Hotels in der Corona-Krise:Dorint-Eigentümer fordert vierten Lockdown

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In nur wenigen Zimmern leuchtet am Abend im Dorint-Hotel auf der Ostseeinsel Usedom Licht. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Geschäftsreisen brechen weg, doch Staatshilfen sind gedeckelt: Dirk Iserlohe sieht sich als größerer Hotelier benachteiligt. In der Branche stößt er damit auf geteiltes Echo.

Von Benedikt Müller-Arnold und Sonja Salzburger

Ein Lockdown ist ein echtes Problem für Branchen wie die Hotellerie. Sie hat ihn ja viele Monate ertragen: ohne Messen und Kongresse, mit wenigen Gästen und hohen Verlusten. Und noch immer ist keine Erholung in Sicht, im Gegenteil. Wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig soll die Tourismusbranche deshalb von der sogenannten Überbrückungshilfe III Plus profitieren, die der Bund jüngst bis Ende März 2022 verlängert hat. Umso mehr überrascht es, wenn einer der größeren Hotel-Unternehmer Deutschlands nun sagt: "Dann will ich doch lieber einen Lockdown. Denn ich kriege keine Hilfen mehr."

Die Rede ist von Dirk Iserlohe, 57, Aufsichtsratschef der Dorint-Gruppe mit 62 Hotels im deutschsprachigen Raum. "Wenn man jetzt einen Lockdown beschließt", sagt der Chef des Dorint-Mutterkonzerns Honestis, "dann wäre die Politik zumindest ethisch-moralisch gezwungen, wieder etwas Ähnliches wie im ersten und zweiten Lockdown zu gestalten." Damit meint Iserlohe die milliardenschweren Staatshilfen für Betriebe, die zeitweise schließen mussten.

Zwar gesteht Iserlohe: "Ich wollte provozieren, ich wollte Aufmerksamkeit schaffen mit der Forderung." Denn wer will schon gerne einen Lockdown? Doch hinter der plakativen Botschaft verbirgt sich ernsthafte Kritik am System staatlicher Überbrückungs- und Fixkostenhilfen. "Ich möchte nicht diskriminiert werden", klagt Iserlohe. "Und viele Kollegen von mir auch nicht."

Sein Dilemma: Hoteliers können und konnten sich im Rahmen der Überbrückungshilfen III und III Plus Ausgaben für Mieten oder Pachten, Strom und Versicherungen erstatten lassen - allerdings ist die Unterstützung auf insgesamt 52 Millionen Euro pro Unternehmen gedeckelt. Der Bund verweist hier auf beihilferechtliche Obergrenzen, die das europäische Recht vorgibt. Bis zu 52 Millionen Euro können eine große Hilfe darstellen für Hoteliers, die eines oder einige wenige Häuser betreiben. Doch Iserlohe sagt: "Wir sind schon am Limit aller Entschädigungsmöglichkeiten."

Anderen größeren Hotelketten geht es ähnlich. Marcus Bernhardt, Chef der Hotelgruppe Deutsche Hospitality mit 122 Häusern und Marken wie Steigenberger, sagt, er sei dankbar für die Unterstützung, die seine Branche in den vergangenen Monaten vom Bund erfahren habe. Wegen der Deckelung der Bundesmittel werde aber nur ein kleiner Teil der Verluste der größeren Arbeitgeber der Hotellerie in Deutschland aufgefangen. "Hier sehen wir - auch angesichts der sich jetzt abzeichnenden Entwicklungen für die kommenden Monate - dringenden Nachbesserungsbedarf", so Bernhardt.

Der Wunsch nach einem Lockdown sei keine Mehrheitsmeinung, sagt der Branchenverband

Auch Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Dehoga-Bundesverbandes, kann Iserlohes Kritik nachvollziehen. "Es muss dafür Sorge getragen werden, dass alle Unternehmen, die jetzt erneut massive Einschränkungen erfahren beziehungsweise geschlossen werden, ausreichende Hilfen erhalten", sagt Hartges. Dabei dürften auch die größeren Hotelketten nicht durchs Raster fallen. "Sie betreiben überwiegend Stadt- und Tagungshotels, die seit Wiedereröffnung Anfang Juni, aufgrund der erheblichen Verluste im Veranstaltungsgeschäft und damit auch fehlenden Übernachtungen von Geschäftsreisenden überwiegend deutlich mehr als 30 Prozent Umsatzrückgänge zu verzeichnen hatten."

Iserlohes Wunsch nach einem Lockdown sei vermutlich Ausdruck wachsender Verzweiflung. "Für die Branche insgesamt gilt: Die Menschen wollen arbeiten, die Betriebe wollen geöffnet bleiben und insbesondere die Mitarbeiter halten. 2 G ist definitiv besser als ein Lockdown", so die Dehoga-Geschäftsführerin. Aber die Politik müsse auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Impfkampagne endlich besser läuft und ausreichend Testkapazitäten zur Verfügung stehen.

Der Notschrei seitens Dorint markiert einen Stimmungsumschwung in der Branche. Bis vor wenigen Wochen klang Iserlohe noch ganz anders: "Wir haben seit August kein Geld mehr verloren", sagt Iserlohe. Viele Privatleute haben - wohl oder übel - den Urlaub im Inland für sich entdeckt, geschäftliche Reisen erholten sich. "Bis zum Oktober haben wir sensationelle Umsätze erzielen dürfen." Doch die Rekordwerte bei den Corona-Neuinfektionen haben diese Entwicklung jäh gebremst. Die durchschnittliche Auslastung von Dorint falle nun von etwa 60 Prozent auf 35 oder 40, fürchtet der Aufsichtsratschef. "Und im Dezember wird es noch schlimmer."

Seine pessimistische Einschätzung deckt sich mit den Ergebnissen einer aktuellen Umfrage des Hotel- und Gaststättenverbands. Etwa neun von zehn Betrieben berichten von stornierten Weihnachtsfeiern. Fast jede zweite Feier wurde bereits abgesagt. Auch im Veranstaltungs- und Tagungsbereich hagelt es Absagen. Und bei den Hotelübernachtungen sieht es ebenfalls nicht gut aus. 80 Prozent der Beherbergungsbetriebe beklagen coronabedingte Stornierungen sowohl von Geschäftsreisenden als auch von Touristen.

Insgesamt habe Dorint in der Corona-Krise bislang 77 Millionen Euro vom Staat erhalten, rechnet Iserlohe vor. "Das ist viel Geld, ja." Aber er beziffert die pandemiebedingten Einbußen bisher auf 140 Millionen Euro. "Ich bleibe auf der Hälfte sitzen", konstatiert Iserlohe. Wenn jemand hingegen "nur" vier oder fünf Hotels betreibe, könne er sich fast den gesamten Schaden ersetzen lassen. "Das widerspricht eigentlich der Philosophie im deutschen Staat", schimpft der Unternehmer. Der Staat verzerre so den Wettbewerb auf dem Hotelmarkt.

Iserlohe fordert daher schon einen "Wettbewerbsverzerrungs-Ausgleichfonds" von der Bundesregierung: Jedes betroffene Unternehmen sollte anmelden, wie viel ihm bis zu einem 95-prozentigen Schadenersatz fehle. "Und der Rest wird ausgezahlt", so stellt sich Iserlohe das vor, "um alle Unternehmen in einer Branche gleichzustellen." Für die Hotelketten würde dieser Ausgleich etwa 600 Millionen Euro kosten, schätzt Iserlohe.

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