Champions League:Paris ohne Messi - ein Drama?

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Individuelle Qualität ist da, mannschaftliche Qualität muss sich noch entwickeln: Die beiden Einzelkönner Neymar (links) und Messi (rechts). (Foto: Justin Setterfield/Getty Images)

An den Resultaten gemessen ist PSG im Soll - doch die Mannschaft tritt glanzlos auf, trotz all der großen Namen. Dass Lionel Messi nun gegen Leipzig ausfällt, ist vielleicht gar kein Nachteil.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Dienstagvormittag gab Paris Saint-Germain die Zusammensetzung der 21-köpfigen Expedition bekannt, die sich auf den Weg zum Champions-League-Gruppenspiel nach Leipzig machen sollte, und siehe: Es fehlte Lionel Messi. Schon am Freitag wurde der 34-Jährige zur Halbzeit der Partie gegen den amtierenden Meister OSC Lille ausgewechselt; er klagte über muskuläre Beschwerden im Oberschenkel, die aufs Knie ausstrahlten. Paris ohne Messi - ein Drama? Wer weiß. Denn womöglich bedeutet die Absenz des sechsmaligen Weltfußballers für Trainer Mauricio Pochettino sogar ein Problem weniger. Gegen Lille reichte es auch ohne Messi noch zum 2:1-Sieg, der Argentinier hatte den Rasen bei 0:1-Rückstand verlassen.

Aber was sind schon schnöde Resultate? PSG ist an allen relevanten Fronten im Soll. In der heimischen Liga hat der Klub 31 von 36 möglichen Punkten geholt; der Zweitplatzierte OGC Nizza liegt - nach einem Abzug wegen Ausschreitungen - gleich acht Punkte zurück. In der Champions League führt man die Tabelle der Gruppe A nach drei Spieltagen ebenfalls an, mit zwar nur einem Punkt Vorsprung auf Manchester City, aber immerhin. Nur: Wer in den letzten Wochen die Zeitungen der Hauptstadt studierte, der stolperte immer wieder über die Frage, ob sich der Glanz, den Messis Zugang verhieß, nun endlich einstellen und der Argentinier zusammen mit Neymar Jr. und Kylian Mbappé schöner strahlen werde als der Eiffelturm bei Nacht.

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Die Antworten fielen bislang ernüchternd aus; und so wie am Freitag erst in letzter Minute ein Sieg gesichert wurde, war das auch im Hinspiel gegen Leipzig der Fall gewesen. "Leipzig hätte in Paris einen, wenn nicht sogar drei Punkte holen können", sagte der frühere Leipziger Trainer Ralf Rangnick vor dem Spiel am Mittwoch, und das war maximal diplomatisch formuliert. In Wahrheit hätte Leipzig in Paris gewinnen müssen. Allein schon, um die Chancen auf ein Weiterkommen zu wahren, die zwar noch vorhanden, aber eben auch bei aktuell null Punkten denkbar schlecht sind. Und um nebenher das wohl teuerste Projekt des Weltfußballs ins Wanken zu bringen. Denn auf stabilen Füßen steht es noch nicht.

Die Lage ist zwar nicht vergleichbar mit jener, die Pochettinos Vorgänger Thomas Tuchel vor ziemlich genau einem Jahr bewältigen musste: Er hatte seinerzeit fast schon wöchentlich mit einer Entlassung rechnen müssen, obschon er 2020 mit PSG das Champions-League-Finale erreichte. Aber auch Pochettino dürfte merken, dass die Lage unbehaglich wird. "Die Stunde der ersten Zweifel", raunte vor wenigen Tagen die Zeitung Le Parisien, die mit dem Ruf lebt, beste Drähte nach Katar zu unterhalten. Und dort, in Doha, sitzen die katarischen Eigner von PSG, die in letzter Instanz über alles entscheiden, was den Klub betrifft. Auch über die Frage des Trainers.

Der Kader ist fünfzig Prozent größer als normale Profibelegschaften

Dass Pochettino ein hochqualifizierter Vertreter seiner Zunft ist, hat der Argentinier zur Genüge unter Beweis gestellt. Bei Espanyol Barcelona, seiner ersten Station als Chefcoach, später auch in der Premier League, wo er - zunächst ohne Englisch-Kenntnisse - beim FC Southampton und bei Tottenham Hotspur arbeitete. Mit den Spurs erreichte er 2019 sogar das Champions-League-Finale von Madrid, er unterlag seinerzeit dem FC Liverpool von Jürgen Klopp. Nur: In Paris gehen die Uhren anders, und das bezieht sich nicht auf die unterschiedlichen Zeitzonen. Sondern darauf, dass es an jeder Ecke Kräfte gibt, die eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zur titanischen Aufgabe machen. Es gilt das Streben nach dem bislang unerreichten Ziel namens Champions League.

Die tägliche Arbeit ist schon ohne Ansehen von Namen eine Herausforderung sondergleichen: Pochettinos Kader umfasst 33 Spieler, fünfzig Prozent mehr als normale Profifußballbelegschaften. Doch wenn es nur das wäre: Pochettino kommandiert überdies ein sehr barockes Ensemble, Messi war gewissermaßen nur die Goldlegierung für einen Kader voller Edelmetall. Spieler wie Neymar oder Mbappé entfalten eine mediale Wucht, die dazu führt, dass bis in die Leutespalten der Zeitungen in Feuerland durchdringt, wenn ein Mitspieler wie Ander Herrera an der Ampel in Paris Opfer eines Diebstahls wird und um Geldbörse und Telefon erleichtert wird.

Abwehrarbeit ist nicht die Stärke der Offensivkünstler

Wie viele seiner Vorgänger beteuert zwar auch Pochettino, dass es sich bei den Spielern von PSG am Ende auch nur um normale Fußballer handelt, um eine ganz gewöhnliche Kabine. "Sie arbeiten gut", sagte er neulich im spanischen Radiosender Cope. Doch die bisherigen Saisonspiele lassen erkennen, dass es nicht einfach ist, dieser Gruppe einen Sinn fürs chorale Spiel zu vermitteln. Zu oft war zu sehen, dass die Mannschaft auseinanderfiel. Weil die Offensivkünstler lieber ihrer Berufung nachgingen als ihrem Beruf, sich eher der Inspiration denn der Transpiration verpflichtet fühlten. Oder einfacher ausgedrückt: Sie vernachlässigten die Abwehrarbeit. Bislang kassierte PSG nur in einem Drittel der Spiele kein Gegentor.

Ganz abgesehen davon, dass ein paar Ausfallzeiten langsam auffallen. Beispiel Neymar: Er kam in der vergangenen Saison auf 31 Einsätze, in der Liga verpasste er 20 von 38 Spielen. Beispiel Marco Verratti: Auch er summierte in der Vorsaison gerade einmal 31 Partien. Zurzeit ist er wieder einmal verletzt. Das hält ihn nicht davon ab, sich auffallend häufig in Diskotheken ablichten zu lassen. Derlei wird vergessen sein, wenn PSG im kommenden Sommer erstmals die Champions League gewinnen sollte, drunter machen es die Chefs in Katar nicht. Aber wahrscheinlich war es kein Zufall, dass Pochettinos Vorgänger Tuchel erst den Titel holte, als er Paris gegen London und PSG gegen den FC Chelsea eintauschen konnte.

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