Landwirtschaft und Naturschutz:Ruhe auf den Äckern

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Allein auf weitem Felde: Viele Bauern fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. (Foto: Sebastian Kahnert/DPA)

Die "Zukunftskommission Landwirtschaft" will mit Kompromissen die Bauernproteste beenden. Der erste Vorschlag, dem offenbar auch der Kanzler zustimmt: Fleisch soll teurer werden.

Von Thomas Hummel

Achim Spiller spricht von einer "schwierigen Ausgangsposition", und alles andere hätte auch überrascht. Der Professor für Agrarwissenschaft an der Uni Göttingen hat den Co-Vorsitz der "Zukunftskommission Landwirtschaft" (ZKL) übernommen, einem Gremium, das nun einen großen Konflikt befrieden soll: Es soll Ruhe auf die Äcker bringen. Soll zwischen den Interessen von Landwirten, Tierschützern, Umweltverbänden, Verbraucherschützern und Einzelhandel ausgleichen. Nach den massiven Bauernprotesten der vergangenen Wochen ist das eine heikle Aufgabe.

Doch zur Überraschung vieler konnte Spillers Kommission an diesem Donnerstag bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine erste Einigung vorstellen: Fleisch, Wurst, Milch und Eier sollen teurer werden und mit dem Erlös der Umbau der Ställe für mehr Tierwohl finanziert werden. Dieser Vorschlag sickerte aus dem Gremium während der Woche durch, demnach soll sich für tierische Produkte die Mehrwertsteuer vom derzeit vergünstigten Satz von sieben Prozent erhöhen.

Der Regierung dürfte noch der Traktorenlärm in den Ohren dröhnen

Zuletzt hatte das von den Grünen geführte Bundeslandwirtschaftsministerium eine eigene Abgabe, den sogenannten Tierwohlcent, empfohlen, was aber die FDP ablehnte. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer hätte laut Zukunftskommission hingegen den Vorteil, dass der "administrative Aufwand" deutlich geringer wäre.

Erste Reaktionen nach dem Treffen in Berlin wiesen darauf hin, dass zumindest der Kanzler dem Plan nicht mehr im Wege stehen will. Jetzt sei der Wille auf Regierungsseite erkennbar, "die Ratschläge der ZKL anzunehmen", erklärte Thomas Schröder, Präsident des Tierschutzbundes. Das habe der Bundeskanzler in einem konstruktiven Gespräch deutlich gemacht. Am Ende dürfte es wohl wieder auf die FDP ankommen. Minister Cem Özdemir machte deutlich, auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu unterstützen und übte Druck auf die Koalitionspartner aus: Es sei nun Zeit, sich zu einigen, denn es gehe um die Zukunft der Landwirtschaft. "Was nicht geht, ist, jeden machbaren Vorschlag abzulehnen und keine konsensfähige Alternative vorzulegen", sagte er.

Eigentlich wollten Spiller und seine Co-Chefin Regina Birner von der Uni Hohenheim erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn ein Gesamtpaket geschnürt ist. Denn wenn in solchen Gesprächen einer nachgibt, will er an anderer Stelle einen Vorteil. "Wir sind schon ein ganzes Stück weit gekommen", sagte Spiller, allerdings habe die Zeit nicht ausgereicht, um alle Felder zu besprechen. Bis Ende April soll es so weit sein. Weitere Themen sind Bürokratieabbau, steuerliche Fragen und die künftige Verteilung der Agrar-Milliarden von der Europäischen Union.

Die ZKL könnte damit der Ampelkoalition einen großen Dienst erweisen. Den Regierenden dürfte noch der Motorenlärm der Traktoren in den Ohren dröhnen von den Protesten Anfang des Jahres. Einen solchen Bauernaufstand hatte es lange nicht gegeben. Zuerst war es in Deutschland nur um die Abschaffung des Steuervorteils beim Agrardiesel gegangen, doch schon bald weitete sich der Protest aus, stellte sich generell gegen Umweltauflagen, Tierschutzvorgaben, den ganzen Green Deal der Europäischen Union.

Beobachter kritisieren Rückschritte

Im Angesicht der Wahlen zum Europaparlament Anfang Juni und dem drohenden Rechtsruck schlugen sich vor allem die konservativen Parteien auf die Seite der Landwirtschaft. Von Panik ist die Rede unter Beobachtern. Fortschritte in Richtung einer ökologischen Agrarwirtschaft, die über Jahre hart erkämpft worden seien, würden binnen weniger Wochen weggewischt. Etwa die Verpflichtung, dass Betriebe vier Prozent ihrer landwirtschaftlichen Fläche brachliegen lassen müssen, um die Artenvielfalt zu schützen.

Achim Spiller sagt: "Die Herausforderung besteht darin, allen Seiten klarzumachen, dass die Sachfragen im Agrarbereich und die Diskussion darüber weitergehen werden und die alten Fronten dabei nicht helfen." Der Versuch der Zukunftskommission bestehe nun darin, erklärt Spiller, eine langfristig orientierte Politik zu empfehlen, die Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Perspektiven für die Landwirtschaft zusammenbringe.

Wie schwierig das ist, zeigte sogleich der Bauernverband. Zwar war er augenscheinlich beteiligt an der Ausarbeitung des Vorschlags, die Mehrwertsteuer auf Fleisch und Milch zu erhöhen, erklärte aber dann: "Eine Erhöhung auf den Regelsteuersatz lehnen wir ab." Der liegt bei 19 Prozent. Die Einlassung des Verbands klang für manche nach einem Zurückrudern, doch auch eine schrittweise Anhebung ist bei der ZKL diskutiert worden. Dem dürfte sich wohl auch der Bauernverband nicht verweigern, wenn das Geld dann tatsächlich bei den Tierhaltern ankommt. Zu sehr sind viele Betriebe unter Druck, seit dem Jahr 2000 ging etwa die Zahl der Schweinehalter in Deutschland um fast 90 Prozent zurück.

Eingesetzt wurde die Zukunftskommission erstmals von Angela Merkel, denn auch in ihrer Kanzlerinnenzeit gab es schon Proteste der Landwirte. Die ZKL präsentierte 2021 auch umfangreiche Ergebnisse, ein Papier über 150 Seiten, allerdings hatte die Politik nicht die Kraft, weitreichende Entscheidungen umzusetzen. Genauso erging es dem "Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung" unter der Leitung des ehemaligen CDU-Landwirtschaftsministers Jochen Borchert, das schon vor Jahren eine Erhöhung der Fleischpreise forderte.

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