Nahaufnahme:Der Stift ist seine Waffe

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"Für jeden dürfte sich erschließen, dass der noch nicht gefallene Tropfen auf den heißen Stein schon in der Luft verdampft", schreibt Dorint-Chef Dirk Iserlohe. (Foto: Soenne/oh)

Hotelier Dirk Iserlohe schreibt seit Beginn der Corona-Pandemie Protestbriefe - weil das nicht ausreicht, geht er nun neue Wege.

Von Lea Hampel, München

Ginge man nach dem Äußeren, ist die erste Assoziation zur markanten Brille und dem nach hinten geschniegelten Haar natürlich: Kai Diekmann. Nun verbietet sich das allerdings als einzige Herangehensweise. Aber tatsächlich hat Dirk Iserlohe, 56 Jahre alt und Chef der Dorint-Hotelgruppe, auch so Ähnlichkeiten mit einem Bild-Mann. Allerdings weniger mit dem ehemaligen Chefredakteur, als vielmehr mit dem berühmtesten Briefeschreiber der Nation. Hotelier Iserlohe verfasst seit Beginn der Pandemie fast im Wochentakt offene Briefe, und ist - in Stil, Tonfall, Wortwahl - oft keinen Deut weniger dramatisch als Franz Josef Wagner. 24-mal also gab es seit März dieses Jahres Post von Iserlohe. Die Adressaten waren keine geringeren als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Wirtschaftsminister Peter Altmaier oder zuletzt Justizministerin Christine Lambrecht. In den Briefen fallen Worte wie "Sonderopfer" und "Darwinismus". Auch die Sprachbilder erinnern an Wagner: Die Novemberhilfe sei ein "noch nicht gefallener heißer Tropfen auf den Stein, der schon in der Luft verdampft", findet Iserlohe. Und sagt: "Ich habe mal gelesen: Wer schreibt, der bleibt."

Das mag unterhaltsam anmuten. Für den Chef der Gruppe mit 62 Hotels allerdings ist die Lage, wie für so viele in der Branche, dramatisch. Nicht nur hat er während der Lockdowns quasi keine Kunden, und selbst im Sommer lag die Gesamtauslastung unter 50 Prozent. "In den Messehotels herrscht seit März Ebbe", sagt Iserlohe. Auch bleiben hohe Fixkosten durch Pachten bestehen. Hinzu kommt, dass rund jeder sechste der 3700 Mitarbeiter in der Ausbildung ist. Für die wiederum gibt es keine Option auf Kurzarbeit. Wie für viele Unternehmen seiner Größe verschärft ein weiteres Problem die Situation. Für die Unterstützung für Selbständige ist die Dorint-Gruppe zu groß, für Großmaßnahmen wie die für Tui und Lufthansa zu klein: Da wirken die 10 000 Euro, die Dorint zu Ende November kriegt, gegenüber den 14,3 Millionen Euro Schaden, die Iserlohe verbucht, tatsächlich wie ein Tropfen.

In seinen Briefen fordert er deshalb einen finanziellen Ausgleich für die entstandenen Schäden. Er kritisiert, dass Geld bis jetzt höchstens als Förderung fließt, aber nicht als Entschädigung. Er möchte daher unter anderem erreichen, dass die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie als eine "Störung der Geschäftsgrundlage" anerkannt werden.

Zwar hat er mit seinen Briefen nicht nur für Aufruhr gesorgt - unter anderem gab es einen nicht gerade dem Postgeheimnis huldigenden Schlagabtausch mit dem Präsidenten des Zentralen Immobilien Ausschusses. Sondern er hat auch einiges erreicht. Unter anderem hat Justizministerin Lambrecht erklärt, Details zu den Pachtregeln klären zu wollen. Dem rührigen Kölner Unternehmer geht das ganze dennoch nicht weit genug. Zu Beginn dieser Woche hat er beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsklage mit zwei Eilbeschwerden eingereicht. Unter anderem werde er in seiner Berufsfreiheit und seinem Recht auf Eigentum behindert. Die unterschiedlichen Fördermaßnahmen widersprächen zudem dem Grundsatz der Gleichbehandlung.

Sollte er in Karlsruhe nicht weiterkommen, wird Iserlohe weiter Briefe verfassen. Immerhin, auch das muss gesagt werden, sind die nicht nur anklagend. Auf die Ankündigung der Justizministerin, Pachtfragen genauer zu klären, dankte er so höflich, wie es diese Form der Kommunikation gebietet: "Mehr als 2,5 Millionen Arbeitnehmer in Hotellerie und Gastronomie werden es Ihnen danken."

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