die Richter bei Attac nicht sahen. Der Trägerverein habe seine Forderungen viel mehr bei Kampagnen verbreitet "um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen".
Das Urteil dürfte deshalb grundsätzliche Bedeutung dafür haben, unter welchen Bedingungen gemeinnützige Vereine auch politisch aktiv werden dürfen. Hier hat der BFH schon Anfang der Achtzigerjahre klargestellt, dass im Rahmen gemeinnütziger Zwecke wie zum Beispiel Umweltschutz, auch öffentlich Einfluss genommen werden darf.
Mit dem aktuellen Urteil schärfen die Richter nun aber die Grenze zwischen gemeinnützigen Vereinen und Parteien: In der Konsequenz bedeutet das, dass jeder Verein auch auf nicht ausdrücklich als gemeinnützig anerkannten Themenfeldern aktiv sein kann, dann aber auf steuerliche Förderung verzichten muss. Oder er stellt sich als Partei zur Wahl und unterwirft sich den Regeln des Parteiengesetzes.
Mit dem Urteil hat Attac die Gemeinnützigkeit aber noch nicht endgültig verloren. Der BFH verwies den Fall zurück ans Finanzgericht in Kassel. Im Verfahren dort sei nicht ausreichend geklärt worden, ob die Aktionen und Veröffentlichungen vom Attac-Trägerverein oder anderen Mitgliedern der globalisierungskritischen Bewegung stammten. Die deutsche Webseite von Attac, über die viele Aktionen angekündigt wurden, ist laut Impressum allerdings ein Projekt des Trägervereins.