FC Bayern in der Champions League:Die Powerbank ist leer

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Pure Erschöpfung nach mehr als 120 Minuten Spielzeit: Carolin Simon (am Boden) hätte mit dem FC Bayern gegen Paris das Halbfinale der Champions League erreichen können - aber zu viele Torchancen blieben ungenutzt. (Foto: Sarah Meyssonnier/Reuters)

Enttäuschung hier, Freudentränen dort: Während die Fußballerinnen des FC Bayern gegen Paris das Halbfinale der Champions League verpassen, kommt es beim Weltrekordspiel in Barcelona zu ganz großen Emotionen.

Von Anna Dreher, Paris/München

So langsam konnten sie kaum noch verbergen, dass ihnen nach und nach die Kraft ausging. Es gab zwar keine Anzeige, die über den Köpfen der Spielerinnen des FC Bayern schwebte und den aktuellen Ladezustand ihrer Akkus verriet. Aber die Hinweise häuften sich in Form von Fehlpässen und einer Defensive, die sich weniger schnell formierte, um Konter von Paris Saint-Germain geschlossen abzuwehren: Akku eher halbleer. Als am Mittwoch in diesem Viertelfinale der Champions League 104 Minuten vorbei waren, spürte Lineth Beerensteyn die fehlende Energie noch an ganz anderer Stelle. Ein Krampf in der Wade, kurz danach war klar, es ging nicht mehr weiter.

Und nun zeigte sich deutlich jenes Dilemma der Münchnerinnen, das ziemlich sicher großen Anteil daran hatte, dass sie den Einzug ins Halbfinale nach diesem 2:2 (1:1, 2:1) und der 1:2-Niederlage im Hinspiel verpassten. Wen nur sollte Jens Scheuer einwechseln? Noch vor dem Hinspiel in der Münchner Arena hatte der Trainer von seinem Problem berichtet, immer wieder vor der schwierigen Entscheidung zu stehen, wen er aufstellen solle. Das bereite ihm bisweilen schlaflose Nächte. Diesmal hatte er ein ganz anderes Problem.

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Scheuer konnte wählen zwischen Juliane Schmid, Cecilía Rúnarsdóttir, der 18-jährigen Julia Landenberger und der 16-jährigen Laura Marie Gloning. Schmid und Rúnarsdóttir kamen als Torhüterinnen nicht in Frage. Also hatte er genau zwei Optionen - bei einer Partie im international wichtigsten Klubwettbewerb.

Die Powerbank des FC Bayern war deshalb so leer, weil sich in den vorherigen Tagen sieben Spielerinnen mit dem Coronavirus infiziert hatten, Viviane Asseyi fehlte gelbgesperrt - hinzukommen Langzeitverletzte. Scheuer entschied sich für Landenberger, üblicherweise im Kader der zweiten Mannschaft, die angesichts der Kälte des Wassers, in das sie da geworfen wurde, ganz ordentlich schwamm. Aber die Pariserinnen hatten jene Art von Joker, der den Gästen abging.

"Ich denke, wir haben in beiden Spielen gezeigt, dass wir das bessere Kollektiv sind", sagt Bayern-Trainer Jens Scheuer

Es war nicht zuletzt der Reaktionsschnelligkeit von Torhüterin Janina Leitzig geschuldet, dass PSG nicht schon vorher bei diversen Gelegenheiten jubeln konnte. Doch die zur 93. Minute eingewechselte Ramona Bachmann war von der Defensive nicht unter Kontrolle zu bringen, und in der 112. Minute kam Leitzig an den kraftvollen, flachen Schuss der Schweizerin nicht ran. Das Viertelfinale war entschieden. "Die Enttäuschung ist riesig", sagte Scheuer: "Ich denke, wir haben in beiden Spielen gezeigt, dass wir das bessere Kollektiv sind. Wir haben den besseren Fußball gespielt." Und: "Ich bin unglaublich stolz auf meine Mannschaft angesichts der Voraussetzungen, unter denen wir angetreten sind und die ich immer noch ein bisschen fragwürdig finde."

