Neuer Sportdirektor beim FC Bayern:Mia Sammer Mia

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Der FC Bayern hat genug von zweiten Plätzen. Jetzt soll es der Mann richten, der beim DFB seit Jahren Erfolgsdenken einfordert: Matthias Sammer übernimmt überraschend den Posten als Sportdirektor. Der oft blass gebliebene Hoeneß-Protegé Christian Nerlinger muss seine Managerrolle aufgeben.

Sebastian Gierke

Uli Hoeneß hat sich nach dem Ausscheiden der DFB-Elf bei der Europameisterschaft nicht zu den Problemen der Nationalmannschaft geäußert. Als einer der wenigen aus der deutschen Fußballgesellschaft hat der Bayern-Präsident in der Öffentlichkeit den Mund gehalten, hat nicht geschimpft und gezetert. So wie Günter Netzer oder Oliver Kahn oder Felix Magath. Die sahen sich plötzlich alle berufen, die DFB-Elf hart zu kritisieren, forderten Persönlichkeiten, eine Hierarchie in der Mannschaft - oder gleich sogenannte Führungsspieler.

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Er begann seine Karriere bei einem Ostklub und feierte etliche nationale und internationale Titel: Matthias Sammers Fußball-Karriere ist geprägt von großen Erfolgen und Siegeswillen. Das soll er nun auch als Sportdirektor beim FC Bayern fortsetzen.

Uli Hoeneß hat geschwiegen - und gehandelt. Er hat versucht, genau diese Tugenden einzukaufen, in Person des neuen Münchner "Vorstands für Lizenzspielerangelegenheiten" Matthias Sammer. Der wird bereits zum Trainingsauftakt am Dienstag beim deutschen Fußball-Rekordmeister seinen Dienst antreten. Der Europameister von 1996 hatte in gleicher Funktion seit 1. April 2006 für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) gearbeitet. Der Verband erteilte Sammer die sofortige Freigabe.

Als DFB-Sportdirektor hat der 44-Jährige Sammer gerne solche Dinge gesagt: "Es muss auch Anführer geben. Ohne Struktur und Hierarchie in einer Mannschaft ist alles nichts."

Es sind ja vor allem die vermeintlichen Führungsspieler des FC Bayern, Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm, die sich anhören mussten, eigentlich keine Führungsspieler zu sein. Sie stehen im Fokus der Kritik. Nicht erst seit der Europameisterschaft. Schon nach der vergangenen Bundesligasaison wurde ihnen von vielen Seiten der Verliererstempel aufgedrückt. In den entscheidenden Spielen würden sie versagen. Siehe Champions-League-Finale.

Die Macher von der Säbener Straße haben das wohl irgendwann geglaubt. Durch so etwas muss sich ein Verein wie der FC Bayern in der Existenz bedroht fühlen. Ein FC Bayern ohne die Aura des Sieges? Ohne das Gefühl, eigentlich gar nicht verlieren zu können? Mit Verlierern als Führungsspieler? Ohne das Mia san Mia? Darf es nicht geben. Jetzt gibt es "Mia Sammer Mia".

Der Rekordmeister erklärt auf seiner Website, dass die Entscheidung schon bald nach Abschluss der vergangenen Spielzeit gefällt wurde. "Bei der Aufarbeitung der zurückliegenden Saison 2011/12 zwischen Aufsichtsrat und Vorstand des FC Bayern München und Sportdirektor Christian Nerlinger wurden unterschiedliche Auffassungen über das Konzept für die Zukunft der Mannschaft deutlich. Bereits damals haben der FC Bayern und Christian Nerlinger vereinbart, dass man sich zu Beginn der neuen Saison 2012/13 trennen wird." Um Aufregung vor der EM zu vermeiden, habe man die Meldung bislang unter Verschluss gehalten.

Die Vereinsführung hat wohl nur noch diesen Ausweg gesehen. Die Verpflichtung von Sammer, der in Grünwald wohnt, kommt trotzdem überraschend. Erst im vergangenen November war der Vertrag mit Christian Nerlinger vorzeitig um zwei weitere Jahre bis 2014 verlängert worden. Der frühere Bayern-Profi hatte 2009 als Sportdirektor die Aufgaben des langjährigen Managers und heutigen Bayern-Präsidenten Hoeneß übernommen.

