Team Bahrain bei der Tour de France:Erinnerung an das ewige Reizthema Doping

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Die Bahrain-Equipe bei der Teampräsentation vor der Tour de France. (Foto: Marco Bertorello/AFP)

Der Radsport tut gerne so, als habe er das pharmazeutische Betrugsproblem inzwischen im Griff. Tatsächlich lugt es bei der Tour an manchen Ecken hervor. Ein besonders markantes Beispiel: das Team Bahrain.

Von Johannes Aumüller, Moulins/Clermont-Ferrand

Zwei große weiße Fahnen sind vor der Brasserie "Le Régal" aufgebaut, und diese Fahnen sind das Signal dafür, dass sich hier im üblichen Gewühl vor einer Tour-Etappe eine ordentlich dekorierte Mannschaft breitgemacht hat. Die eine Fahne weist sie als führend in der Teamwertung aus, die andere darauf hin, dass einer ihrer Fahrer den vergangenen Tagesabschnitt gewonnen hat. Entsprechend stolz wirken die Vertreter des Teams Bahrain-Victorious, als sie sich in Clermont-Ferrand auf die elfte Etappe vorbereiten (Jasper Philipsen gewann am Abend zum vierten Mal bei dieser Tour). Aber sie betonen auch die besonderen Umstände dieser Rundfahrt.

Kurz vor der Rundfahrt ist bei der Tour de Suisse einer ihrer Fahrer, der Schweizer Gino Mäder, tödlich verunglückt, jetzt erinnern sie in Frankreich oft an ihn. Der Hashtag "ride for gino" prangt auf Bus und Uniform, die 61 trägt keiner der Fahrer, sie hängt stattdessen als Mäders Startnummer vorne im Bus, und der Spanier Pello Bilbao hat seinen Tagessieg von Issoire seinem verstorbenen Teamkollegen gewidmet. Die beiden verbindet durchaus eine besondere Beziehung, Bilbao hat vor der Tour erklärt, Mäders Umweltinitiative fortzusetzen: Pro Fahrer, den er auf einer Etappe hinter sich lässt, spendet er einen Euro.

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Aber Erfolge von Bahrain, die dienen bei der Tour nicht nur auf spezielle Weise der Erinnerung an Gino Mäder. Sondern rücken auch noch mal ein Thema in den Fokus, über das sie bei dem Team und im restlichen Peloton nicht so gerne reden: Doping.

Seit ein paar Jahren tut der Radsport so, als habe er das alles im Griff, tatsächlich lugt es noch an vielen Ecken hervor. Wenn man zum Beispiel vor einer Etappe durch das Paddock schlendert, in dem sich die Teams vorbereiten, kann man an fast keinem Bus vorbeigehen, ohne dort im Leitungsstab frühere Dopingsünder zu treffen. Beim Branchenführer des Gelb-Trägers Jonas Vingegaard zum Beispiel ist da Grischa Niermann, beim deutschen Team Bora Rolf Aldag, bei Astana noch immer Alexander Winokurow, auch wenn er gerade abgereist ist. Viele Mannschaften könnte man so durchgehen. Aber das Thema betrifft eben nicht nur Sünden aus grauer Vergangenheit, sondern auch Vorgänge der Gegenwart - und da kommt nebst manch anderem auch das Team Bahrain ins Spiel.

Bei der Frankreich-Rundfahrt vor zwei Jahren schreckte die Justiz das Peloton auf, als sie während der Pyrenäen-Etappen eine Razzia beim Team Bahrain durchführen ließ. Es ging, teilte die Staatsanwaltschaft mit, um den Verdacht auf Erwerb, Transport oder Besitz einer verbotenen Substanz oder die Anwendung einer verbotenen Methode ohne medizinische Begründung. Ein Jahr später kam es vor dem Tourstart in Dänemark zu einer europaweit koordinierten Durchsuchungswelle in gleich sechs Ländern, von Italien bis Slowenien. Unter anderem wurden zahlreiche elektronische Geräte, aber auch pharmazeutische Substanzen sowie "412 Kapseln mit unbestimmtem braunem Inhalt und 67 Kapseln mit unbestimmtem weißem Inhalt" gefunden, wie die Behörde Eurojust damals mitteilte.

