Sieben Kurven in der Formel 1:Flüche fliegen durch den Boxenfunk

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(Foto: Steven Tee/Imago)

Charles Leclerc schimpft über Ferrari und seine Strategie, Mick Schumacher bekommt mahnende Worte zu hören und Sergio Pérez platzt vor Stolz. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Anna Dreher, Monte-Carlo

Sergio Pérez

(Foto: Clive Rose/Getty Images)

Für was würde er sich entscheiden? Einen Bauchplatscher? Einen Kopfsprung? Seitliches Kippen? Rückwärts fallen? Wer in einem Red Bull in Monaco gewinnt, hüpft traditionell in den Pool der Teamhospitality. Nun also Sergio Pérez. Er entschied sich für einen Salto. Der 32-Jährige war bei der Zeremonie sichtlich gerührt, sprach nach seinem dritten Formel-1-Sieg von einem wahrgewordenen Traum und der Bedeutung dieses Erfolgs über die persönliche Ebene hinaus: "Ich bin der einzige mexikanische oder sogar lateinamerikanische Fahrer im Starterfeld", sagte er. "Das zeigt, wie schwierig es für uns ist, es in den Sport zu schaffen." Darauf sei er sehr stolz.

Ob er der Gewinner bleiben würde, entschied sich jedoch erst spät. Ferrari hatte Protest eingelegt, weil beide Red Bull bei ihrem je zweiten Boxenstopp die Linie an der Ausfahrt überfahren hatten. Um 21.35 Uhr kam die Mitteilung der Stewards: Pérez bleibt Erster, Max Verstappen Dritter. Der Mexikaner ist nun Dritter in der Gesamtwertung, 15 Zähler Rückstand auf den führenden Verstappen (125). Im Freudentaumel wurde er dabei ertappt, wie er sich zu seinem Vertrag verplapperte, er habe zu früh unterzeichnet. In der Pressekonferenz sagte Pérez: "Ich meinte die Champagner-Flasche." Gelächter vor allem bei Teamkollege Verstappen.

Carlos Sainz

(Foto: Andrej Isakovic/AFP)

Carlos Sainz konnte nicht direkt reden. Er musste erst durchschnaufen, bis er nach dem Rennen auf die Fragen des Ex-Formel-1-Fahrers David Coulthard antworten konnte. "Es hat sich angefühlt, als hätten wir alles getan, was wir tun mussten", sagte der Spanier schließlich. "Eine furchtbare Runde hinter einem überrundeten Auto hat mich heute den Rennsieg gekostet. Also kannst du sicher meine Frustration verstehen."

Nachdem sich der Ferrari-Pilot gegen den Rat seines Teams für Slicks und gegen einen Wechsel auf Intermediate-Reifen entschieden hatte, weil er warten wollte, bis es trocken genug war, führte Sainz das Rennen an. Von der Strategie an sich war er überzeugt. Nur: Nach dem Boxenstopp verlor er wertvolle Zeit hinter Nicholas Latifi im langsameren Williams. Sergio Pérez konnte das kurz darauf nach seinem Boxenstopp dafür nutzen, sich an die Spitze zu bringen. Für Sainz gab es kein Vorbeikommen am Red Bull. Und so erhielt er zwar zum vierten Mal im siebten Saisonrennen eine Trophäe - auf seinen ersehnten ersten Formel-1-Sieg muss er aber weiter warten.

Max Verstappen

(Foto: Clive Rose/Getty Images)

Max Verstappen hatte bisher eine beeindruckende Bilanz: Jedes Rennen, das er in dieser Saison beendet hat - zweimal fiel er aus - konnte er gewinnen. Monaco bildet mit Platz drei eine Ausnahme, aber der Weltmeister war trotzdem bester Laune. Auf der Pressekonferenz lachte er viel und scherzte. Verständlicherweise. Er war als Vierter gestartet und als Dritter ins Ziel gekommen. Damit hat er den Vorsprung auf Charles Leclerc in der Gesamtwertung auf neun Punkte ausgebaut: "Das hätte ich letzte Nacht nicht erwartet."

Der Regen und die damit verbundenen Reifenwechsel eröffneten ihm neue Chancen, hinzu kam die Souveränität seines Teams. Die Zeitpunkte der Boxenstopps waren gut gewählt. "Heute ging es wirklich um die Strategie und darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen", sagte Verstappen. "Und ich muss sagen, das Team war sehr entspannt und auf der Höhe. Es gab keine Zweifel. Das war gute Arbeit."

Am Samstag war der Niederländer gefragt worden, ob er einen Regentanz aufführen werde. "Das werde ich machen", sagte er. "Ich brauche das jetzt natürlich." Wenige Minuten vor dem eigentlichen Rennstart prasselte es vom Himmel herunter - und der Grand Prix nahm einen für Verstappen günstigen Lauf.

