Wahlen:EU-Kommission geht gegen Fake News auf Facebook und Instagram vor

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Da hatte er noch zu lachen: Meta-Chef Mark Zuckerberg bei einem Termin mit der EU-Kommission im Februar 2020. Jetzt muss der Facebook-Gründer unangenehme Fragen beantworten. (Foto: Francisco Seco/dpa)

Die Brüsseler Behörde wirft dem Meta-Konzern vor, nicht genug gegen Desinformation und irreführende Werbung zu tun. Das ist gerade jetzt vor den EU-Wahlen heikel.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Die Störer sind längst da. Sie posten Desinformation bei Twitter, versteckt hinter anonymen Accounts. Sie sähen Zwietracht mit Bildern bei Instagram, schalten auf Facebook Werbung im Interesse des Kremls, stacheln Demonstrierende in Telegram-Gruppen an. Vereint darin, die westlichen Demokratien zu untergraben, arbeiten ausländische Akteure daran, den öffentlichen Diskurs in der EU zu vergiften. Vor den Europawahlen Anfang Juni ist die Furcht vor ausländischer Einflussnahme in Brüssel Dauerthema, besonders vor solcher aus Russland. Und die Europäische Kommission nutzt die neuen Möglichkeiten aus, die sie seit dem vergangenen Jahr hat: Sie ermittelt gegen Plattformen, die mutmaßlich nicht genug gegen Desinformation tun.

Am Dienstag leitete die Behörde eine Untersuchung gegen den US-Konzern Meta mit seinen beiden Plattformen Facebook und Instagram ein. Das Unternehmen könnte gegen Vorgaben im Gesetz für Digitale Dienste (kurz DSA) verstoßen haben, so der Verdacht der Kommission. Unter anderen soll Meta im Umgang mit irreführender Werbung und politischen Inhalten in seinen Diensten gegen das Gesetz verstoßen haben, das Betreiber von Online-Diensten wie Video-Plattformen, Suchmaschinen oder App-Stores zur strengen Moderation von Hass-Inhalten und Desinformation verpflichtet. Die Unternehmen müssen illegale Inhalte schneller löschen als bisher und der Kommission im Detail über Risiken berichten. Nutzer müssen außerdem einfach zugängliche Möglichkeiten haben, illegale Inhalte zu melden. Auch das fehle bei Facebook und Instagram, teilte die Kommission mit.

Behördenchefin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, ihre Kommission habe Mittel geschaffen, "um europäische Bürger vor gezielter Desinformation und Manipulation durch Drittländer zu schützen". Bei einem vermuteten Verstoß gegen Regeln handle man. "Das gilt zu jeder Zeit, aber besonders in Zeiten demokratischer Wahlen", sagte sie.

Die Ermittlungen stehen in einer Reihe mehrerer Verfahren

Die Ermittlungen gegen Facebook und Instagram stehen in einer Reihe mehrerer Verfahren nach dem neuen Gesetz. Bislang hat die Kommission Untersuchungen gegen X (vormals Twitter), Tiktok und den Onlinehändler Aliexpress eingeleitet. Der Karriereplattform Linkedin schickte sie kritische Fragen zu personalisierter Werbung auf der Grundlage sensibler Daten. Und mehrere der größeren Plattformen, denen das Digitale-Dienste-Gesetz besonders strenge Vorschriften macht, müssen der Kommission Informationen über ihren Umgang mit den Risiken generativer künstlicher Intelligenz vorlegen.

Während Meta mit Werbung Geld verdiene, scheint der Konzern noch keine angemessenen Mechanismen gegen organisierte Desinformation zu haben. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Im Fall von Meta verdächtigt die Kommission den Konzern, die "Verbreitung von irreführender Werbung, Desinformationskampagnen und koordiniertem unauthentischem Verhalten" nicht angemessen zu unterbinden. Während Meta mit Werbung Geld verdiene, scheint der Konzern noch keine angemessenen Mechanismen zu haben im Umgang mit Anzeigen, die mit künstlicher Intelligenz erzeugt seien und mit sogenannten Deepfakes - täuschend echte, aber gefälschte Aufnahmen realer Personen und Orte. "Wir haben gesehen, wie das von einer russischen Einfluss-Kampagne ausgenutzt wurde", sagt eine Vertreterin der Kommission. Das gelte auch für Betrüger, die auf den Plattformen unterwegs seien.

Ein zweiter Vorwurf, dem die Kommission nachgeht, betrifft gewöhnliche politische Inhalte. Die werden von den Algorithmen bei Facebook und Instagram gegenüber werberelevanten Inhalten benachteiligt - die Influencerin mit der schicken Handtasche bekommt automatisch mehr Aufmerksamkeit als die Polit-Bloggerin, die über die bevorstehenden Wahlen redet. Auch das könnte gegen den DSA verstoßen, vermutet die Kommission. Drittens bemängelt die Behörde, dass Facebook kein "Echtzeit-Tool für den zivilgesellschaftlichen Diskurs und die Wahlbeobachtung im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament" mehr habe, nachdem Meta eine entsprechende Anwendung "ohne angemessenen Ersatz" abgeschafft habe.

Ein vierter Verdacht betrifft - ähnlich wie schon im Fall der Ermittlungen gegen X - die Mechanismen zum Melden illegaler Inhalte. Diese Mechanismen müssen dem Gesetz zufolge "einfach zu erreichen und nutzerfreundlich" sein, was Meta mutmaßlich nicht befolge. Die Kommission betonte in einer Mitteilung, dass sie einen Verdacht prüfe und damit kein Ergebnis vorwegnehme. Sollte sich der Verdacht bestätigen, drohen hohe Geldstrafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.

Auf die Frage, wie effektiv das Gesetz im Kampf gegen Desinformation überhaupt sein kann, sagte eine Vertreterin der Behörde, der Erfolg des DSA bemesse sich nicht an der Geschwindigkeit, mit der irreführende Inhalte und Desinformation gelöscht würden. Das Gesetz stelle sicher, "dass die damit verbundenen Risiken von den Plattformen wirksam und sorgfältig entschärft werden, um zu verhindern, dass sie unsere Demokratie beeinträchtigen". Und gemessen daran sei man mit Blick auf die bisher ergriffenen Maßnahmen alles andere als langsam.

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