Commerzbank:Neue Aufgabe für Jens Weidmann

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Jens Weidmann hat eine große Aufgabe als Commerzbank-Aufsichtsratschef: Den Bund auf Abstand halten. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Der frühere Bundesbankpräsident soll den Chefposten im Aufsichtsrat der Commerzbank übernehmen. Er ist nicht der erste Notenbanker, der zu einer Bank wechselt.

Von Claus Hulverscheidt, Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt/Berlin

Dass Jens Weidmann mit seine 54 Jahren bereits in den Ruhestand gehen würde, das hat wohl niemand in der Finanzwelt geglaubt, als er vor gut einem Jahr überraschend als Bundesbankpräsident und Mitglied im EZB-Rat aufhörte. Insofern machten sofort Spekulationen die Runde, er könne zum Beispiel Aufsichtsratschef der Deutschen Bank werden. Diesen wichtigen Posten übernahm ein anderer; es wäre auch zu früh gewesen für ihn, denn eigentlich schreibt die Bundesbank für ihre Chefs eine zweijährige Cooling-off-Periode vor. In dieser Zeit dürfen sie keine Jobs in der Finanzwirtschaft annehmen, schließlich kümmert sich die Bundesbank nicht nur um Geldpolitik, sondern beaufsichtigt auch Banken - deshalb wären ohne eine angemessene "Abkühlungsphase" Interessenkonflikte nicht auszuschließen.

Nun ging es doch schneller, offenbar weil eine Ausnahmeklausel greift. Demnach dürfen ehemalige Spitzen-Notenbanker der EZB bereits nach einem Jahr in die Finanzwirtschaft wechseln, wenn es sich um einen Posten bei einem "bedeutenden oder weniger bedeutenden Kreditinstitut" handelt und man mögliche Interessenkonflikte ausschließen kann. Weidmann soll Aufsichtsratschef der Commerzbank werden, teilte das zweitgrößte deutsche Geldhaus am Samstag mit. Damit übernähme der ehemalige Notenbanker eine Kontrollfunktion. Auch dieser Umstand hilft bei der Verkürzung der Frist - anders wäre es, wenn Weidmann einen operativen Vorstandsposten anstreben würde. Die Personalie soll bei der Hauptversammlung am 31. Mai entschieden werden. Danach muss Weidmann beim EZB-Ethikausschuss einen entsprechenden Antrag auf Verkürzung der Cooling-off-Periode stellen.

Aufsichtsratschef Helmut Gottschalk sagte, er werde nach der Hauptversammlung aus Altersgründen nicht mehr als Vorsitzender des Kontrollgremiums zur Verfügung stehen. Der 71-Jährige habe Weidmann in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium als Nachfolger vorgeschlagen. Mit dem früheren Bundesbankchef habe die Bank "eine im Finanzwesen hoch angesehene Persönlichkeit für die Kandidatur zur Wahl in den Aufsichtsrat hat gewinnen können", sagte Gottschalk, der den Vorsitz erst im April 2021 übernommen hatte, nachdem sein Vorgänger Hans-Jörg Vetter krankheitsbedingt zurückgetreten war. Davor führte Gottschalk von 2010 bis 2018 den Aufsichtsrat der genossenschaftlichen DZ Bank und war lange Chef der Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg im Schwarzwald.

Aus dem Bundesfinanzministerium verlautete, Gottschalks Entscheidung verdiene "Dankbarkeit und Respekt". Seit der Finanzkrise ist der Bund mit 15 Prozent an der Commerzbank beteiligt und hat sich zuletzt sowohl unter Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) als auch unter Christian Lindner (FDP) auch in Personalfragen stärker eingemischt als früher. Weidmann sei ein idealer Zukunftskandidat, der über große Reputation an den internationalen Finanzmärkten verfüge, hieß es in Ministeriumskreisen. "Aus Sicht der Vermögensinteressen der Bürgerinnen und Bürger eine exzellente Option." Tatsächlich dürfte die Personalie als Coup für die Commerzbank gewertet werden. Früher hatte sich die Bank oft Absagen von hochkarätigen Kandidaten geholt, wenn es um die Besetzung des Postens ging.

Wie lange bleibt der Bund beteiligt?

Weidmann wäre nicht der erste ehemalige Bundesbankpräsident , der in die Finanzwirtschaft wechselt. Der wortgewaltige Karl Otto Pöhl heuerte nach seinem Rücktritt 1991 als persönlich haftender Gesellschafter bei der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim an. Der Vorgänger Weidmanns, der Ökonom Axel Weber, wurde 2012 Chef der Schweizer Großbank UBS. Weidmann, ehemaliger Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), stand ab 2011 zehn Jahre an der Spitze der Bundesbank. Er lag mit dem damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi über Kreuz, seit die EZB anfing, Staatsanleihen der Euro-Mitglieder zu kaufen.

Der amtierende Commerzbank-Aufsichtsratschef Gottschalk indes, so hatte es unlängst in Aufsichtsratskreisen geheißen, hätte wohl gerne noch eine weitere Amtszeit drangehängt. Kritik an ihm kam zuletzt aber nicht nur von Großaktionären. Auch Führungskräfte klagten, dass Gottschalk sich zu sehr in Details der operativen Arbeit einmische. Andere Vorgänge wiederum behandelte er seltsam oberflächlich, wie die Frage, welche Mitverantwortung Vorstände für einen verlustträchtigen Kredit an die Pleitefirma Wirecard hatten. Ein Belegschaftsaktionär hatte daraufhin auf der Hauptversammlung beantragt, Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern.

Andererseits läuft der jüngste Sanierungsversuch von Commerzbank-Chef Manfred Knof, der seit fast zwei Jahren im Amt ist, bislang vergleichsweise geräuschlos. Auch getragen von höheren Zinsen, welche der Commerzbank im klassischen Kreditgeschäft helfen, steuert die Bank in diesem Jahr auf mehr als eine Milliarde Euro Gewinn zu - ein Ergebnis, das sie seit vielen Jahren nicht erreicht hat. Seit Knofs Amtsantritt ist auch der Aktienkurs deutlich gestiegen. Das wirft zugleich die Frage auf, ob der Bund dauerhaft an der Bank beteiligt sein will. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Lindner noch damit geliebäugelt, den Bundesanteil zu verkaufen, selbst wenn das mit einem Verlust verbunden wäre. Schließlich gehen mit der Staatsbeteiligung erhebliche Zielkonflikte einher. So hatte sich der Bund früher einmal zusichern lassen, dass die Bank den deutschen Mittelstand weiter günstig finanziert, als Dank für die Staatshilfe. Das befolgte das Geldhaus artig, was zulasten der Rendite ging. Zuletzt ist Lindner allerdings davon abgerückt, den Commerzbank-Anteil verkaufen zu wollen.

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