Formel 1:Der Rebell muss gehen

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Günther Steiner war von 2016 bis 2024 Chef des Formel-1-Teams des US-Unternehmers Gene Haas. Nun übernimmt Ayao Komatsu seine Aufgabe. (Foto: Dan Istitene/Getty Images)

Mit der Entlassung von Günther Steiner verliert der US-Rennstall Haas nicht nur seine Stimme, sondern auch sein Herz. Der Teamchef war mehr als der öffentliche Poltergeist - am Ende aber ist die Formel 1 gnadenlos.

Von Elmar Brümmer

Es ist ein Formel-1-Rekord für die Ewigkeit. Neunmal in nur 30 Sekunden das amerikanische Schimpfwort für verdammt in die Mikrofone zu sagen, das hat Günther Steiner eine unheimliche Popularität verschafft, und der Netflix-Serie Drive to survive gleich mit. Ein Südtiroler, der einen in North Carolina ansässigen Rennstall mit geliehenen Ersatzteilen von Ferrari in die Königsklasse des Motorsports bringt, das war eine der guten Geschichten in der Formel 1. Jedenfalls bis die Ergebnisse dauerhaft zu schlecht waren.

50 Tage vor dem Start in die neue Grand-Prix-Saison hat das Haas-Team den Vertrag von Steiner still auslaufen lassen. Besitzer Gene Haas, Hersteller von Präzisionswerkzeugen, hat stattdessen den leitenden Techniker Ayao Komatsu auf den Chefposten gesetzt. Damit solle die Ingenieurskunst ins Herzen des Teams zurückkehren, lässt Haas auf eine für ihn unbekannte poetische Weise ausrichten.

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Diese ewige Klein-Krämerei hat schon seit Längerem zu Spannungen zwischen Haas und Steiner geführt und nun zum überraschenden Bruch. Das Modell, lediglich das Chassis-Design selbst zu übernehmen, ist die Mindestanforderung an einen Formel-1-Konstrukteur. So war das Leasinggeschäft zunächst ein cleverer Trick, der 2016 für den schnellen Ein- und Aufstieg sorgte, zuletzt aber den rasanten Abstieg beschleunigte. Denn eigene Weiterentwicklungen während der Saison gab es entweder gar nicht, oder sie gingen wie im vergangenen Herbst gründlich schief. Mick Schumacher kostete der Stillstand einen besseren Karrierestart, Nachfolger Nico Hülkenberg etliche WM-Punkte.

Steiner schaffte es mit seiner rauen Art selbst aus Frustration noch Motivation herauszupressen

Günther Steiner war mehr als der öffentliche Poltergeist, er kennt alle Mechanismen des Motorsports. Längst hatte er begriffen, dass Haas nur nach vorn kommen kann, wenn der Besitzer kräftiger investiert - wie es die Hinterbänkler um ihn herum verstärkt und erfolgreich taten. Immerhin hatte Steiner selbst sogar einen Hauptsponsor an Land gezogen. Nutzte alles nichts, Geschäftsmann Haas wollte weiter auf Sparflamme rollen, für ihn ist die Formel 1 dank des weltweiten Booms immer noch ein Geschäft.

Mit Steiner verliert das Schlusslicht aber nicht nur seine Stimme, sondern auch sein Herz. Der 58-Jährige schaffte es, mit seiner rauen Art selbst aus Frustration noch Motivation herauszupressen. Zu seinem eisernen Prinzip gehörte: Wer keine Leidenschaft mitbringe im Motorsport, der solle besser in einer Bank arbeiten. Über den Kommandostand des Miniatur-Rennstalls hinaus hat er in der Boxengasse das für die Wirkung der ganzen Serie nicht unwichtige Element des Rebellen gespielt, war manchmal unkorrekt, manchmal auch peinlich. Das Publikum hat ihn geliebt dafür, das abstrakte Wörtchen authentisch hatte ein markantes Gesicht bekommen. Am Ende aber ist die Formel 1 gnadenlos, fürs Image gibt es keine Punkte, so sehr Netflix das bedauern mag.

Haas könnte ohne den Charakter noch blasser werden - und nachdem auch Ferrari-Routinier Simon Resta gegangen ist, vermutlich zudem nicht so schnell erfolgreicher. Eine zufällige, aber große Inszenierung hat ihr abruptes Ende gefunden. Günther Steiner hinterlässt seinem Nachfolger einen nachdenklichen Satz: "Ich versuche mein Bestes, aber ich kann aus einem schlechten Auto kein gutes Auto machen."

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