Formel 1 in Australien:Carlos Sainz fährt vom Krankenbett zum Sieg

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Ohne Blinddarm, dafür mit seinem dritten Sieg: Ferrari's Carlos Sainz Jr feiert im Albert Park Circuit in Melbourne. (Foto: Martin Keep/AFP)

Max Verstappen fällt in Melbourne früh mit einem Bremsschaden aus, erstmals seit zwei Jahren. Das nutzen Carlos Sainz und Charles Leclerc für einen Ferrari-Doppelerfolg. Dabei wurde Sainz erst kürzlich operiert.

Von Anna Dreher

Im Hochgeschwindigkeitssport Formel 1 kann immer etwas passieren, so ganz sicher konnte sich Carlos Sainz also nicht sein. Als noch drei der insgesamt 58 Runden des Großen Preis von Australien zu fahren waren, meldete der Spanier sich im Boxenfunk mit Reifenproblemen. Was für ein Drama würde jetzt folgen? Nach einem bis dahin so grandiosen Rennen für ihn? Nachdem der sonst dominierende amtierende Weltmeister Max Verstappen überraschend früh ausgeschieden war? Der Ferrari von Sainz schnurrte weiter über den Albert Park Circuit von Melbourne. Aber große Aufregung gab es dennoch.

Es fehlte nicht mehr viel bis zum Rennende, als George Russell im letzten Durchlauf die Kontrolle über seinen Mercedes verlor. Der Engländer kam vor Kurve 6 zu nah an den Aston Martin von Fernando Alonso, dadurch riss der Anpressdruck ab, Russell steuerte auf einen Reifenstapel zu, landete im Kiesbett und stellte sich, zurück auf der Strecke, quer. Der Crash sah spektakulär aus und demolierte das Auto ordentlich - Russell blieb nach ersten Informationen glücklicherweise unverletzt. Das Rennen konnte trotzdem unter virtueller Safety-Car-Phase direkt beendet werden.

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In Melbourne gelten die Ahs und Ohs den beiden Australiern Oscar Piastri und Daniel Ricciardo. Der eine wird gehandelt als enormes Talent, der andere muss um sein Cockpit bangen. Sie stehen auch für den Generationenkonflikt der Formel 1.

Von Elmar Brümmer

Und dann, tatsächlich, konnte sich Sainz sicher sein: Nach Großbritannien 2022 und Singapur 2023 holte er in Melbourne 2024 den dritten Sieg seiner Formel-1-Karriere. Und das gut zwei Wochen nach einer Blinddarm-Operation. "Das Leben kann eine Achterbahn sein", jubelte er noch im Auto. Das beschrieb seinen Start in dieses Jahr ganz gut. Erst wurde bekannt, dass er kommende Saison bei der Scuderia vom siebenmaligen Weltmeister Lewis Hamilton abgelöst wird und sich ein neues Cockpit suchen muss. Dann fuhr er beim Saisonstart in Bahrain auf Platz drei, fiel in Saudi-Arabien wegen der OP aus, verbrachte viel Zeit im Krankenhaus - und nun dieser Sieg, der noch dazu ein Doppelerfolg war. Der erste für Ferrari seit Bahrain 2022.

Denn Zweiter wurde sein Teamkollege Charles Leclerc, der sich auch die schnellste Rennrunde schnappte, dahinter folgte Lando Norris im McLaren. Vierter wurde dessen Teamkollege Oscar Piastri. Nico Hülkenberg, einziger deutscher Stammpilot, fuhr im Haas als Neunter über die Ziellinie und holte damit zum zweiten Mal dieses Jahr Punkte. "Der Doppelsieg zeigt, dass die harte Arbeit sich auszahlt", sagte Sainz vor der Siegerehrung. "Das Leben ist manchmal verrückt." Und er sprach amüsiert eine medizinische Empfehlung in Sachen Wurmfortsatz aus: "Ich werde allen Fahrern empfehlen, ihn diesen Winter herauszunehmen."

Die Gesamtwertung führt Verstappen mit 51 Punkten nach wie vor an, Leclerc holt auf und kommt nun auf 47 Zähler. Dritter ist Sergio Perez im zweiten Red Bull (46), Sainz Vierter (40). Der Grand Prix von Melbourne hat die WM also zumindest für den Moment wieder spannender gemacht - ob der Farbwechsel auf dem Podium nachhaltiger Art sein wird, muss sich erst zeigen. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um einen technisch bedingten Ausrutscher handelte.

Statt seinen saisonübergreifend zehnten Sieg zu feiern, fällt Verstappen erstmals seit zwei Jahren wieder aus

Auch in der Qualifikation hatte es zunächst danach ausgesehen, als könnten die vordersten Parkbuchten beide von Rot belegt werden. Ferrari fuhr schneller und konstanter. Aber im dritten, entscheidenden Durchgang drehte Red Bull richtig auf - und Verstappen ergatterte die 35. Pole Position seiner Formel-1-Karriere. Perez absolvierte die Runde als Drittschnellster, wurde jedoch auf Startplatz sechs strafversetzt. Das Rennen beendete er als Fünfter. Ferrari blieb durch Sainz' gelungener Fahrt in der ersten Reihe. Leclerc rückte durch die Perez-Strafe auf Startplatz vier vor. "Die dachten, die schlagen uns. Dann ist die Ernüchterung umso größer", sagte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko bei Sky, als er noch nicht ahnen konnte, welche Wendung das Wochenende nehmen würde.

