DFB-Frauen in der Nations League:Diese Entscheidung muss sitzen

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Horst Hrubesch ist der Dauerretter im deutschen Fußball - auch diesmal ist seine Aufgabe klar: Er soll mit den DFB-Frauen die Olympia-Quali schaffen. (Foto: Michael Steele/Getty Images)

Die deutschen Fußballerinnen wollen gegen Frankreich ins Finale der Nations League und sich damit für Olympia qualifizieren. DFB-Direktorin Nia Künzer scheint derweil eine Lösung für den Bundestrainerposten gefunden zu haben.

Von Anna Dreher, Lyon

Gut möglich, dass sie oder er am Freitagabend sogar auf der Tribüne im Stadion von Lyon sitzen wird. Getarnt als fußballinteressierte Person, aber insgeheim schon mit diesem genau beobachtenden Blick: Wer bewegt sich wie? Was läuft gut? Was muss verändert werden? Ganz ungestört, niemand wüsste schließlich, dass da längst keine gewöhnliche fußballinteressierte Person mehr sitzt. Sondern die nächste Bundestrainerin oder der nächste Bundestrainer des deutschen Nationalteams der Frauen im Inkognito-Modus, der wohl bereits vor einer Weile angeschaltet worden ist.

Bisher hat die Identität den mutmaßlich kleinen Kreis von Eingeweihten jedenfalls nicht verlassen. Aber auch ohne dass ein Name bekannt geworden ist, war die Person in den vergangenen Tagen äußerst präsent. Bei den Pressekonferenzen vor den Halbfinals der Nations League ging es zwar schon auch um die Kadernominierung und um Frankreich, den Gegner der Deutschen an diesem Freitag (21 Uhr, ARD). Sollten sie gewinnen, hätten sie am 28. Februar entweder gegen die Weltmeisterinnen aus Spanien oder gegen die Niederlande weiterhin die Chance, mit einer Trophäe die Turbulenzen des vergangenen Jahres zu überdecken: das Debakel bei der WM 2023, die schwierige Trennung von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg. Ein Sieg brächte zudem die Qualifikation für die Sommerspiele in Paris. Die könnte selbst bei einer Niederlage gegen den bereits für Olympia qualifizierten Gastgeber Frankreich noch gelingen, wenn die Deutschen anschließend das Spiel um Platz drei gewännen. Darum geht es unmittelbar.

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Und macht es jetzt doch: Nationalspielerin Lena Oberdorf, eine der besten Fußballerinnen der Welt, wechselt aus Wolfsburg zum Dauerrivalen. Für München ist es der nächste Coup, für die Bundesliga eine gute Nachricht.

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Aber von den Ergebnissen der nächsten beiden Spiele hängt eben auch ab, wie es weiter geht beim Nationalteam. Und so wurde sehr viel über die künftige Bundestrainerin oder den künftigen Bundestrainer gesprochen. Mit Horst Hrubesch, dem Interimsnachfolger von Voss-Tecklenburg, ist vereinbart, dass er im Falle einer Qualifikation auch für Olympia im Amt bliebe. Das Erreichen des Turniers stünde symbolisch für den gelungenen Neustart mit dem Dauerretter in sportlicher Not - und hätte eine fußballromantische Note.

Hrubesch hat oft betont, wie gerne er diese Atmosphäre noch einmal erleben würde. Als er 2016 mit der Männerauswahl in Rio Silber holte, wurden die DFB-Frauen Olympiasiegerinnen, ihr bis dato letzter Titel. Hrubesch findet, "es macht ja eigentlich mit dieser Qualität überhaupt keinen Sinn, ein Spiel zu verlieren", und glaubt an eine gelungene Qualifikation. Dennoch hat der 72-Jährige sicherheitshalber seine Dienste angeboten für eine Übergangsphase - im April beginnt die EM-Qualifikation für 2025 -, versehen mit der Bemerkung: "Ich hoffe, dass der DFB plant und eine Idee hat."

Ein erfolgreiches Nationalteam würde dem Gesamtbild helfen, darum geht es in den nächsten Spielen auch

Dieses Angebot, sagte Nia Künzer, ehre Hrubesch einmal mehr, er habe dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) in einer sehr schwierigen Phase geholfen. Sie wollte erkennbar nicht unhöflich sein. "Aber ich kann sagen, die Szenarien sind klar und wir sind auf alles vorbereitet", sagte die 44-Jährige. In jedem Fall sei der DFB "handlungsfähig". Einen Tag vor der Reise wurde die Sportdirektorin so oft auf unterschiedliche Weise nach der Besetzung des vakanten Postens befragt, dass sie zwischendurch amüsiert lächelte. Sie achtete zwar penibel darauf, bloß nichts zu verraten. Aber eines wollte Künzer schon verstanden wissen und wiederholte es: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht."

Nia Künzer hält sich bedeckt was die Suche nach einer neuen Bundestrainerin oder einem neuen Bundestrainer angeht, scheint aber bereits fündig geworden zu sein. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Seit sie Anfang des Jahres offiziell den neu geschaffenen Posten als Pendant zu Rudi Völler bei den Männern übernahm, hat sie der Nachfolgerfrage viel Aufmerksamkeit gewidmet. An dieser Personalie wird sie gemessen werden, die Entscheidung muss sitzen. Bis auf das Finale bei der EM 2022 war seit dem Gold von Rio bei den großen Turnieren für die Deutschen stets spätestens im Viertelfinale Schluss. Wer jetzt übernimmt, soll das Nationalteam wieder dauerhaft konkurrenzfähig machen. Das würde auch dem Gesamtbild helfen, denn darum geht es in den nächsten beiden Spielen auch: das große Ganze.

Nach dem Hoch durch die EM 2022, das auf Klub-Ebene vom VfL Wolfsburg im Champions-League-Finale im Mai 2023 fortgesetzt wurde, steckt der deutsche Fußball der Frauen gerade insgesamt in einem gewissen Tief. Erstmals seit der Gründung des Europapokalwettbewerbs zur Saison 2001/02 hat es kein Bundesligist ins Viertelfinale geschafft. Das befeuerte die schwelende Debatte, ob die Bundesliga vielleicht woanders als beim DFB besser aufgehoben sein könnte. Und abgesehen davon muss womöglich bald noch ein Umbruch moderiert werden. Allein DFB-Kapitänin Alexandra Popp, 32, hat bereits offen Rücktrittsgedanken mitgeteilt.

Vorerst aber wird weiter spekuliert werden, wer sich um all das kümmern soll. Ein paar Namen kann man inzwischen streichen: Chelsea-Coach Emma Hayes arbeitet künftig als US-Nationaltrainerin, Koryphäe Pia Sundhage hat die Schweizerinnen übernommen. Vielleicht also Jill Ellis, 2015 und 2019 Weltmeister-Trainerin der USA? Oder, wie bisher gewohnt, eine Deutsche? Vielleicht ein Mann? Vielleicht sogar jemand aus dem Männerfußball? "Wir werden uns dazu äußern, wenn es so weit ist", sagte Nia Künzer noch. Die Französinnen zu besiegen, ist erst einmal Aufgabe genug.

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