Transfermarkt:Lukakus Flirt mit der Erzrivalin

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Viele Handlungsstränge, die Unverständnis evozieren: Romelu Lukaku, hier im April im Halbfinale der Coppa Italia für Inter gegen Juventus im Einsatz. (Foto: Matteo Bottanelli/NurPhoto/Imago)

Inter Mailand war sich mit dem FC Chelsea bereits wegen der Heimkehr Romelu Lukakus einig, doch dann kommt es zum Bruch: Der Stürmer hatte ausgerechnet mit Juventus verhandelt - von deren Fans er kürzlich rassistisch beleidigt wurde.

Von Thomas Hürner

Was von Fußballerkarrieren bleibt, sind Erinnerungen, Erzählungen - und Bilder. Zuerst zu den Bildern: Romelu Lukaku, fünf Wochen ist das her, schaut zu Boden, konsterniert sieht er aus, aber seine Teamkollegen von Inter Mailand spenden Trost. Wenige Minuten zuvor hatte der belgische Stürmer im Champions-League-Finale gegen Manchester City eine Kopfballchance vergeben und war in der Flugbahn eines weiteren Abschlusses gestanden, der womöglich das 1:1 bedeutet hätte. Lukaku, die tragische Figur - und doch ließen die Szenen nach dem Schlusspfiff vermuten, dass Vergebung auf die Momente des Versagens folgte.

Das zweite Bild hat ein fast schon ikonisches Format angenommen, drei Monate ist es alt. Lukaku hat die rechte Hand an die Stirn gelegt, fast wie bei einem militärischen Gruß, der linke Zeigefinger bedeckt den Mund. Zuvor war er rassistisch angefeindet worden von Fans von Juventus Turin, die Geste war eine Reaktion darauf und ein Akt der Selbstbehauptung.

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Nun, das also sind die Bilder, die das emotionale Gerüst dafür sind, dass der fußballinteressierte Teil Italiens aktuell kein anderes Thema kennt als Romelu Lukaku, 29. Als "traditore" habe sich dieser hervorgetan, als Verräter - und zu diesem Urteil kommt nicht nur das schwarz-blaue Volk der Interisti, sondern in seltener Einigkeit auch die Kommentatoren in den italienischen Gazetten. Lukaku, der gegenüber seinen Klubs noch nie durch Treue auffiel, möchte ausgerechnet zu jenem Klub wechseln, in dessen Stadion er jüngst noch rassistisch angefeindet worden war. Es ist nur einer von vielen Handlungssträngen, die Unverständnis evozieren.

In Italien kursieren die wildesten Verschwörungstheorien

Die Transferticker jedenfalls liefen heiß am Wochenende, quasi stündlich wurden neue Details von der Telenovela gemeldet. Lukaku war 2019 der Rekordeinkauf Inters, vor zwei Jahren wurde er wiederum für eine Rekordablöse von 115 Millionen Euro zum FC Chelsea verkauft, von dem er nach einem desolaten Kurzengagement nach Mailand zurückkehrte. Auf Leihbasis, für eine Saison. In den vergangenen Wochen tat das finanziell angeschlagene Inter alles, um den Stürmer fest zu verpflichten, die Klubs einigten sich auf 35 Millionen Euro.

Der Heimkehr des "Gigante buono", des sanftmütigen Riesen, stand nichts mehr im Wege - doch dann wurde ein Flirt öffentlich, der zum Bruch führte: Lukaku hatte parallel mit Juve gesprochen, der Erzrivalin Inters, die auf der Suche nach einem Ersatz für Dusan Vlahovic ist. Der Serbe steht vor einem Wechsel zu Paris Saint-Germain. Eigentlich ein gewöhnlicher Vorgang in der gefühlskalten Branche, aber aus zwei Gründen war dieser Fall besonders pikant. Erstens: Die Feindschaft zwischen Inter und Juve ist die wohl unerbittlichste des Landes. Und zweitens: Lukaku war nach allem, was man weiß, in den Tagen vor dem Endspiel von Istanbul in Verhandlungen mit Juve getreten - vor der aus Inter-Sicht wichtigsten Partie der Dekade also, in der der Belgier eine nicht gerade produktive Rolle spielte. Gehörte auch dies zum Kalkül Juves? Betrieb Lukaku gar Sabotage? Südlich der Alpen kursieren die wildesten Verschwörungstheorien.

Sogar Lukakus Berateragentur soll nun eine Trennung in Erwägung ziehen

Als der geplante Seitensprung rauskam, wurde im Hause Inter nicht lang gefackelt: In einem 30-sekündigen Telefonat unterrichtete der Sportchef Piero Ausilio den Spieler, dass es keine gemeinsame Zukunft geben wird. Zuvor war Lukaku abgetaucht gewesen, über Tage konnten ihn weder die Mailänder Verantwortlichen noch seine einstigen Teamkollegen erreichen - und auch nicht seine Berater von Roc Nation, einer Agentur des Rappers Jay-Z. Dort zeigte man sich ebenfalls irritiert vom heimlichen Flirt Lukakus: Die Agentur hatte nach dem Vorfall im Frühjahr eine Anti-Rassismus-Kampagne gestartet. Eine Übersiedlung ausgerechnet nach Turin wäre aus PR-Sicht fatal.

Während nun auch Roc Nation eine Trennung von ihrem Klienten erwägt, kursierte am Montag ein neuer Schnappschuss: Er zeigt Lukaku bei einer einsamen Laufeinheit in London. Sein Noch-Klub Chelsea wollte ihn auf seiner US-Tour nicht dabeihaben.

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