Dänemark bei der Fußball-EM:Die dänische Botschafterin für Katar

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100 Länderspiele und nun umstritten: Dänemarks Nadia Nadim wirbt für die WM in Katar. (Foto: Ulrik Pedersen/ZUMA Wire/Imago)

Im ersten EM-Spiel trifft das DFB-Team auch auf Nadia Nadim. Sie flüchtete einst aus Afghanistan, schloss ein Medizinstudium ab, wurde zur Dänin des Jahres gewählt - und macht nun Werbung für die WM in Katar. Das Unverständnis ist groß.

Von Anna Dreher, London

Vielleicht denkt die ein oder andere deutsche Nationalspielerin noch daran, wie Dänemark sie vor fünf Jahren in den Niederlanden gestoppt hat. 22 Jahre hatte die EM-Regentschaft der DFB-Frauen gewährt, dann kam der 30. Juli 2017, das 2:1 von Theresa Nielsen in der 83. Minute - und vorbei war die Erfolgsserie, während Dänemark ins Finale einzog. Diesen Freitag (21 Uhr, ZDF) stehen sich die beiden Teams in Brentford erstmals wieder gegenüber, es ist kein K.-o.-Spiel, aber in einer Gruppe mit dem Mitfavoriten Spanien enorm wichtig, um gut ins Turnier zu finden.

"Deutschland und Spanien sind zwei der besten Mannschaften bei dieser EM, vielleicht zwei der Favoriten", sagte Weltklasse-Stürmerin Pernille Harder vom FC Chelsea. "Wir wissen, dass wir auf dem Papier vielleicht nicht so gut sind wie sie." Deshalb müssten sie sich ganz auf das Sportliche konzentrieren, was wohl kaum funktioniert, denn es schwelt rund um das dänische Team seit Wochen eine Debatte - ausgelöst durch Nadia Nadim.

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Die 34-Jährige flüchtete als Kind mit ihrer Mutter und ihren Schwestern aus Afghanistan, nachdem ihr Vater von den Taliban ermordet worden war. In Dänemark gilt sie als Paradebeispiel für gelungene Integration, nicht nur, weil sie den Aufstieg ins Nationalteam sowie zu Klubs wie Paris Saint-Germain, Manchester City und aktuell Racing Louisville geschafft hat. Nadim spricht mehrere Sprachen und hat neben der Fußballkarriere ein Medizinstudium abgeschlossen. Sie setzt sich für Gleichberechtigung, Chancengleichheit und Flüchtlinge ein, 2017 wurde sie zur Dänin des Jahres gewählt.

"Wenn ihr mich mobben wollt, rede ich nicht mit euch", sagt Nadim in einer Medienrunde

Nun steht Nadim schwer in der Kritik. Im April gab sie bekannt, dass sie - wie David Beckham und Xavi Hernández - als Botschafterin die umstrittene Fußball-WM in Katar bewirbt. Ausgerechnet mit ihrer Lebensgeschichte macht sie Werbung für ein Regime, dem Menschenrechtsverletzungen und eine Nähe zu den Taliban vorgeworfen werden - das löste in Dänemark Unverständnis aus. Peter Möller, Direktor des Fußballverbands zeigte sich "superverärgert und enttäuscht", dieses Engagement gehe "gegen alles, wofür wir stehen". Die dänische Flüchtlingshilfe und Unesco Dänemark arbeiten nicht länger mit Nadim zusammen.

In einer Medienrunde im Mai reagierte Nadim empfindlich auf Nachfragen: "Wenn ihr mich mobben wollt, rede ich nicht mit euch", soll die Offensivspielerin zu Journalisten gesagt haben. Nationaltrainer Lars Söndergaard hatte es schließlich zur Bedingung gemacht, dass sich Nadim zu ihrer Rolle äußert, wenn sie für den EM-Kader nominiert werden wolle. Auch, um Ruhe in die Angelegenheit zu bringen.

"Ich weiß nicht, für wen Sie mich halten. Ich bin nicht Donald Trump", sagte Nadim der Boulevardzeitung Ekstra Bladet während der Vorbereitung im Juni. "Ich bin auch nicht Mette Frederiksen. Eines Tages kann ich vielleicht Premierministerin werden, aber jetzt bin ich es nicht." Sie habe versucht, ihr Engagement von der Politik zu trennen, äußerte sie zu ihren Beweggründen. Natürlich sei nicht alles in bester Ordnung in Katar. Aber sie wolle darauf hinwirken, dass sich Dinge verbessern, und dabei könne die WM helfen.

"Ich habe nicht das Gefühl, dass die Spielerinnen ein Problem damit haben, dass Nadia kommt": Die frühere Wolfsburgerin Pernille Harder versucht, Ruhe in die Diskussion um Mitspielerin Nadia Nadim zu bringen. (Foto: Andrea Staccioli /Insidefoto/Imago)

"Wir haben im Kader nicht so viel darüber gesprochen, dass sie Botschafterin der WM in Katar ist", wurde Harder, die sich mit ihrer Lebensgefährtin Magdalena Eriksson gegen Homophobie einsetzt, von der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt DR während des Trainingslagers zitiert. "Ich habe nicht das Gefühl, dass die Spielerinnen ein Problem damit haben, dass Nadia kommt." Ihre Enttäuschung hatte sie zuvor dennoch geäußert: "Ich hätte das nicht gemacht." Die frühere Wolfsburgerin hatte wohl ein internes Gespräch angeregt, zu dem es dann aber nicht kam, um die Angelegenheit nicht noch größer zu machen.

Zur EM hat Nationaltrainer Söndergaard auf die nun umstrittene hundertmalige Nationalspielerin dennoch nicht verzichten wollen, auch wenn sie nach einem Kreuzbandriss keine Hauptrolle einnehmen dürfte. 2017 gegen Deutschland war es Nadia Nadim, die kurz nach der Halbzeit den Ausgleich erzielte und Dänemark zurück ins Spiel brachte.

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