Was sich trotz gegenteiliger Beteuerungen aus der Politik bereits seit Tagen angedeutet hatte, wurde am Freitagmorgen in Achensee bei einer Pressekonferenz von Bundesregierung und Landeshauptleuten Gewissheit: Österreich geht erneut in einen Lockdown - für Geimpfte und Ungeimpfte gleichermaßen.
Genau das hatte man in Wien eigentlich vermeiden wollen. Noch vor wenigen Wochen hatte Kanzler Alexander Schallenberg, sprachlich etwas ungelenk, mitteilen lassen, es werde keinen "Lockdown aus Solidarität mit den Ungeimpften" geben. Nun kommt dieser doch: erst einmal für 20 Tage, bis zum 13. Dezember. Für Ungeimpfte soll der Lockdown danach weiter gelten. Niemand habe das gewollt, betonte Bundeskanzler Alexander Schallenberg, "aber wir müssen der Realität ins Auge sehen".
Österreich:Wie der Lockdown für Ungeimpfte funktioniert
Erwachsene, die keinen medizinischen Grund nennen können, warum sie die Impfung verweigern, dürfen in Österreich das Haus nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Aber können die angekündigten engmaschigen Kontrollen mehr als ein symbolischer Akt sein?
Damit gelten ab Montag dieselben Regeln, die schon aus früheren Lockdowns in jener Zeit bekannt sind, als noch keine Vakzine zur Verfügung standen: Das Verlassen der Wohnung ist nur für die Befriedigung von Grundbedürfnissen, Arzt- und Verwandtenbesuche, Arbeit oder Erholung erlaubt. Nur Supermärkte und Geschäfte für den täglichen Bedarf bleiben geöffnet, Kultureinrichtungen und Indoor-Sportstätten werden geschlossen. Österreich verzeichnete am Donnerstag 14 212 Neuinfektionen - und damit eine der höchsten Infektionsraten in der EU.
Verfassungsrechtlich ist eine Impfpflicht möglich, sagt Gesundheitsminister Mückstein
Die zweite wichtige Nachricht des Tages betraf ebenfalls alle Bürger: Ab Februar 2022 soll es eine generelle Impfpflicht gegen das Covid-Virus geben. Ein entsprechendes Gesetz soll bis dahin beraten und beschlossen werden. Verfassungsrechtlich sei eine Impfpflicht möglich, sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Die Grünen), schließlich habe es ja auch eine verpflichtende Pockenimpfung gegeben. Dies sei der "einzige Weg aus der Pandemie". Die Impfquote im Land liegt derzeit bei nur 66 Prozent.
Österreich ist damit Vorreiter in der EU mit einer Covid-Impfplicht. In zahlreichen vor allem südeuropäischen Staaten ist die Impfquote so hoch, dass eine solche wohl nicht mehr nötig ist. Andere Länder mit hohen Infektionszahlen, wie etwa Deutschland, befinden sich noch immer in der Diskussionsphase.
Corona-Pandemie:Warum der Alpenraum ein Impfproblem hat
Deutschland, die Schweiz und Österreich haben in Westeuropa die niedrigste Impfquote. Religionswissenschaftler Michael Blume erklärt, wo Menschen besonders anfällig für Verschwörungsmythen sind - und was das mit den Bergen zu tun hat.
Als "Attentat auf unser Gesundheitssystem" hatte zuvor Kanzler Schallenberg jene Kampagnen von Impfgegnern bezeichnet, die dazu beigetragen hätten, dass sich ein Drittel der Österreicher, trotz "monatelanger Überzeugungsarbeit", bis heute nicht hätten impfen lassen. Die Konsequenz daraus seien überfüllte Intensivstationen und großes, menschliches Leid. Er bezog sich damit - ohne sie beim Namen zu nennen - auch auf Vertreter der FPÖ, darunter Parteichef Herbert Kickl.
Dieser hatte sich demonstrativ nicht impfen lassen und ist derzeit mit einer Covid-Infektion in Quarantäne. Zuletzt hatte er für die Nutzung eines Entwurmungsmittels für Pferde geworben, mit dem man die Krankheit bekämpfen könne. Prompt meldeten Apotheken landesweit, dass das Mittel ausverkauft sei. Einige Menschen, die dem Rat des FPÖ-Chefs gefolgt waren, landeten mit schweren Vergiftungserscheinungen im Krankenhaus.
Der "bewährte Instrumentenkoffer": Home-Office, Ausfallbonus, Härtefallfonds
Rasant steigende Infektionszahlen und die immer lauter werdenden Mahnungen von Medizinern vor überfüllten Intensivstationen, verschobenen Operationen, abgewiesenen Patienten und Triage-Bedingungen in den Krankenhäusern vor allem in den Bundesländern Salzburg und Oberösterreich hatten in den vergangenen Tagen zu einer heftigen Debatte über die politische Verantwortung für die aktuelle Lage geführt.
Die Landeshauptleute von Salzburg und Oberösterreich, Wilfried Haslauer und Thomas Stelzer, hatten sich zuerst gegen einen Lockdown nur für ihre Länder gewehrt. Nun lobte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der mit den niedrigsten Zahlen bundesweit aufwarten kann, dass alle jetzt "solidarisch" handelten, während sich Gesundheitsminister Mückstein für die zeitweilige Uneinigkeit in der Regierungskoalition entschuldigte.
Nur eine Stunde nach der Bekanntgabe des allgemeinen Lockdowns fand in Wien eine zweite Pressekonferenz statt, auf der die zuständigen Ressortchefs den Einsatz des "bewährten Instrumentenkoffers" ankündigten. Beschäftigte und Betriebe würden nicht "alleingelassen", Hilfsgelder bereitgestellt. Arbeitsminister Martin Kocher appellierte an alle Unternehmen, Home-Office zu ermöglichen, um Kontakte zu reduzieren.
Weihnachten soll ohne Lockdown stattfinden, sagt Bundeskanzler Schallenberg
Finanzminister Gernot Blümel kündigte an, Ausfallbonus, Verlustersatz und Härtefallfonds kämen wieder zum Einsatz. Staatssekretärin Andrea Mayer sicherte Kunst und Kultur zu, man werde auch diesmal den "wirtschaftlichen Schäden entgegenwirken". Der Lockdown sei ein "Rückschlag" für alle Einrichtungen, die wieder zu einer gefühlten Normalität zurückgefunden hätten, aber schon in den vergangenen Wochen aufgrund der wachsenden Unsicherheit über einen erneuten Besucherrückgang geklagt hätten.
Bundeskanzler Schallenberg hatte sich zumindest in einem Punkt auf der Pressekonferenz in Tirol am Morgen optimistisch gezeigt: Man verlange den Geimpften zwar sehr viel ab, aber zumindest Weihnachten könne und solle wohl ohne Lockdown stattfinden.