Ihr Schuss sollte der entscheidende an diesem Abend sein: Ramona Bachmann (Mitte) bejubelt ihren Treffer zum 2:2 für Paris in der 112. Minute. (Foto: Thomas Samson/AFP)

Es wäre nach 2019 und 2021 für die Bayern-Fußballerinnen der dritte Einzug unter die international vier besten Klubs gewesen. Und wie diese Statistik zeugte auch die Spielweise von der Stärke dieses Teams. Die Münchnerinnen hatten sich nicht von der Kulisse von 27 262 Zuschauern - darunter die männlichen PSG-Profis Kylian Mbappé, Juan Bernat und beeindruckend ausdauernd lautstarke Ultras - im Prinzenpark einschüchtern lassen und dominierten in der regulären Spielzeit.

Sie setzten den französischen Meister immer wieder unter Druck, wehrten Konter ab und griffen mutig an. Es war beachtlich, mit wie viel Verve sich jede in die Begegnung warf. Aber wie schon im Hinspiel fehlte es bei den Abschlüssen an Präzision und von dieser fehlenden Effizienz profitierten letztlich die anderen. Auf das 1:0 von Sandy Baltimore (17. Minute) antwortete Bayerns Saki Kumagai unmittelbar (19.). Klara Bühl bestärke in der 55. Minute mit ihrem von Lea Schüller abgefälschten Schuss zum 2:1 den Glauben an einen Sieg, musste später aber anerkennen: "Wir hatten unsere Chancen. Hätten wir diese genutzt, hätten wir das Spiel für uns entscheiden können."

Nicht nur Trainer Scheuer, auch die Spielerinnen betonen immer wieder, dass der wichtigste Titel der Saison für sie die Meisterschaft sei - die sie 2021 gewinnen konnten. Erfolge in der Champions League und erst recht ein Sieg in der Königsklasse dürften aber bei allen auf dem Wunschzettel stehen. Und so war die Enttäuschung doch enorm. Vielleicht ist es tröstlich gewesen, dass hinterher weniger Wirbel um diese Niederlage gemacht wurde, als es wohl sonst der Fall gewesen wäre. Die Schlagzeilen bestimmte vor, an und über diesen Abend hinaus ein anderer Klub.

91 553 Zuschauer im Camp Nou - so viele wie noch nie bei einem Frauen-Fußballspiel

Die Fußballerinnen des FC Barcelona hatten am frühen Abend gegen Real Madrid 5:2 (Hinspiel: 3:1) nicht nur das Halbfinale erreicht - sondern noch dazu einen Weltrekord aufgestellt. 91 553 Zuschauer kamen ins Camp Nou, das größte Fußballstadion Europas. So viele wie noch nie bei einem Frauen-Fußballspiel. Die bisherige Bestmarke lag bei 90 185 Zuschauern, die sich 1999 das WM-Finale zwischen den USA und China anschauten. "Es war ein Festtag für die Fans des FC Barcelona und für den Frauenfußball allgemein", schrieb die spanische Sportzeitung Marca.

Triple-Sieger und Weltrekord-Inhaber: Die Fußballerinnen des FC Barcelona um Kapitänin Alexia Putellas (links) erlebten am Mittwoch im Camp Nou einen sehr speziellen Abend. (Foto: Albert Gea/Reuters)

Immer wieder sangen die Zuschauer die berühmte Vereinshymne "El Cant del Barça" und flippten nach den Toren von María León (8.), Aitana Bonmatí (52.) Claudia Pina (55.), Weltfußballerin Alexia Putellas (62.) und Caroline Graham Hansen (70.) geradezu aus, die Unterstützung war enorm. "Ich kann kaum meine Tränen zurückhalten, das ist verrückt", sagte Graham Hansen sichtlich emotional: "Es ist etwas, von dem ich nicht mal gewagt habe zu träumen."

Noch lange nach dem Schlusspfiff blieben Tausende in der Arena. Die Spielerinnen des Titelverteidigers und Triple-Siegers schnappten sich Fahnen und Schals, mit denen sie über den Platz rannten. Wie sehr sie dieser Zuspruch berührte, ja geradezu überwältigte, war jeder deutlich anzumerken. Ihre Wertschätzung wiederum zeigten sie, indem sie ausgiebig vor der Tribüne feierten und in die Gesänge der Fans einstimmten, bevor unter anderem Putellas gar auf den Trommeln der Anhänger den Rhythmus vorgab. "Was heute passiert ist", sagte die 28-Jährige, "ist ohne Zweifel historisch."

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Von Anna Dreher

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