Hertha BSC:Heuschrecke auf Partnersuche

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Klare Ansage: Hertha-Fans grüßen per Plakat beim Auswärtsspiel in Hoffenheim. (Foto: Matthias Hangst/Getty)

Geld aus Saudi-Arabien bei Hertha BSC? Der neue US-Investor 777 buhlt wohl um Finanzpartner für seine Fußballsparte. Es mehren sich die Anzeichen, dass in Berlin ein beispielloser Ausverkauf eines deutschen Traditionsklubs stattfinden könnte.

Von Javier Caceres und Uwe Ritzer, Berlin

Nach seiner Auswechslung zur Halbzeit der 1:3-Niederlage in Hoffenheim wurde Herthas Stürmer Florian Niederlechner von einer TV-Kamera dabei erwischt, wie er auf der Ersatzbank sein Handy studierte. Niederlechner erntete dafür in den Untiefen des Internets einen so genannten Shitstorm - und sah sich unter Rechtfertigungsdruck.

Später verteidigte sich der Stürmer, er habe nur die Ergebnisse der Konkurrenten und die Tabelle studiert - und das war gut nachvollziehbar. Der Blick aufs Display verriet Niederlechner die Nähe zum Abgrund, an dem er sich mit Hertha BSC bewegt. Die Berliner stehen jetzt auf Platz 16, punktgleich mit dem Vorletzten Schalke und nur einen Zähler vor Schlusslicht VfB Stuttgart. Noch sehr viel spannender war jedoch eine andere Meldung des Wochenendes - verbreitet wenige Stunden vor Herthas Spiel im Kraichgau, von der auf Wirtschafts- und Finanznachrichten spezialisierten Agentur Bloomberg.

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Demnach sucht die am vergangenen Montag als neuer Hertha-Großinvestor vorgestellte Private-Equity-Firma 777 Partners aus den USA ihrerseits Geldgeber für die eigene Fußballsparte. Zu dieser gehören außer der Hertha auch andere überschaubar erfolgreiche Klubs in Australien, Brasilien, Belgien oder Italien. Triple Seven, wie Herthas neuer strategischer Partner in der Szene genannt wird, klopfe dabei auch bei den saudi-arabischen Eigentümern des englischen Premier League-Klubs Newcastle United an, berichtete Bloomberg. Würde man sich einig, hätte dies unter Umständen brisante Folgen. Über diesen Umweg könnte saudisches Geld bei Hertha BSC landen - erstmals in der deutschen Bundesliga.

"Wir kommentieren keine Gerüchte", lässt ein 777-Sprecher verlauten

Der Verdacht ist keineswegs weit hergeholt. Bloomberg gilt als seriös und bestens vernetzt in Finanzkreisen. Dem Bericht zufolge hat Triple-Seven bei fünf möglichen Geldgebern angefragt. Das wirft an sich schon die Frage auf, wie stark der US-Finanzinvestor selbst eigentlich ist. Bemüht man sich also auch um saudisches Geld? "Wir kommentieren keine Gerüchte", ließ ein 777-Sprecher auf SZ-Anfrage verlauten. Nur so viel: Natürlich stehe man "ständig" mit anderen Menschen aus der Geschäfts- und Finanzwelt in Kontakt, "zwangsläufig" gehe es dabei auch um Fußball. Ein Dementi klingt anders. Und das wiederum passt zum Agenturbericht.

Denn Bloomberg präzisierte, dass unter den Gesprächspartnern Amanda Staveley sei - jene britische Geschäftsfrau, die bei Newcastle United maßgeblich mitmischt. Sie soll die Übernahme des Traditionsvereins durch den saudischen Staatsfonds PIF 2021 mit eingefädelt haben. Würde man sich nun auch über eine Kapitalspritze für 777 Partners einig, könnte künftig "jedes Investment in Triple Seven Geld aus dem saudi-arabischen Staatsfonds beinhalten", zitiert Bloomberg eine nicht näher genannte Quelle. PIF und Staveleys Firma hätten die Nachricht nicht kommentieren wollen, hieß es.

Geld aus Saudi-Arabien bei der Hertha? Das wäre eine Volte, die so spektakulär wäre wie der Ausstieg des Vorgänger-Investors Lars Windhorst im Herbst 2022. Im Nachgang hatte Hertha BSC betont, dass man nicht jeden neuen Käufer akzeptieren würde. Geld aus Staaten mit schlechtem Leumund in Sachen Menschenrechten etwa schloss man kategorisch aus. Auf Anfrage der SZ, ob es ein Vetorecht gäbe, sollten die US-Amerikaner Anteile an den Staatsfonds in Riad weiterverkaufen wollen oder ob 777 womöglich gar alle seine Hertha-Anteile weiterveräußern könnte, teilte der Sprecher des Bundesligisten am Sonntag mit: "Wie bereits in der Vergangenheit ist auch im jetzigen Vertrag das Thema Weiterverkauf geregelt. Wir bitten aber um Verständnis, dass wir keine inhaltlichen Detailfragen zu Verträgen beantworten möchten."

