DHL:Das Briefgeschäft bricht ein

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DHL-Chef Tobias Meyer am Mittwoch auf der Pressekonferenz in Bonn: Er senkte die Gewinnprognose. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Zahl der Sendungen sinkt seit Jahren, doch nun hat sich die Entwicklung dramatisch beschleunigt. Auch sonst läuft es gerade schlecht für die Deutsche Post. Der Konzernchef erwägt, Filialen durch Automaten zu ersetzen.

Von Björn Finke, Bonn

Die Menschen in Deutschland verschicken von Jahr zu Jahr weniger Briefe - aber diese Entwicklung hat sich jetzt deutlich beschleunigt. Der Logistikkonzern DHL, die Muttergesellschaft der Deutschen Post, ging bisher davon aus, dass die Mengen um zwei bis drei Prozent pro Jahr sinken. Doch in den vergangenen zwölf Monaten betrug das Minus gut sechs Prozent: "ein ungewöhnlich hoher Wert", wie Vorstandschef Tobias Meyer am Mittwoch bei der Vorstellung der Quartalszahlen in Bonn sagte. Das Management des Dax-Unternehmens mit weltweit 600 000 Beschäftigten rechnet auch nicht mehr mit einer Rückkehr zu dem früheren, sanfteren Trend.

Ein Grund seien Fortschritte bei der Digitalisierung hierzulande, sagte Meyer, der den Konzern seit einem halben Jahr führt. Zum Beispiel, dass sich Bürger nun online krankschreiben lassen können - und daher weniger Dokumente in Briefumschlägen verschickt werden. Für DHL bedeutet das weniger Einnahmen, doch steht das deutsche Briefgeschäft ohnehin nur für sieben Prozent des Umsatzes. Das Unternehmen verdient sein Geld vor allem im internationalen Expressgeschäft, in der Luft- und Seefracht und bei Lieferketten-Dienstleistungen. Hier spüren die Bonner aber die schwache Weltkonjunktur. Die Frachtmengen und -preise sinken - und mit ihnen Umsatz und Gewinn im dritten Quartal.

Meyer erwartet daher für das Gesamtjahr nur noch ein Betriebsergebnis von 6,2 bis 6,6 Milliarden Euro, je nach Entwicklung der Wirtschaftslage. Zuvor hielt das Management bis zu sieben Milliarden Euro für möglich. Meyer stutzte auch die Gewinnprognose für 2025. Hieß es im März, DHL peile ein Ergebnis von mehr als acht Milliarden Euro an, sollen es jetzt sieben bis acht Milliarden Euro sein. Dies bedeutet, dass die Aktionäre länger darauf warten müssen, dass der Gewinnrekord von 2022 fällt. Da erreichte DHL 8,4 Milliarden Euro; es war die vierte Bestmarke in Folge.

Mit dieser Serie trat der langjährige Konzernchef Frank Appel ab und übergab die Führung an Meyer. Appel profitierte von einem hilfreichen Umfeld. So ließ die Pandemie den Onlinehandel und damit die Menge an Paketen noch schneller wachsen als erwartet. Die Preise für Luft- und Seefracht stiegen kräftig. Meyer hingegen muss sich mit einer schwachen Konjunktur und sinkenden Frachtpreisen herumschlagen.

In Deutschland sinken Investitionen

Zudem erhöht der im März abgeschlossene Tarifvertrag mit Verdi die Kosten in der kriselnden deutschen Brief- und Paketsparte deutlich. In den ersten neun Monaten des Jahres halbierte sich der Betriebsgewinn des Bereichs im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im laufenden wie schon im vorigen Jahr kann die Sparte nichts zur Dividendenzahlung beitragen.

Meyer stellte klar, dass er dies auch nicht erwarte. Zugleich würden die anderen Bereiche des Konzerns das deutsche Traditionsgeschäft nicht subventionieren können. Das Geld für Investitionen müsse der Bereich schon selbst verdienen, sagte der 48-Jährige. Und da die Sparte wenig profitabel ist, sinken die Investitionen in Deutschland. Meyer sagte, es werde weniger in Standorte, in Fahrzeuge oder in Klimaschutz investiert.

Die Bundesregierung will demnächst ein neues Postgesetz vorlegen, das die Regeln für die Zustellung modernisiert. Der bisherige Rechtsakt ist ein Vierteljahrhundert alt; seitdem haben sich die Bedürfnisse der Kunden durch den Siegeszug der E-Mail verändert. Dass der Rechtsakt weiter auf sich warten lasse, sei schlecht, weil DHL Planungssicherheit fehle, klagte Meyer. Der Manager fordert attraktivere Bedingungen für den schrumpfenden Postdienst: "Die Waage ist aus der Balance gekommen."

Lieber Automaten statt Filialen?

Das Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichte Anfang des Jahres immerhin schon ein Eckpunktepapier zur Gesetzesreform. Demnach erwägt die Regierung, die Wettbewerbsbedingungen für kleinere Rivalen der Deutschen Post zu verbessern und der Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde erstmals die Möglichkeit zu geben, Strafen zu verhängen. Auf der anderen Seite könnte das neue Gesetz der Deutschen Post das Leben auch erleichtern. So könnte die Vorgabe wegfallen, dass 80 Prozent der Briefe am nächsten Werktag zugestellt werden müssen. Ein Verzicht darauf würde bedeuten, dass die Post weniger Briefe per Flugzeug durch Deutschland transportieren muss. Das würde Kosten und den Ausstoß an Treibhausgasen senken.

Außerdem könnte der Konzern dann ein Zwei-Klassen-System für Briefe einführen, wie es in einigen ausländischen Staaten schon existiert. Dann gäbe es teurere Premium-Briefmarken für Briefe, die doch schon am nächsten Morgen zugestellt sein müssen.

Am Mittwoch ließ Meyer auch durchblicken, dass er beim Postdienst gerne Kosten sparen würde, indem Filialen durch automatische Poststationen ersetzt werden. Dort können Kunden Briefmarken kaufen sowie Pakete abholen und abgeben. Der frühere Unternehmensberater sagte, die Automaten seien "sehr populär" bei den Kunden. Bisher schreibt das Postgesetz eine bestimmte Zahl an Filialen vor und erlaubt nicht, stattdessen Automaten aufzustellen. Meyer sagte aber, einen Automaten zusätzlich zu einer benachbarten Filiale zu betreiben, sei "grob unwirtschaftlich".

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