"Ich möchte mich im Namen des Klubs bei Christian Nerlinger ausdrücklich für seine Arbeit in den vergangenen vier Jahren beim FC Bayern bedanken", sagte Uli Hoeneß. "Ich hoffe sehr, dass unser aller gutes persönliches Verhältnis auch weiterhin Bestand hat."

Nerlinger betonte: "Ich wünsche dem FC Bayern weiterhin alles erdenklich Gute. Ich habe hier eine gute und sehr intensive Zeit erlebt und werde dem Club auch weiterhin freundschaftlich verbunden bleiben."

Er galt als Ziehsohn von Hoeneß, er wurde vom mächtigen Bayern-Präsidenten protegiert. Doch der Verein hat keine Geduld. Der FC Bayern muss vorne sein. Immer. Nach zwei titellosen Spielzeiten muss nun auch Nerlinger die Konsequenzen tragen. Der 39-Jährige konnte sich nie aus dem großen Schatten von Hoeneß lösen. Auch wenn die Bayern gleich in Nerlingers erster Saison Meister und Pokalsieger wurden und in der Champions League gegen Inter Mailand weit kamen. Auf den zweiten Platz, um genau zu sein.

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Mit Matthias Sammer soll nun die zuletzt verlorengegangene Siegermentalität wieder einziehen an der Säbener Straße. Sammer sei in seiner neuen Funktion "zuständig für alle Dinge der Lizenzspieler-Mannschaft außerhalb des Trainingsplatzes und für das gesamte Nachwuchs-Konzept und das Scouting", erklärte Bayern-Präsident Uli Hoeneß im vereinseigenen TV-Sender.

Als Spieler war der gebürtige Dresdner für seinen Willen und seinen Kampfgeist bekannt, er bekam regelmäßig Wutanfälle auf dem Spielfeld, handelte sich deshalb den Spitznamen "Motzki" ein. Sammer gab auf dem Platz immer den Chef und nach seiner aktiven Karriere hat er immer einen Chef auf dem Platz eingefordert. "Die Mannschaft ist der Star? Dieses Denken ist gefährlich", sagte Sammer einmal.

Sein langjähriges und immer wieder propagiertes Credo lautet: Für zweite Plätze brauche man sich nicht feiern lassen. Das klingt im Nachhinein wie eine Bewerbung für den Job beim FC Bayern, der mit zweiten Plätzen in der jüngsten Vergangenheit öfter Bekanntschaft gemacht hat, als ihm lieb war.

Eine weitere Spielzeit ohne Titel, glauben sie in München, könnte den Verein aus den Angeln heben. Es ist die letzte Saison unter Trainer Jupp Heynckes. Als möglicher Nachfolger wird unter anderem Pep Guardiola gehandelt. Sollte das nicht klappen und die kommende Saison wieder enttäuschend verlaufen, könnte Sammer notfalls sogar als Trainer einspringen, wird spekuliert.

Sammer hat bereits als Trainer gearbeitet. Nach dem Erwerb der Lizenz im Jahr 2000 löste er bei Borussia Dortmund Udo Lattek ab, dem er zuvor schon als Assistent gedient hatte. Schon im zweiten Jahr wurde Sammer mit dem BVB Meister und damit jüngster Meistertrainer in der Geschichte der Bundesliga. Der eigentlich bis 2010 laufende Vertrag wurde 2004 aufgelöst, danach trainierte Sammer ein Jahr lang den VfB Stuttgart.

Im April 2006 hatte Sammer den neugeschaffenen Posten des DFB-Sportdirektors gegen den Widerstand des damaligen Bundestrainers Jürgen Klinsmann übernommen. Klinsmann und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff hatten dem ehemaligen Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters favorisiert. Beim DFB war Sammer seit 2010 auch als Nachwuchskoordinator des Verbandes für den Ausbau der Talentförderung zuständig.

Im Januar 2011 war Sammer vom Aufsichtsrat des Hamburger SV für den Posten des Sportdirektors auserkoren. Ihm soll zu diesem Zeitpunkt ein ausgehandelter Vertrag vorgelegt worden sein. Sammer entschied sich dann trotzdem dafür, beim DFB zu bleiben. Sein Vertrag mit dem Verband wäre bis 31. März 2016 gelaufen.

Mit Material von sid.

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