Reisebranche:Umarmen, bis das Gate schließt

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Von hier an geht's alleine weiter - Begleitung ist nur bis zum Gate erlaubt und das auch nur an manchen Flughäfen. (Foto: Chalabala/IMAGO/Panthermedia)

In Philadelphia können Menschen ihre Liebsten künftig bis kurz vor dem Abflug begleiten. Dahinter dürfte nicht nur der Wunsch nach glücklicheren Gästen stehen.

Von Lea Hampel

Eine der erfolgreichsten Romanzen der Hollywoodgeschichte fängt am Flughafen an. Zu sehen sind Paare, die sich küssen, Omas, die sich drücken, Kinder, die einer Frau in die Arme fallen. "Wenn mich die weltpolitische Lage deprimiert, denke ich immer an die Ankunftshalle in Heathrow", sagt dazu eine Männerstimme am Anfang von "Tatsächlich Liebe". "Es wird immer behauptet, wir leben in einer Welt von Hass und Habgier, aber das stimmt nicht. Im Gegenteil, mir scheint wir sind überall von Liebe umgeben."

Vielleicht hatten die Marketingexperten des Flughafens Philadelphia diesen Filmanfang im Kopf, als sie sich ein Programm namens "Wingmate" ausdachten, das nächste Woche startet - oder eine der hundert anderen Referenzen der popkulturellen Flughafenromantik, seien es Szenen aus "Casablanca" oder "Terminal", oder der Song "Leaving on a jetplane". Wer jemandem zu dem Flughafen im US-Bundesstaat Pennsylvania bringen oder von dort abholen möchte, muss von November an nicht zwangsläufig wie bisher vor den Sicherheitsschleusen warten mit hunderten anderen Besuchern. Oder schon Stunden, bevor der Flug geht, Abschiedsküsse hauchen. Sondern er oder sie darf, wenn er sich online registriert hat, seinen Herzensmenschen bis ans Gate begleiten. Angesichts der aktuellen Weltsituation eine passende Idee, ein bisschen mehr Liebe schadet sicher nicht.

Es geht auch um - Geld

Doch wer sich schon über das Gute in der Welt freut, sollte nicht vergessen: Flughäfen zu betreiben - in diesem Fall mit mehr als 106 000 Mitarbeitern - kostet Geld, und das muss irgendwo her kommen. Und so lässt auch das Video, in dem für das Programm geworben wird, vermuten, dass mehr als Herzenswärme hinter der Wingmate-Idee steckt. Im Video geht es zwar darum, dass man damit jemandem eine Freude machen kann. Aber die "mehr als 140 Läden und Restaurants", die am Flughafen auf Kunden warten, finden auch reichlich Erwähnung. Das Kind im Video bekommt ein Cap und Süßigkeiten gekauft und die Freundinnen feiern ihr Wiedersehen mit zwei großen Kaffees direkt in der Flughafenhalle. Und, oh Zufall: Wer einen "Wingmate Pass" hat, bekommt in den Geschäften besondere Angebote. Wie wenig es tatsächlich beispielsweise um Familienliebe gehen dürfte, zeigt sich auch daran, dass nur Erwachsene sich für den Pass registrieren können.

Trotzdem ist es eine kleine Sensation, dass die Zahl der Flughäfen steigt, an denen all das möglich ist. Seattle und New Orleans haben ähnliche Programme, Orlando ebenfalls. In den offiziellen Meldungen steht nur, dass die neuen Regelungen zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren möglich sind. Was da nicht steht: Vor den Anschlägen auf das World Trade Center war es in den USA - im Gegensatz zu Deutschland beispielsweise - eine Selbstverständlichkeit, auch als Besucher bis zum Gate gehen zu können. Das hat sich erst seit den Attacken und den verstärkten Sicherheitsmaßnahmen geändert und ist für mehr als zwei Jahrzehnte so geblieben, bis jetzt.

Und so mag es nicht um Liebe gehen an diesen Flughäfen, aber um ein bisschen mehr Vertrauen und Sicherheitsgefühl als bisher. Und das ist doch immerhin auch ein Anfang.

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