Charles Leclerc

(Foto: Andrej Isakovic/AFP)

Charles Leclerc war auf dem besten Weg, bei seinem Heimrennen endlich zu reüssieren, nachdem er hier in der Königsklasse noch nie ins Ziel gekommen war. Es sah ganz nach Platz eins aus, trotz Regenchaos. Aber dann kostete ein Strategiefehler den 24-Jährigen den Sieg. Ferrari reagierte zu spät auf die abtrocknende Strecke. Pérez überholte den Monegassen sprichwörtlich in der Box durch einen früheren Stopp auf Intermediates. Ferrari ging anschließend volles Risiko und holte nur drei Runden später seine beiden Fahrer rein, um ihnen Trockenreifen zu geben. Im Falle von Leclerc war dies offenbar so nicht beabsichtigt - der Monegasse war allerdings schon in die Boxengasse abgebogen, als sein Renningenieur ihm zurief, auf der Strecke zu bleiben. "Was verdammt noch mal machen wir da?", fluchte Leclerc im Funk. Schon vor einer Woche in Barcelona kostete ihn ein Motorschaden den Sieg.

"Ohne Worte. Die Saison ist lang, aber so etwas können wir nicht machen", funkte er an sein Team und sagte später: "Das war heute eine verdammte Katastrophe. Der Sieg lag klar in unserer Hand, wir hatten die Leistung, wir hatten alles." Er könne die Entscheidungen nicht verstehen und brauche Erklärungen, zudem kritisierte er die Kommunikation. So ein Resultat tue hier "besonders weh". Ferrari-Teamchef Mattia Binotto gestand Fehler ein, bei Einschätzungen und Entscheidungen. Für die Analyse bleiben der Scuderia nun bis zum Großen Preis von Aserbaidschan zwei Wochen Zeit.

Mick Schumacher

(Foto: Steven Tee/Motorsport Images/Imago)

Vor dem Grand Prix ging es bei Mick Schumacher darum, wann er endlich erstmals Punkte in der Formel 1 holen wird. Dass dies in Monaco, wo das überholen äußerst schwer ist, eher nicht passieren würde, war klar - und dann auch überhaupt nicht mehr wichtig. Der 23-Jährige verunfallte heftig, sein Haas zerbrach dabei in zwei Stücke, überall lagen Trümmer auf der Strecke. Er hatte die Kontrolle über seinen Wagen verloren und war nach mehreren Drehern in die Bande gekracht. Schumacher gab schnell Entwarnung und sagte später, der Crash sei ein "bisschen ärgerlich", er habe sich ein "bisschen verschätzt".

Für den Deutschen ist es der dritte Unfall in der erst sieben Rennen langen Saison gewesen. Ende März in Saudi-Arabien war er in der Qualifikation mit mehr als 200 km/h in die Streckenbegrenzung gedonnert. Auch hier war sein Auto ein Totalschaden und die Bestürzung groß bis klar war, dass er selbst unverletzt blieb. In Miami kollidierte er mit Sebastian Vettel. Von Haas-Teamchef Günther Steiner gab es nun mahnende Worte: "Es ist nicht sehr befriedigend, wieder einen großen Crash zu haben. Wir müssen sehen, wie wir von hier aus vorankommen." Vettel, der zweite Deutsche im Feld, holte als Zehnter einen Punkt.

George Russell

(Foto: Sebastien Bozon/AFP)

George Russell bleibt Mister Beständig. Zum siebten Mal in sieben Rennen ist der 24-Jährige unter den besten fünf ins Ziel gekommen. Als Einziger hat er in jedem Grand Prix 2022 punkten können und trägt somit entscheidend dazu bei, dass Mercedes hinter Red Bull (235 Punkte) und Ferrari (199) mit 134 Zählern Dritter in der Konstrukteurswertung ist. Zudem steht der Engländer erneut besser da als sein Teamkollege Lewis Hamilton: Der siebenmalige Weltmeister wurde Achter. "Es gab definitiv viel Positives aus diesem Rennen", bilanzierte Russell. "P5 und mehr beim nächsten Mal, denke ich."

Monte-Carlo

(Foto: Steven Tee/Imago)

Der Große Preis von Monaco war zuletzt auf eine Art Gesprächsthema, wie es den Gastgebern weniger gefallen haben dürfte. Es ist viel darüber geredet worden, ob dieser traditionsreiche Grand Prix - seit 1955 fester Bestandteil der Formel 1 - im Kalender bleiben sollte. Dieses Jahr endet der Vertrag. Die Fahrer schwärmen zwar von der einzigartigen Herausforderung der engen Strecke, die den Zuschauern für gewöhnlich aber selten beste Unterhaltung bietet. Derzeit wirkt es nicht, als würde das besondere Flair mit viel Glamour und Geschichte reichen. Monte-Carlo hat inzwischen seine Ausnahmestellung verloren.

Dass die Königsklasse weltweit boomt, macht die Verhandlungsposition nicht gerade leichter, zumal Monaco Sonderrechte genossen und eine geringere Antrittsgebühr bezahlt haben soll. Inwieweit dieser Sonntag die Position des Fürstentums gestärkt hat, bleibt abzuwarten. Dass dieses Rennen durchaus ereignisreich sein kann, wurde jedenfalls unter Beweis gestellt.

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