Schweden zieht ins Achtelfinale ein:Jede Ecke eine Großchance

Lesezeit: 3 min

Flanke, Kopfball, Tor: Amanda Ilestedt wuchtet den Ball zur Führung ins Netz. (Foto: John Cowpland/AP)

Die Schwedinnen demütigen Italien mit einem schlichten, aber genialen Konzept: Sie haben Standards perfektioniert. Abwehrspielerin Amanda Ilestedt führt nun sogar die Torjägerliste der WM an.

Von Felix Haselsteiner, Wellington

Die Italienerinnen wussten, was passieren würde - nur ausrichten konnten sie nichts. Die vierte Ecke der Schwedinnen würde gleich in ihren Strafraum fliegen, in hohem Bogen zum Tor hin gedreht, sodass sie am kurzen Pfosten landet, wo Amanda Ilestedt bereitsteht. Das war jeder Spielerin genauso klar wie jedem Zuschauer im Stadion, es war schließlich schon drei Mal passiert an diesem Abend in Wellington.

Und es kam dann wie erwartet in der 51. Minute: Jonna Andersson flankte wie immer, Ilestedt köpfte wie immer, und nach zwei Spielen bei der WM haben die Schwedinnen damit vier ihrer sieben Tore nach solchen Standards erzielt. 5:0 haben sie die Italienerinnen bezwungen. Ilestedt, zu Hause inzwischen als "Königin der Ecken" bekannt, führt als Abwehrspielerin die Torjägerliste des Turniers an - und wirft damit die Frage auf: Gibt es überhaupt ein Mittel gegen diese Hereingaben?

Linari flieht in Sarkasmus: "Ich habe einfach gehofft, dass sie nicht alle perfekt reinfliegen"

Elena Linari, Italiens Kapitänin und Abwehrchefin, fiel keine Lösung ein: "Wenn man versucht, den Raum zu besetzen, verliert man dort, weil sie perfekt positioniert sind. Und wenn man die Spielerin direkt im Eins gegen Eins deckt, verliert man dort, weil sie immer eine frei blocken." Linari floh sich in Sarkasmus: "Ich habe einfach gehofft, dass sie nicht alle perfekt reinfliegen", sagte sie: "Ich muss lachen dabei, aber eigentlich bricht es mir das Herz."

Die schwedischen Ecken sind mehr als ein Stilmittel - sie sind zur Basis des Erfolgs eines gesamten Teams geworden. Wie schon gegen Südafrika kam Schweden nicht gut in die Partie, Italien dominierte die erste halbe Stunde. Doch dann kam die erste Ecke. Kapitänin Kosovare Asllani hätte sie beinahe direkt reingezirkelt, gerade so konnten die Italienerinnen noch auf der Linie klären, aber ihr tapferer, spielerisch hochwertiger Widerstand war kurz darauf gebrochen: Zur Halbzeit führte Schweden 3:0 durch Tore von Ilestedt, Fridolina Rolfö und Stina Blackstenius, Letzteres fiel gar aus dem Spiel heraus.

WM-Kolumne Koalaola
:No, no, no!

Kein Abseits und trotzdem kein Tor? Eine südkoreanische WM-Schiedsrichterin kommt beim Verkünden einer Videoentscheidung durcheinander. Sollen Referees wirklich pfeifen und reden? Unbedingt!

Glosse von Felix Haselsteiner

"Wir haben heute gesehen, dass wir auf verschiedene Arten Tore erzielen können", sagte Innenverteidigerin Magdalena Eriksson, die ab der kommenden Saison beim FC Bayern spielen wird und auf das 5:0, kurz vor Schluss aus einem Konter heraus, verwies. Aber ja, gab auch Eriksson zu, am Ende sei der Einzug ins Achtelfinale schon auf die Treffer nach Ecken zurückzuführen. Auf die in der Nachspielzeit gegen Südafrika und auf die drei gegen Italien. "Wir trainieren das - aber nicht so viel, wie man denken könnte", sagte Eriksson.

Die Schwedinnen haben sich unweit von Wellington niedergelassen, im New Zealand Campus of Innovation and Sport in Upper Hutt, wo man normalerweise die Rugbyjugend des Landes ausbildet und nun seit zwei Wochen von großen Plakaten mit der schwedischen Begrüßungsformel "Hey, Hey" empfangen wird. Universitäre Atmosphäre herrscht dort im Trainingslager, das weitläufige Gelände erinnert eher an das Campusleben als an ein Hotel - und passt daher perfekt zum technischen Ansatz von Magnus Wikman, dem schwedischen Standardtrainer. "Jede von uns hat vor jeder Ecke eine ganz exakte Rolle und weiß genau, wie sie sich bewegen muss", sagt Eriksson. Seit Jahren schon arbeite man daran: "Wir sehen jede Ecke im Spiel als Großchance an."

Das Selbstvertrauen ist riesig: "Wir wissen, wie gut wir sind", sagt Fridolina Rolfö

Derartiges Kapital aus ihrer physischen Überlegenheit schlagen bei der Weltmeisterschaft nur wenige Mannschaften. Die Französinnen schaffen es immer wieder, ihre groß gewachsene Innenverteidigerin Wendie Renard im Strafraum richtig in Szene zu setzen; ihr gelang ebenfalls nach einer Ecke per Kopf das Siegtor zum 2:1 gegen Brasilien am Samstag. Und die USA sind ähnlich gefährlich wie die Schwedinnen nach Standards, dafür steht stellvertretend Lindsey Horans Ausgleich nach Ecke gegen die Niederlande. Beide Teams sind mögliche Gegner für Schweden im Achtelfinale.

"Wir wissen, wie gut wir sind. Wir haben uns gegen Südafrika in das Turnier hineinkämpfen müssen und heute klar gewonnen", fasste Fridolina Rolfö die Lage bei den Schwedinnen zusammen. "Drei Tore nach Ecken in einem Spiel - das können nicht viele Mannschaften."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

DFB-Team gegen Kolumbien
:Die kampfstarke Strategin kehrt zurück

Lena Oberdorf gehört zu den besten Mittelfeldspielerinnen der Welt. Nun ist die 21-Jährige wieder fit und steht gegen Kolumbien in der Startelf - doch das deutsche Team plagen schon die nächsten Verletzungssorgen.

Von Anna Dreher

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: