Die Deutsche Bahn hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zu neuen Tarifverhandlungen eingeladen. Der Brief liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Der Vorstand der Deutschen Bahn für Personal, Martin Seiler, richtet sich darin direkt an GDL-Chef Claus Weselsky. Er bietet ihm "ausdrücklich" an, "auf der Grundlage des Gesamtvorschlags der Moderatoren die Verhandlungen zu Ende zu führen". Die GDL reagierte auf die Einladung und teilte mit, sie nur annehmen zu wollen, wenn die Bahn bis Sonntag, 18 Uhr, ein "neues und verbessertes" Tarifangebot vorlegt.
Weselsky hatte die Verhandlungen vor einer Woche platzen lassen. Grund dafür war nach Darstellung des GDL-Chefs, dass die Deutsche Bahn nicht genug auf die Gewerkschaft zugegangen war. Das betrifft insbesondere den Knackpunkt der Verhandlungen, die Forderung der GDL nach einer 35-Stunden-Woche für alle Schichtarbeiter ohne Gehaltseinbußen; aktuell arbeiten die Lokführer bei der Bahn 38 Stunden pro Woche.
Die beiden Moderatoren im Tarifkonflikt, der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (beide CDU), hatten jedoch eine Absenkung der Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich ins Spiel gebracht - und damit Weselsky (übrigens ebenfalls CDU-Mitglied) große Zugeständnisse gemacht. Weselsky hatte es auf einer Pressekonferenz am Montag zunächst so dargestellt, als hätten die Moderatoren lediglich eine Absenkung auf 37 Stunden plus einer halben Stunde als Wahlmodell angeboten. Ein "Denkfehler", wie er später zugeben sollte, noch später bezeichnete er seine Darstellung des Moderatorenvorschlags als "Versprecher".
Bahn:"Weselsky sollte den Streik abblasen"
Der GDL-Chef hat einen möglichen Tarifkompromiss falsch dargestellt. Verbraucherschützer rügen sein Verhalten, die Politik geht auf Distanz - und Weselsky verteidigt sich.
An den Verhandlungstisch zurückkehren wollte Weselsky dennoch nicht: Auch sein Fehler ändere nichts an seiner Ablehnung des Moderatorenvorschlags, sagte er am Dienstag. Das Papier enthalte demnach noch andere problematische Aspekte.
Der gleiche Vorschlag soll noch einmal beraten werden
Nun will die Bahn über diesen Vorschlag erneut mit Weselsky beraten. Sie wehrt sich in ihrem Brief an ihn auch gegen die von der GDL aufgestellte Behauptung, die Bahn habe den Vorschlag der Moderatoren ebenfalls abgelehnt. "Wir stellen hier nochmals klar, dass es nicht zutrifft", schreibt Seiler an Weselsky. Die Bahn habe sich demnach "in Ihrer Anwesenheit und in Anwesenheit der Moderatoren" bereit erklärt, die Tarifverhandlungen auf der Grundlage des Gesamtvorschlags der Moderatoren zu Ende zu führen. Seiler lädt Weselsky "vor dem Hintergrund des ggf. hier vorliegenden Missverständnisses" für den kommenden Montag zu Gesprächen ein.
Das Angebot kommt für die Bahn zu einem wichtigen Zeitpunkt: Weselsky hatte angekündigt, nach Ende des aktuellen Streiks mit sogenannten Wellenstreiks weiterzumachen. Das ist eine weitere Eskalation, denn diese Streiks werden nicht wie üblicherweise mit 48 Stunden Vorlauf angekündigt, sondern vergleichsweise kurzfristig. Auch die Dauer der Streiks will Weselsky nicht bekannt geben. Dieses Vorgehen soll die Bahn daran hindern, wie bei bisherigen Streiks einen Notfallfahrplan aufzustellen, bei dem wenigstens 20 Prozent der Züge fahren. Für Bahnfahrer sind Wellenstreiks dementsprechend mit noch größeren Unsicherheiten verbunden. Oder, wie Weselsky sagt: "Damit ist die Eisenbahn kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr." Die Bahn setzt nun alles daran, die Wellenstreiks in letzter Minute noch abzuwenden.
Der aktuelle Streik bei der Bahn im Fern-, Regional- und S-Bahnverkehr endete offiziell an diesem Freitag um 13 Uhr. Fahrgäste müssen jedoch noch den ganzen Tag über mit Zugausfällen und Verspätungen rechnen. Erst am Samstag läuft der Personenverkehr auf der Schiene dem Konzern zufolge wieder nach Plan.