Erstaunlich, dass Präsident Bernstein das "Ende des Größenwahns" verkündet hat.

Immer mehr deutet jedoch darauf hin, dass der Einstieg von Triple Seven den Ausverkauf eines deutschen Traditionsklubs an ausländische Investoren in einem Ausmaß markiert, wie ihn die Bundesliga noch nie erlebt hat. Dabei kannte die Euphorie von Präsident Kay Bernstein keine Grenzen, als er vorige Woche den Einstieg von 777 Partners anstelle des ungeliebten deutschen Investors Lars Windhorst als einen "sehr, sehr guten Tag" und das "Ende des Größenwahns" bei der Hertha feierte. Die Pressekonferenz widmete Bernstein um zu einer "Trauerfeier" für das von Windhorst propagierte Label vom "Big City Club".

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Doch immer deutlicher stellt sich inzwischen die Frage, ob sich die Herthaner mit der Wahl Bernsteins wirklich ihren Verein "zurückgeholt" haben, wie es der Präsident, nach eigenen Worten ein "Kind der Kurve" und früherer Vorsänger der Hertha-Ultràs, selbst nach seiner Kür verkündet hatte. Viele Fans sehen das offenkundig anders. In Hoffenheim rollten Mitgereiste auf der Tribüne ein Transparent aus: "Investoren unerwünscht". Und das war, wie die Hertha-Fahne auf dem Banner verriet, diesmal nicht auf Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp gemünzt. Jedenfalls nicht primär.

Tatsächlich deutet vieles auf eine komplette Machtübernahme durch Triple Seven hin. Der Finanzinvestor aus Miami mit den beiden geschäftsführenden Gesellschaftern Steven Pasko und Josh Wander übernimmt nicht nur Windhorsts Anteil von 64,7 Prozent an der als Hertha BSC GmbH&Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) ausgegliederten Profiabteilung. Triple Seven sicherte sich insgesamt 78,8 Prozent der Anteile. Und sollte die Hertha in Zukunft Gewinne erwirtschaften und Dividenden ausschütten, kassiert Triple Seven von jedem Euro 95 Cent; der Verein muss sich mit dem kargen Rest begnügen. Hinzu kommt, dass der Anteil des Vereins an der KGaA auf 21,2 Prozent und damit unter die gesetzliche Sperrminorität von 25,1 Prozent sinkt. Denn Triple Seven führt eine Kapitalerhöhung durch und pumpt 100 Millionen Euro in die Hertha. Der Berliner Bundesligist legt allerdings Wert auf die Feststellung, dass nur 74,9% davon stimmberechtigte Aktien seien und damit die Sperrminorität von 25,1% der Stimmrechte beim Hertha BSC e.V. verbleibe.

Es ist eine Finanzspritze, die sofort verpuffen und wohl keine Auswirkungen auf Transfers oder die sportliche Qualität haben wird. 211,15 Millionen Euro Verlust fuhr der Hauptstadtklub allein in den vergangenen drei Saisons ein, in der laufenden kommen vermutlich weitere 64 Millionen hinzu. Vor diesem Hintergrund wirkt Bernsteins verbales Nachtreten gegen Windhorst bei der Präsentation von Triple Seven zumindest befremdlich. Denn ohne Windhorsts 374 Millionen Euro wäre Hertha BSC womöglich längst pleite. Von dem Geld ist nichts mehr übrig, stattdessen schlagen 90,8 Millionen Euro Schulden zu Buche, zudem ein negatives Eigenkapital von 15 Millionen Euro.

Umso erstaunlicher, dass Bernstein die vier Jahre mit Windhorst nun zu einer Ära des "Größenwahns" umdeutet. Zumal Windhorst der Hertha weitere Millionen als Hilfe angeboten hatte - unbegrenzt, wie er stets betonte. Er hatte auch keine 95 Prozent von etwaigen künftigen Gewinnen des Klubs verlangt, wie nun Triple Seven. SZ-Informationen zufolge haben die Amerikaner zudem das Recht herausgeschlagen, bei allen Spielertransfers mitzusprechen - Windhorst hätte erst ab einer Kaufsumme von 20 Millionen Euro gefragt werden müssen. Ein Hertha-Sprecher dementierte allerdings ein solches Mitspracherecht von 777 kategorisch.

So oder so - ohne die US-Amerikaner geht in der Profisparte bei Hertha nichts mehr. Unklar ist, wie sich die Deutsche Fußball-Liga (DFL) zu alledem verhält. Die über allem stehende "50-plus-eins-Regel", der zufolge jeder Verein bei allen Entscheidungen das letzte Wort haben muss, wird bei Hertha zwar pro forma eingehalten. Tatsächlich aber ist der älteste deutsche Bundesligist dort gelandet, wo nach Ansicht vieler Fans ein Traditionsklub nie landen sollte, schon gar nicht, wenn er in der Hauptstadt beheimatet ist: in den Klauen einer US-Heuschrecke.

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