Daniel Ricciardo in der Formel 1:Er lächelt, was bleibt ihm auch sonst übrig?

Lesezeit: 3 min

Ausfahrt ins Ungewisse: Seit dieser Woche ist die Zukunft von Daniel Ricciardo in der Formel 1 offiziell ungewiss, in den nächsten Rennen dreht er letzte Runden für McLaren. (Foto: Dan Mullan/Getty Images)

Daniel Ricciardo wird McLaren vorzeitig verlassen - damit ist der Weg theoretisch frei für das begehrte Talent Oscar Piastri. Doch entscheiden könnten am Ende die Juristen.

Von Anna Dreher, Spa-Francorchamps

Niemand, sagte Daniel Ricciardo, habe eine perfekte Karriere. Er lächelte, wie er es so oft tut, und bemühte sich um Optimismus. Was blieb ihm auch sonst übrig? "Das ist eine andere Herausforderung. Das Feuer, der Glaube, ist immer noch in mir", stellte er klar. Gerade jedenfalls sei viel Gewicht von seinen Schultern abgefallen: "Ich kann mich aufmuntern. Manchmal musst du akzeptieren, dass du es versucht hast und es nicht geklappt hat." Der achtmalige Grand-Prix-Sieger saß auf der Pressekonferenz in Spa und musste vor dem ersten Rennen der Formel 1 nach der Sommerpause Fragen beantworten, die ihm, wie der Anlass der Fragen, zu schaffen machten. Das war trotz seines Lächelns zu spüren.

In dieser Woche wurde offiziell, worüber schon lange spekuliert worden war: Ricciardo wird McLaren vorzeitig nach dem Ende dieser Saison verlassen, sein über drei Jahre bis 2023 geltender Vertrag wird aufgelöst. Vor dem Großen Preis von Belgien verschickte der Rennstall eine Pressemitteilung, in einer Videobotschaft meldete sich der Australier etwa zur gleichen Zeit selbst zu Wort. Beide Seiten hätten sich bemüht, aber es habe nicht gepasst: "Deshalb hat sich das Team entschieden, für das nächste Jahr eine Änderung vorzunehmen." Seine Enttäuschung konnte er kaum verbergen: "Wir hatten viele Diskussionen, aber am Ende waren wir uns einig, dass das richtig ist für uns beide."

Formel 1
:Roter Teppich für Porsche und Audi

Halb elektrisch, halb betrieben mit klimaneutralem Benzin: Die Formel 1 hat die Spezifikationen des zukünftigen Motors festgelegt. Sie erfüllen die Kernforderungen der VW-Töchter - nun scheint sogar ein Eintritt von Audi in die Rennserie sicher zu sein.

Von Max Hägler und Philipp Schneider

Am Mittwochnachmittag äußerten sich auch McLaren-Besitzer Zac Brown und Teamchef Andreas Seidl. Dass Ricciardo 2021 in Monza vor seinem Garagenkollegen Lando Norris den ersten Sieg für McLaren seit 2012 holte, werde er nie vergessen, sagte Seidl. Brown würde Ricciardo gerne irgendwie halten und denkt dabei an Serien wie IndyCar, Extreme E und die Formel E, wo McLaren entweder bereits fährt oder bald fahren wird. Ricciardo sei ein Freund der Familie und werde das immer sein: "Wir sind Daniel-Ricciardo-Fans." Überhaupt lobten die beiden führenden Köpfe ihren künftigen Ex-Fahrer in hohen Tönen, sodass man sich fragen konnte: Ja, wieso wollt ihr ihn denn überhaupt loswerden, wenn er doch so toll ist?

Piastri gab Alpine einen Korb. Wenn der Poker nicht aufgeht, könnte er ohne Cockpit dastehen

Ricciardo selbst wäre gerne geblieben. Ginge es allein um eine tolle Atmosphäre am Arbeitsplatz, müsste er sicher nicht gehen. Das Problem dieser Liaison zwischen dem britischen Rennstall und dem 33-Jährigen lag vielmehr darin: Mensch und Maschine passten nicht wie erhofft zusammen. Der einst so hochgehandelte Fahrer hatte von Anfang an Probleme mit dem orangelackierten Wagen und fühlte sich unwohl, was deutlich wurde im Kontrast zu Norris. Der 22-Jährige, ausgestattet mit einem Kontrakt bis Ende 2025, führt den internen Vergleich regelmäßig an. Auch der Sieg von Monza brachte Ricciardo nicht den erhofften Schwung - und offensichtlich glaubten sie bei McLaren nicht mehr, dass sich das noch ändern könnte.