Für das dritte von 24 Saisonrennen waren also alle gewarnt vor einer Fortsetzung der Verstappenschen Siegesserie - und auf den ersten Metern deutete sich an, dass es so weit kommen könnte. Sainz versuchte, auf dem 39 Grad erwärmten Asphalt gleich beim Start am Red Bull vorbeizukommen. Aber der Weltmeister war zu schnell und rauschte gewohnt abgebrüht davon. Üblicherweise hätte der 26-Jährige jetzt Runde um Runde den Abstand vergrößert. Aber schon in der zweiten Umdrehung konnte Sainz plötzlich doch überholen. Hoppla!

Da war nichts mehr zu machen: Max Verstappen muss seinen qualmenden Red Bull vorzeitig an der Garage abstellen. (Foto: Scott Barbour/Reuters)

Aber der Schub des Ferraris lag nicht allein am abgeklappten Heckflügel dank sogenanntem DRS-Modus zur Reduzierung des Luftwiderstands. "Ich habe das Auto gerade verloren, wirklich seltsam", funkte Verstappen an seine Ingenieure und gab weitere Probleme durch, bevor in der vierten Runde klar war: Die Angelegenheit ist ernst. "Es raucht, Feuer! Feuer!", meldete der Niederländer. Hinten rechts qualmte es aus seiner Aufhängung heraus und schon bald zog er eine Wolke hinter sich her, der RB20 wurde langsamer und langsamer, ein Konkurrent nach dem anderen kam in den seltenen Genuss, vorbeizufahren am sonst so überlegenen Auto.

Als Verstappen im Schneckentempo in die Boxengasse abgebogen war, gab es eine Explosion inklusive Flamme. Vor seiner Garage dann stürzten sich die Mechaniker direkt mit Feuerlöschern auf dem Brandherd. Statt seinen saisonübergreifend zehnten Sieg zu feiern, stieg Verstappen aus. Letztmals war er vor zwei Jahren ausgefallen - ebenfalls in Melbourne. Damals stoppte ihn ein Benzinleck, nun war es die Bremse. Später beschrieb Verstappen: "Es war, als würde man mit angezogener Handbremse fahren." Dieses Rennen war für den Titelverteidiger vorbei, bevor es wirklich begonnen hatte. Und Verstappen war sauer. Im Austausch mit einem Ingenieur zeigte er mit seinem Zeigefinger den Vogel und man musste nicht professionell Lippenlesen, um Verstappens Zwischenfazit zu verstehen: "Dumm!"

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Der Dominator war raus - wer würde an diesem Sonntag seinen Platz einnehmen? Der Führende machte Ferrari Hoffnung: "Lasst uns die Lücke jetzt öffnen, das Auto fühlt sich wirklich gut an." Die ersten wechselten die Reifen - und dann gab es den nächsten Ausfall, ohne, dass es krachte. Wieder war ein Weltmeister involviert.

Der Mercedes von Lewis Hamilton wollte nicht mehr, wie er sollte, bis er in der 17. Runde rechts ran tuckerte, um sein Auto an einer ungefährlichen Stelle auf dem Rasenstreifen abzustellen. Der siebenmalige Weltmeister gab einen Motorschaden als Ursache durch. In Melbourne hatte bei den Silberpfeilen schon die ganze Zeit Unzufriedenheit geherrscht. "Diese Unbeständigkeit im Auto bringt einen ganz durcheinander", hatte Hamilton bereits vor dem Start offenbart. Am Ende war durch den Crash von Russell kein einziger Punkt für Mercedes drin - ein Wochenende zum Vergessen.

Auch Hamiltons Ausfall löste ein virtuelles Safety-Car aus. Sprich: Für alle Fahrer wurde eine bestimmte Rundenzeit vorgegeben, der Abstand zwischen ihnen blieb also weitgehend gleich, es durfte nicht überholt werden. Das bot eine günstige Gelegenheit zum Boxenstopp, durch die jedoch vorne nichts wirklich durcheinander geriet. An der Spitze fuhr Sainz unbeirrt weiter, nach 28 von insgesamt 58 Runden hatte er sich fünf Sekunden Vorsprung vor Leclerc herausgefahren. Dieser verlor zwischendurch beim Reifenwechsel Positionen, die er jedoch auf frischen Pneus wiedergutmachte - und auch Sainz gefährdete seine Führung durch einen kurzen Zwischenstopp nicht. Sein Vorsprung betrug mehr als sieben Sekunden, als der Madrilene zurück auf die Strecke kam. Am Ende waren es noch 2,366 Sekunden, aber das war dann auch egal. Carlos Sainz hatte durchgehalten und sich belohnt.

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