Recht auf Reparatur:Das Ende der Wegwerfgesellschaft rückt näher

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Halden von Elektroschrott sind auch ein Signal dafür, dass kaputte Geräte oft nicht mehr repariert werden. Das soll sich ändern. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

EU-Bürger haben bald ein Recht auf Reparatur. Das neue EU-Gesetz soll für Smartphones gelten, für Waschmaschinen - und jetzt auch für Fahrräder.

Von Jan Diesteldorf, Straßburg

Manchmal sind EU-Gesetze so kompliziert, dass man ein Seminar bräuchte, um sie zu durchdringen. Es gibt aber auch Fälle wie das "Recht auf Reparatur", das die Abgeordneten im Europaparlament in Straßburg am Dienstag mit großer Mehrheit beschlossen haben. Bei diesem Gesetz leuchtet schon die Problembeschreibung jedem ein: Jedes Jahr entstehen in Europa 35 Millionen Tonnen Müll und Schrott, weil Produkte ersetzt werden, anstatt sie zu reparieren. Das ist in vielen Fällen billiger, bequemer und ohne Alternative, weil eine Reparatur gar nicht vorgesehen ist oder durch die Bauart eines Produkts verhindert wird.

René Repasi spricht mit Blick auf das Reparaturgesetz deshalb auch von der Absicht, "das System zu ändern". Der SPD-Europaabgeordnete hat das Regelwerk im Parlament federführend verhandelt. Es erweitert die Gewährleistung für bestimmte Produkte so, dass Verbraucher künftig einfordern können, ein Produkt reparieren zu lassen. Geht etwa ein erst vor wenigen Monaten erworbener Staubsauger kaputt, soll ein Kunde ihn zum Händler zurückbringen oder sich neuerdings direkt an den Hersteller wenden können. Der darf dem Gesetz zufolge eine Reparatur nur noch ablehnen, wenn sie "rechtlich oder faktisch unmöglich ist".

Innerhalb der Gewährleistungsfrist, die EU-weit mindestens zwei Jahre und in einigen Ländern drei Jahre lang dauert, soll die Reparatur dem Ersatz eines Produkts vorgezogen werden, wenn die Reparatur keine "erheblichen Unannehmlichkeiten" für die Verbraucher bringt. Repariert es jemand innerhalb der Gewährleistungsfrist, soll sich die Gewährleistung nach dem Wunsch der Parlamentarier automatisch um ein Jahr verlängern. Das vergrößere den Anreiz, sich für eine Reparatur zu entscheiden, sagt Repasi. Über die Gewährleistungsfrist hinaus muss der Hersteller eine Reparatur über die gesamte Lebensdauer eines Produkts anbieten. Die ist auch nach Produktgruppen gesetzlich definiert. So sieht die Ökodesign-Richtlinie etwa vor, dass Weißgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen zehn Jahre lang reparierbar sein müssen.

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Bislang ist es meist zu teuer, ein Produkt zu reparieren - das soll sich ändern

Das neue Gesetz soll für Haushaltsgroßgeräte gelten, für elektronische Displays, für Staubsauger, Server und Datenträger, für Mobiltelefone und Tablets sowie - das war den Verhandlern im Parlament auch symbolisch wichtig - für Fahrräder. Künftig haben Verbraucher für all das die Wahl: Sie können sich wie gehabt an den Händler wenden, direkt beim Hersteller melden, oder sie suchen einen Reparaturshop ihrer Wahl auf. "Das Recht auf Reparatur kann das Ende der Wegwerfgesellschaft einläuten", sagt Anna Cavazzini, die für die Grünen an dem Gesetz gearbeitet hat. Kritik kommt von den Liberalen: Es sei "höchst problematisch", das Recht für Verbraucher einzuschränken, zwischen Reparatur und Ersatzgerät zu wählen, sagt die FDP-Parlamentarierin Svenja Hahn, die "mehr Bürokratie und schlechteren Verbraucherschutz" befürchtet.

Bislang scheitert die Reparatur in vielen Fällen erstens einfach daran, dass sie zu teuer ist. Das Display eines üblichen, preiswerten Smartphones zu reparieren, ist oft ähnlich teuer, wie ein neues zu kaufen. Das soll sich ändern, indem Ersatzteile einfacher verfügbar und günstiger werden. Zugleich sollen Produkte überhaupt erst reparierbar werden, indem Ersatzteile eine Weile verpflichtend verfügbar sein müssen. Schrauben, die sich nur mit einem speziellen Schlüssel öffnen lassen, sollen ebenso verschwinden, wie Software-Vorrichtungen, die dazu führen, dass ein Produkt nach einer Reparatur nicht mehr ordentlich funktioniert.

Die Kommission hatte das Recht auf Reparatur ursprünglich im März vorgestellt. Das Parlament hat den Umfang der Richtlinie nun an entscheidenden Stellen erweitert. Sobald sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Position verständigt haben, was für Ende November erwartet wird, können die Verhandlungen zwischen Parlament und Rat beginnen. Steht ein Kompromiss, haben die nationalen Regierungen 18 Monate Zeit ihn umzusetzen. Bis zum Anfang vom Ende der Wegwerfgesellschaft wird es also noch dauern - mindestens bis zum zweiten Halbjahr 2025.

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