Mensch und Maschine passten nicht so gut zusammen, wie erhofft: Daniel Ricciardo haderte oft mit seinem McLaren - in 2021 in Monza aber gewann er. (Foto: Jennifer Lorenzini/Reuters)

"Das Ziel ist es, dass wir zwei Fahrer haben, die es immer schaffen, das Maximum aus dem Paket zu holen, das wir ihnen geben", sagte Seidl. Der gebürtige Passauer sprach nicht aus, an welchen Kandidaten er dabei dachte und will sich nicht an Spekulationen beteiligen, McLaren will sich zu gegebener Zeit in naher Zukunft zur Nachfolger-Entscheidung äußern. Die Wunschlösung ist aber längst ein offenes Geheimnis und das Team dieser durch die Trennung von Ricciardo nähergekommen: Oscar Piastri zu verpflichten. Ihm müssen sie viel zutrauen, um eine sicherlich teure Vertragsauflösung mit Ricciardo in Kauf zu nehmen, ohne zu wissen, ob er die Erwartungen erfüllen kann.

Losgetreten hat das Ganze Sebastian Vettel mit seinem Karriereende

Piastris Talent ist unbestritten. Auf Anhieb gewann er die Nachwuchsklassen Formel 3 und Formel 2, bevor er 2022 Reservefahrer bei Alpine wurde, jenem Rennstall, der ihn nicht zuletzt mit kostspieligen Testfahrten gefördert hat - und für nächste Saison befördern wollte. Doch das Angebot zum Aufstieg lehnte der 21-Jährige derart entschieden ab, dass er sich einer besseren Alternative sehr sicher gewesen sein muss: "Ich habe keinen Vertrag mit Alpine für 2023 unterschrieben", teilte er Anfang August auf Twitter mit und hinterließ verbrannte Erde mit seinem Schlusssatz: "Ich werde nächstes Jahr nicht für Alpine fahren."

(Foto: HochZwei/Imago)

Dann also für McLaren? Die Entscheidung dürfte am Ende eine juristische sein. Für Alpine geht es auch um Kompensationszahlungen in Höhe von Millionen, die das Team in Piastri investiert hat. Wenn es in den Vereinbarungen zwischen den Parteien nicht wirklich eine Ausstiegsmöglichkeit für den Australier gibt - die sein Umfeld um seinen Manager und früheren Formel-1-Fahrer Mark Webber gesehen haben muss -, dürfte die ohnehin schon zu einer unvergesslichen Posse gewordene Geschichte womöglich weitere skurrile Züge annehmen. Wenn sich Piastri verzockt haben sollte, könnte er theoretisch im für ihn schlimmsten Fall ohne Cockpit dastehen, wenn er nicht woanders hin wechseln kann und Alpine sich nach seinem jüngsten Auftritt querstellt.

Wie es hier weitergeht, beschäftigt die Formel 1 nicht allein wegen der Sache selbst, sondern auch wegen den damit verbundenen Entscheidungen im Fahrerkarussell. Losgetreten hatte das Ganze Sebastian Vettel mit seinem Karriereende, wodurch Fernando Alonso von Alpine zu Aston Martin wechseln konnte. Dadurch ist diese Option für Mick Schumacher vom Tisch, dessen Zukunft offen ist und der bei Haas auf eine Vertragsverlängerung wartet.

Und was macht nun Ricciardo? Kehrt er zurück zu Alpine, wo er vor seinem Wechsel zu McLaren fuhr? Geht er zu einem anderen Team? Legt er eine Pause ein? In jedem Fall, sagte Ricciardo, werde er Oscar Piastri unterstützen, das sei schließlich ein australischer Landsmann.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ferrari in der Formel 1
:Niesen und Schnäuzen in Maranello

Ferraris Reifen-Debakel auf dem Hungaroring zeigt im Kleinen, woran es dem Team im Großen fehlt: Übersicht, Aufmerksamkeit, Absprachen. In sieben der vergangenen acht Rennen hat sich die Scuderia um den WM-Titel gebracht.

Von Philipp Schneider;

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: