DFB-Skandal:Tag der Wahrheit für den DFB

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Da war die Welt noch in Ordnung: Das DFB-Komitee für die WM 2006, von links: Horst R. Schmidt, Franz Beckenbauer, Fedor Radmann, Wolfgang Niersbach. (Foto: Rolf Haid/dpa)
  • Knapp ein halbes Jahr nach Bekanntwerden der Affäre um die WM 2006 wird an diesem Freitag eine erste Aufklärung durch die externen Freshfields-Ermittler erwartet.
  • Die wichtigsten Fragen und Antworten zur DFB-Affäre gibt es hier im Überblick.

Das Endspiel in der DFB-Affäre findet gewissermaßen auf neutralem Platz statt: In einem Hotel in Frankfurt stellen die Ermittler der Wirtschaftskanzlei Freshfields ihren Bericht zur Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland vor. Auftraggeber: der Deutsche Fußball-Bund (DFB), seit Monaten gebeutelt von der Frage, ob die WM gekauft war oder nicht. Und wann welcher Funktionär wovon wusste.

Was ist der Kern der Affäre?

Eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro steht im Zentrum. Diese Zahl nannte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner Ausgabe vom 16. Oktober 2015. Sie wurde vom DFB in einer Pressemitteilung bestätigt. Es gibt kaum noch Zweifel daran, dass der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus dieses Geld für die deutschen WM-Macher an die Finanzkommission des Weltverbands Fifa überwies - vermutlich im Jahr 2002. Franz Beckenbauer unterschrieb seinerzeit als Chef des Organisationskomitees (OK) einen Schuldschein, sein Manager Robert Schwan hatte den Kontakt zu Louis-Dreyfus hergestellt. Der Franzose forderte und bekam sein Geld 2005 über ein Fifa-Konto wieder zurück. Allerdings verschleierte das OK diese Zahlung und deklarierte sie als Beitrag zu einer WM-Gala, die nie stattfand. Im Zuge der Ermittlungen durch die Kanzlei Freshfields kam heraus, dass der DFB Hinweise auf dubiose Geschäfte im Zuge der WM-Vergabe systematisch vertuscht hat.

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Was ist mit den 6,7 Millionen Euro passiert?

Das ist noch immer unklar. Die Darstellung von Beckenbauer, Wolfgang Niersbach und anderen Offiziellen ist: Das WM-OK brauchte von der Fifa einen Organisationszuschuss von 170 Millionen Euro, um die WM finanzieren zu können. Die 6,7 Millionen waren demnach eine Art Absicherung, eine Provision. Warum sich das OK das Geld bei Dreyfus und nicht bei einer Bank lieh? Unklar.

Und es bleibt die große Frage: Was haben die Fifa-Finanzkommission und ihr damaliger Chef Mohamed bin Hammam mit den 6,7 Millionen gemacht? Der lebenslang gesperrte Funktionär aus Katar war seinerzeit noch ein Unterstützer des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter. Eine These ist folglich, dass das deutsche Geld in den Blatter-Wahlkampf des Jahres 2002 floss. Eine weitere Theorie ist immer noch: Mit dem Geld wurden nachträglich Wahlmänner der Fifa bezahlt, die im Sommer 2000 über die Vergabe der WM abstimmten. Das würde bedeuten: Die Weltmeisterschaft 2006 war gekauft.

Warum ist Wolfgang Niersbach als DFB-Präsident zurückgetreten?

Wolfgang Niersbach gab am 22. Oktober eine denkwürdige Pressekonferenz. Er wollte Aufklärung betreiben, aber in Erinnerung blieb der Auftritt, weil Niersbach auf fast alle relevanten Fragen keine Antworten geben konnte. Als DFB-Präsident trat er aber erst am 9. November zurück. Da tauchte im DFB-Archiv ein Vertragsentwurf zwischen dem Deutschen Fußball-Bund und dem notorisch korrupten früheren Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner auf - unterschrieben von Franz Beckenbauer.

Die Interimsnachfolger von Niersbach, Rainer Koch und Reinhard Rauball, werten diesen auf einen Tag kurz vor der WM-Vergabe datierten Vertrag zumindest als Bestechungsversuch. Die Abmachung sollte Warner unter anderem 1000 WM-Tickets der teuersten Kategorie einbringen, die einen Weiterverkaufswert von mehreren Hunderttausend Dollar hatten. Sehr wahrscheinlich trat der Vertrag aber nie in Kraft. Fedor Radmann nannte das Papier "eine Art Beruhigungsvertrag".

Wem drohen noch Konsequenzen?

Gegen Niersbach und die früheren OK-Mitglieder Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt wird wegen des Verdachts der "Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall" ermittelt. Sie haben jene Steuererklärung zu verantworten, in der die Rückzahlung der 6,7 Millionen falsch deklariert wurde. Niersbach sitzt immer noch in den Exekutivkomitees der Fifa und der Uefa. Er könnte auch diese Posten verlieren. Dazu drohen den Protagonisten der WM-Affäre auch Schadensersatzforderungen durch den DFB. Diese Möglichkeit hat sich der Verband absichern lassen. Sollte der DFB im Zuge der Steuerermittlungen seine Gemeinnützigkeit für 2006 verlieren, könnten sich eine Strafzahlung und Steuernachzahlungen inklusive Zinsen und Zinseszinsen am Ende zu einem Schaden von 25 Millionen Euro addieren. Auch gegen Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger gibt es Vorwürfe. Seine Handschrift findet sich auf einer Notiz, mit der der wahre Grund der 6,7-Millionen-Euro-Zahlung offenbar verschleiert werden sollte.

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Franz Beckenbauer äußerte sich erstmals umfassend in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. "Ich habe immer alles einfach unterschrieben, ich habe sogar blanko unterschrieben", sagt der damalige OK-Präsident. Die WM 2006 habe man aber nicht gekauft. "Der Vorwurf ist falsch. Wir hatten doch gar kein Geld gehabt." Zu der Tatsache, dass der Vertrag mit Warner auf ein Datum wenige Tage vor der entscheidenden Abstimmung datiert ist, sagt Beckenbauer: "Aus heutiger Sicht sieht manches komisch aus, und einiges würde man heute auch nicht mehr so machen. Aber damals haben wir es einfach gut gemeint." Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter bezeichnete die Darstellung von Beckenbauer, die Fifa habe Geld verlangt, um einen Zuschuss zu zahlen, als "absurd".

Welche Rolle spielt das FBI?

Nach der Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelt nun auch das FBI in der Affäre um die WM 2006. Die US-Justiz, die gegen zahlreiche hohe Fifa-Funktionäre Strafverfahren wegen Korruption führt, will demnach wissen, wo die 6,7 Millionen Euro hingeflossen sind, die 2005 vom damaligen WM-Organisationskomitee an den Weltverband überwiesen wurden.

Wer wusste was zu welchem Zeitpunkt?

Das ist ebenfalls ein zentraler Punkt der Ermittlungen. In seiner denkwürdigen ersten Pressekonferenz zur WM-Affäre erklärte Wolfgang Niersbach, dass er diese Geschichte "erst seit kurzem kenne, auch immer noch nicht vollständig". Die Aussagen anderer Funktionäre widersprechen dem eindeutig, danach wusste Niersbach bereits 2012, spätestens aber im Juni 2015 Bescheid - und hat bis zur Enthüllung des Skandals niemanden im DFB-Präsidium informiert.

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