Auf eine Anfrage zum aktuellen Stand des Verfahrens macht die zuständige französische Staatsanwaltschaft keine Ausführungen. Das Team Bahrain wies schon in der Vergangenheit jeden Verdacht zurück. Aktuell teilt es mit, es habe von der Staatsanwaltschaft noch keine Mitteilung über den Stand der Ermittlungen erhalten und es lägen trotz mehrfacher Anträge auf Akteneinsicht keine Informationen zum laufenden Verfahren vor. Man habe während des Prozesses durchweg mit den Behörden zusammengearbeitet und werde dies auch weiterhin tun. "Wir waren immer transparent und haben nichts zu verbergen."

Im Kontext der "Operation Aderlass" wurden zwei Bahrain-Vertreter als Kunden enttarnt

Aber Bahrain steht auch nicht nur wegen dieser Ermittlungen im Dopingkontext in Frage. In der Hitliste der vorbelasteten Teamleitungen nimmt die Combo rund um Gorazd Stangelj einen Platz weit vorne ein. Vor ein paar Jahren wurde der damals fürs Bahrain-Team fahrende Zeitfahrspezialist Kanstantsin Sivtsov positiv auf Epo getestet - einer der letzten prominenten Radsportler, die mit diesem Manipulationsklassiker erwischt wurden.

Im Kontext der "Operation Aderlass" rund um einen Blutdopingring des Erfurter Sportmediziners Mark Schmidt wiederum wurden der Bahrain-Profi Kristijan Koren und der Bahrain-Sportdirektor Borut Bozic gesperrt, weil sie - vor ihrer Zeit bei Bahrain - zu den Kunden des Arztes zählten. Auch Teamboss Milan Erzen tauchte im Kontext dieser Affäre auf; im Münchner Prozess gegen Schmidt wurde dessen Aussage gegenüber einem Zollbeamten vorgetragen, nach der es eine Kontaktaufnahme Erzens gegeben habe. Dieser erklärt allerdings, es habe nie eine Beziehung zu Schmidt gegeben, und weist jegliche Involvierung in die "Operation Aderlass" strikt zurück.

Phil Bauhaus schwieg die ARD an, nachdem dort ein kritischen Bericht zum Thema Doping gelaufen war. (Foto: Sirotti Stefano/Imago)

Daneben dokumentiert sich beim Team Bahrain auch ein anderer Aspekt des ewigen Dopingthemas: der öffentliche Umgang mit kritischer Berichterstattung. Ganz aktuell zeigt sich das am Beispiel des Sprinters Phil Bauhaus, neben dem Allrounder Nikias Arndt einer von zwei Deutschen im Tour-Kader von Bahrain. Bauhaus gab zu Beginn der ARD zeitweise kein Interview mehr - nach einem Beitrag zur Dopingsituation im Radsport und den Entwicklungen rund ums Team Bahrain, für den er auch interviewt worden war.

Ein Teamsprecher erklärt auf Nachfrage, dies sei Bauhaus' Entscheidung gewesen. Dessen Manager beantwortet eine Anfrage zum Thema nicht; ebenso wenig wie die Frage, warum es kein Ausschlusskriterium ist, für ein Team zu fahren, dem sich die Staatsanwaltschaft auf diese Art widmet.

Aber das Verhalten passt durchaus zur Einstellung mancher Bahrain-Fahrer, die die Ermittlungen in den vergangenen Jahren öffentlich scharf kritisierten. Allerdings gab es Ausnahmen. Wie hatte der verstorbene Bahrain-Fahrer Gino Mäder, der in vielfacher Hinsicht ein ungewöhnlich reflektierter Rennfahrer war, nach der ersten Razzia zur NZZ gesagt: "Es gab sicher einen triftigen Grund."

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