Portugal in der WM-Qualifikation:Ronaldo quält die "Weltblamage"

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Cristiano Ronaldo ärgerte sich mächtig über das 1:2 gegen Serbien. (Foto: PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP)

Nach dem 1:2-Schock gegen Serbien fuchtelt Portugals Anführer wild vor seinem Trainer herum - dass er nun seine fünfte WM zu verpassen droht, führt zu heftigen Debatten.

Von Javier Cáceres

Am Ende ging Ronaldo in die Knie, und das nicht nur im übertragenen Sinne. Der fünfmalige Weltfußballer hockte verärgert auf dem Rasen, blickte auf das Grün des Estádio da Luz von Lissabon und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

Ein Kopfballaufsetzer von Alexandar Mitrovic aus der 90. Minute war gleichbedeutend mit einem 2:1 für Serbien gewesen und hatte damit alle Prognosen auf den Kopf gestellt: Serbien zog in der Tabelle der Gruppe A an Portugal vorbei und qualifizierte sich zum dritten Mal nach 2010 und 2018 für eine Weltmeisterschaft. Die fest eingeplante, fünfte WM-Teilnahme der Karriere Ronaldos ist nun ernsthaft in Gefahr, die Portugiesen müssen als Gruppenzweiter in die Playoffs. "Vergonha mundial", gellte die Sportzeitung Récord am Montag: "Weltblamage". Auch O Jogo war voller Fassungslosigkeit: "Totale Sonnenfinsternis". Und das im Stadion des Lichts.

Im Stadion des Lichts erlebt Portugal ein Drama gegen Serbien

Es hatte den Portugiesen nicht geholfen, dass sie "mit dem Hahnenschrei" der Partie in Führung gegangen waren, wie Récord schrieb. Der frühere Bayern-Profi Renato Sanches, mittlerweile in Frankreich aktiv, hatte aus 14 Metern getroffen, und damit fantastische Buchungsbedingungen für das Ticket nach Katar gesichert. Doch mit jeder Minute, die ins Land ging, wurde der Preis teurer. "Wir haben aufgehört zu spielen, das ist nicht entschuldbar", sollte hinterher Bernardo Silva klagen.

Erst traf Dusan Tadic (33.) aus 16 Metern, und hätten die TV-Bilder nicht bewiesen, dass der Schuss des Spielmachers von Ajax Amsterdam noch leicht durch Danilo abgefälscht worden war, so wäre die Kritik an Portugals Torwart Rui Patrício (AS Rom) am Montag wohl ins Persönliche abgeglitten. Beim Treffer von Mitrovic, der aus fünf Metern traf, brauchte Rui Patrício allerdings kein Alibi, der Ball war unhaltbar: Mitrovic stand im Anschluss an eine Ecke erstaunlich frei.

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Der Treffer ließ sich auch als Strafe dafür lesen, dass sich die Portugiesen, je länger das Spiel dauerte, immer tiefer in Richtung des eigenen Tores hatten drängen lassen, obschon ihr Kapitän Ronaldo sie immer wieder durch Gesten aufgefordert hatte, ein paar Schritte nach vorn zu machen. Es waren aber andere Gesten Ronaldos, die Anlass zu Diskussion geben sollten. Nämlich jene, die zu sehen waren, als Trainer Fernando Santos nach Schlusspfiff auf Ronaldo zuging, um ihm die Hand zu schütteln.

Ronaldo wirkt massiv erzürnt

Ronaldo fuchtelte dermaßen erzürnt herum, dass Fragen nach dem Verhältnis des Stürmers von Manchester United zu seinem Nationalcoach zwingend wurden. Es wirkte, als ob Ronaldo seinem Coach Vorwürfe machte: Ronaldo hob den Zeigefinger, schien Erklärungen einzufordern, redete auf Santos ein, breitete die Arme aus und ließ die Hände voller Frust wieder auf die Hüften prallen. Santos machte auf dem Absatz kehrt und ließ Ronaldo zurück.

"Er hat mir nur gesagt, dass er in Serbien ein sauberes Tor geschossen und der Schiedsrichter es nicht anerkannt hatte. Er hat die Arme ausgebreitet, weil er enttäuscht war", versicherte Santos, als er in der Pressekonferenz zur Szene gefragt wurde. Was entweder eine Schutzbehauptung war - oder aber real. Beim Duell im März war ein Torschuss von Ronaldo in der Nachspielzeit gegen Serbien beim Stand von 2:2 erst hinter der Torlinie geklärt worden. Doch weil es in der WM-Qualifikation weder Videoschiedsrichter noch Torlinientechnik gibt, wurde der Treffer vom niederländischen Schiedsrichter Makkelie nicht anerkannt.

Ob Ronaldo wirklich nochmal die Partie aus dem Frühjahr aufarbeiten wollte, war in der Nacht zum Montag war nicht mehr zu verifizieren, der Kapitän der Portugiesen verließ das Stadion grußlos. Fernando Santos, der schon bei der Auswechslung von Bernardo Silva den Zorn der Menge gespürt hatte und nach Schlusspfiff beim Gang in die Kabine ein heftiges Pfeifkonzert ertragen musste, musste sich durch eine vergleichsweise aggressive Pressekonferenz quälen.

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Es ging soweit, dass die Frage verhandelt wurde, wie er, der EM-Trainer von 2016, damit umgehe, dass eine große Zahl an Portugiesen einen Wechsel auf dem Trainerposten wünsche. "Es ist normal, dass es Widerspruch gibt, aber ich bin hier und denke, dass ich die Fähigkeit habe, uns zur WM zu bringen", sagte der 67-jährige Santos. Nun harrt er der Auslosung der Playoffs, die Ende November stattfindet.

Portugal wird gesetzt sein, aber zu den möglichen Gegnern gehören auf jeden Fall so unangenehme Teams wie Schottland, Nordmazedonien und Österreich; Renato Sanches wird gelbgesperrt fehlen. Immerhin: Die Portugiesen haben gute Playoff-Erfahrungen gemacht. Zu den WM- und EM-Turnieren von 2010, 2012 und 2014 schafften sie es jeweils über den Umweg der Entscheidungsspiele. Mit Ronaldo, der sich eigentlich in Katar von der WM-Bühne verabschieden wollte, und nun bangen muss.

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