Schweden im Halbfinale:Mamma mia läuft und läuft

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Kopfballstark und torgefährlich: Schwedens Innenverteidigerin Amanda Ilestedt (in Gelb) hat bereits vier Treffer erzielt. (Foto: Brett Phibbs /AAP/Imago)

Mit einer Meisterleistung gegen Japan qualifiziert sich Schweden fürs Halbfinale - und will endlich nach dem Titel greifen, auf den Trainer Peter Gerhardsson seit Jahren hinarbeitet.

Von Felix Haselsteiner, Auckland

"Mamma mia, here we go again", hallte durch Eden Park, unten auf dem Rasen herrschte bei allen gelb-blau Gekleideten selbstverständlich Text- und Tanzsicherheit, auch wenn sich die Schwedinnen langsam nach etwas Neuem sehnen. "Lay all your love on me", wünschte sich Kapitänin Kosovare Asllani, der Abwechslung halber, denn: Mamma mia, wie oft hat man diesen Abba-Song inzwischen gehört in Australien und Neuseeland?

Mit einem 2:1 gegen Japan sind die Schwedinnen am Freitagabend ins WM-Halbfinale eingezogen, man muss sagen: schon wieder. Halbfinale bei der Weltmeisterschaft 2019, Finale bei den Olympischen Spielen 2021, Halbfinale bei der Europameisterschaft 2022, so lautet die Turnierbilanz der Schwedinnen unter Peter Gerhardsson, die in dessen Amtszeit seit 2017 zu einer bemerkenswerten Einheit geworden sind. Zu einem Team, dem nur noch ein großer Titel fehlt, aktuell aber praktischerweise ein gewisses Gefühl der Unschlagbarkeit anhaftet.

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Ganz so direkt wollte es Innenverteidigerin Magdalena Eriksson nicht formulieren, aber wer ihr nach dem Spiel zuhörte, erkannte, worum es den Schwedinnen geht: "Ich glaube, uns macht unsere Einstellung aus. Wir sind so eine gemeinschaftliche Gruppe, wir funktionieren immer zusammen. Wir bereiten uns sehr genau auf die Spiele vor, die vor uns liegen, und lernen von denen, die wir gespielt haben. Diese Erfahrungen lassen uns wachsen."

Die überragende Innenverteidigerin Amanda Ilestedt erzielt bereits ihren vierten Treffer

Die Lehre, die Schwedens Team aus dem Spiel gegen die USA im Achtelfinale zog, war relativ offensichtlich: Sie brauchten mehr Spielanteile, erst recht gegen das fußballerisch starke Japan. Mit einer makellosen Bilanz und einem Torverhältnis von 14:1 gingen die Japanerinnen ins Viertelfinale - und liefen dort 65 Minuten lang erfolglos gegen eine gelb-blaue Wand an. Die Schwedinnen dominierte das Spiel, ohne Sensationelles zu tun. Sie waren aktiver in den Zweikämpfen, liefen Japan früh an, störten so den Spielaufbau und gingen auf typisch schwedische Art in Führung: Ein Ball nach einer Standardsituation segelte in den japanischen Strafraum, Magdalena Eriksson scheiterte noch, dann allerdings stand ihre Kollegin aus der Innenverteidigung einmal mehr richtig. Amanda Ilestedt, eigentlich mit der Aufgabe betraut, Tore zu verhindern, erzielte ihren vierten Treffer (32.).

Taktiker und Perfektionist bei den Standards: Schwedens Nationaltrainer Peter Gerhardsson. (Foto: Pontus Lundahl/TT/Imago)

"Ich hab ihn schon gefragt", sagte Ilestedt nachher, sie war erneut zur Spielerin des Spiels gekürt geworden und nahm daher auf der Pressekonferenz Platz, unter anderem um die Frage zu beantworten, wie lange sie noch Innenverteidigerin bleiben wolle. "Wir brauchen sie dort noch", sagte Gerhardsson und verwies auf die zweite Halbzeit, in der Schweden zwar erst nach einem Elfmeter 2:0 in Führung ging (52., Angeldahl), dann aber zusehen musste, wie Japans Team in das Offensivspiel kam, das es im Turnier auszeichnete. Immer wieder passten sich die Japanerinnen durch den Strafraum, erhielten einen Elfmeter zugesprochen, den Riko Ueki allerdings ebenso an die Querlatte schoss wie Minuten später Kiko Seike einen Freistoß.

Der Anschlusstreffer gelang nach einem Fehler von Eriksson: Honoko Hayashi brachte Japan drei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit noch einmal zurück. Eden Park wurde im Vorlauf von Abba zu einem japanischen Stadion: "Jedes Spiel hier war wie ein Heimspiel für uns, das freut mich sehr", sagte Japans Kapitänin Saki Kumagai nach dem Spiel, sie sei "sehr, sehr stolz" auf ihr Team, das diese WM wochenlang bestimmt hatte - und nun doch an Schweden scheiterte, wie schon die USA zuvor.

Man könnte das auf Gerhardsson zurückführen und seine Matchpläne, die in den meisten Fällen aufgehen. Der 65-Jährige spricht gerne und häufig über Taktik, er seziert Spiele und genießt es, sich mit Trainern wie Futoshi Ikeda, ebenfalls ein Taktikliebhaber, zu duellieren. Schweden hat im Turnierverlauf bewiesen, dass es mit eigenem Ballbesitz, mit Kontern oder mit Standards gegen alle Arten von Gegnern gewinnen kann. Die USA und Japan könnten sich in ihrer Herangehensweise kaum mehr unterscheiden - die Gemeinsamkeit liegt in einer Niederlage gegen Schweden.

Gerhardsson sprach auf der Pressekonferenz allerdings über eine andere Stärke seines Teams: "Ich kann immer von außen einwirken, aber diese Spielerinnen wollen selbst entscheiden. Wir haben zahlreiche Anführerinnen im Team, sie möchten den Weg vorgeben." Gerhardsson zählte selbstverständlich Asllani im Mittelfeld dazu und auch Eriksson in der Verteidigung, die allerdings zumindest in einer Hinsicht anderen die Entscheidungen überlässt: Einen favorisierten Abba-Song nach dem Spiel hat sie nach eigener Aussage nicht.

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