Agrar - Gießen:Konflikt um den Wolf: Demo und Gesprächsrunde

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Gießen (dpa/lhe) - Die Rückkehr des Wolfes nach Hessen sorgt weiterhin für Konfliktstoff. Weidetierhalter forderten bei einer Demonstration am Montag in Gießen mehr Beachtung ihrer Sorgen. Angesichts gestiegener Wolfszahlen in Deutschland fürchteten die Halter von Schafen, Ziegen, Rindern oder Pferden zunehmend um die Sicherheit ihrer Tiere, sagte der Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes, Volker Lein, laut Mitteilung. "Wir brauchen in Hessen keine Wolfsreviere, sondern Weidetiere."

Anlass für die Demo mit rund 120 Teilnehmern war die erste Sitzung der neuen Arbeitsgruppe "Wolf in Hessen" ebenfalls in Gießen. Dazu trafen sich nach Angaben des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) Vertreter von 29 Verbänden und Institutionen aus den Bereichen Weidetierhaltung, Landwirtschaft, Naturschutz und Jagd sowie mehrerer Landesbehörden. Thematisiert wurde unter anderem das Wolfsvorkommen in Hessen und sogenannte Rissereignisse.

Es gehe darum, im Gespräch zu bleiben, "um unser Wolfsmanagement permanent an neue Entwicklungen anzupassen, aus den Erfahrungen mit den Förderinstrumenten zu lernen und neue Lösungen für das Zusammenleben mit dem Wolf zu finden", erklärte Umweltstaatssekretär Oliver Conz. HLNUG-Präsident Thomas Schmid sagte, es werde nicht einfach sein, "die vielen verschiedenen Standpunkte und Interessen in Sachen Wolf auszutarieren." Der Austausch sei aber wichtig, auch um die drängendsten Fragen gemeinsam klären zu können.

Die Weidetierhalter kritisierten ihrer Mitteilung zufolge, dass in dem neuen hessischen Wolfsmanagementplan der Schutz des Raubtieres einen "weitaus höheren Stellenwert" habe als der Schutz der Weidetiere. "Hier werden die Prioritäten falsch gesetzt", sagte Lein. Maßnahmen wie Zäune lösten das Problem nicht. Die Kritik der Halter betraf auch Förder- und Entschädigungsmaßnahmen.

Um Konflikte mit dem Wolf zu vermeiden oder zu verringern, gibt es in Hessen den Wolfsmanagementplan und ein Wolfszentrum als zentrale Einrichtung. "Wir sind überzeugt, dass ein konfliktarmes Zusammenleben von Mensch und Wolf gelingen kann und schaffen mit dem neuen Wolfsmanagementplan die Rahmenbedingungen dafür", hatte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) im April dazu erklärt. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem Herdenschutz und finanzielle Unterstützung für die Tierhalter. Staatssekretär Conz verwies am Montag auch auf eine neue Förderung speziell für Gebiete, in denen Wölfe ansässig geworden sind.

Hessen hat derzeit fünf Wolfsterritorien: Ein Rudel mit mindestens zwei Welpen lebt im Rheingau-Taunus-Kreis und ein Wolfspaar im Kreis Hersfeld-Rotenburg. Je eine Wölfin hat sich im nordhessischen Stölzinger Gebirge sowie im Vogelsberg niedergelassen und ein Männchen im Odenwald, grenzübergreifend zu Baden-Württemberg.

Dass Wölfe hierzulande nachgewiesen Nutztiere reißen, ist derzeit selten: Seit Mai - dem Beginn des laufenden Monitoringjahres - hat es dem Wolfzentrum zufolge noch keine Fälle gegeben, bei denen DNA-Spuren des Raubtieres an Nutztierkadavern nachgewiesen wurden. Im Beobachtungszeitraum Mai 2020 bis April 2021 seien sieben solcher Fälle bestätigt worden.

Nutztiere machen laut der hessischen Wolfsbeauftragten Susanne Jokisch nur einen sehr geringen Anteil an der Gesamtbeute der Raubtiere aus. Gejagt würden insbesondere Rehe oder anderes Wild - je nach Territorium. Es sei wichtig, Weidegründe mit elektrischen Zäunen zu schützen, "damit Wölfe, die versuchen, Übergriffe auf Nutztiere zu starten, gleich Bekanntschaft mit einem Stromzaun machen", so Jokisch. Wölfe seien vorsichtige Wildtiere, die sich einen Stromschlag merkten.

Für Naturschützer ist klar: "Wir müssen lernen, mit den Wölfen zu leben", sagte Inge Till vom Naturschutzbund Hessen (Nabu). "Dazu gehören neben Information und Aufklärung vor allem auch effektive Unterstützung für Nutztierhalter beim Herdenschutz." Die Arbeitsgruppe "Wolf in Hessen" soll sich künftig mindestens einmal im Jahr treffen.

© dpa-infocom, dpa:211025-99-728504/3

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