Champions League:Trost im Scheinwerferlicht

Champions League: Ein Exempel an Effizienz: Marie-­Antoinette Katoto schließt zweimal nach Standards gnadenlos ab, erst mit dem Fuß, dann mit dem Kopf.

Ein Exempel an Effizienz: Marie-­Antoinette Katoto schließt zweimal nach Standards gnadenlos ab, erst mit dem Fuß, dann mit dem Kopf.

(Foto: Philippe Ruiz/Imago)

Trotz der 1:2-Niederlage gegen Paris Saint-Germain erhalten die Fußballerinnen des FC Bayern mit ihrer Spielweise den Glauben ans Halbfinale - und ziehen Energie aus der Rekordkulisse.

Von Anna Dreher

Jens Scheuer rief seine Spielerinnen zu sich, sein Blick war eine Mischung aus nachdenklich und sorgenvoll, in jedem Fall wirkte er noch angespannt und ernst. Er schaute kurz nach oben, vielleicht auf der Suche nach einer Antwort. Sein Team hatte im Viertelfinale der Champions League spielerisch überzeugt und mehr Torschüsse abgeliefert - und war doch nicht belohnt worden. Am Ende verlor der FC Bayern 1:2 (0:1) gegen Paris Saint-Germain, ausgerechnet an diesem Dienstagabend. Diese Partie war ja nicht allein deshalb besonders, weil sie im Rahmen des international wichtigsten Klub-Wettbewerbs stattfand. Es war gleichzeitig der erste Auftritt der Fußballerinnen in der Allianz Arena.

Auf den Tribünen waren noch immer eine ganze Menge Menschen verteilt, als sich die Münchnerinnen auf dem Rasen mit ihrem Trainer in einem Kreis zusammengefunden hatten, beleuchtet vom grellen Scheinwerferlicht. Keine 75 000, die in pandemiefreien Zeiten in die Arena passen. Keine 35 000 nach neusten Hygiene-Maßnahmen, wie am Wochenende bei den Männern gegen Union Berlin. Aber 13 000 - und damit so viele wie noch nie bei den Münchner Fußballerinnen. Darunter waren auch die Bayern-Bosse Oliver Kahn und Herbert Hainer, Männer-Coach Julian Nagelsmann sowie Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

Bei aller Enttäuschung, sich hier gegen Paris nicht durchgesetzt haben zu können, war das die Art von Trost, die ziemlich direkt dabei half, optimistisch zu bleiben und das Positive zu sehen: Eine Kulisse, wie es sie bei einem Heimspiel noch nie gegeben hatte. "Das war eine riesen tolle Erfahrung heute mit den Fans. Man hat gespürt, dass eine gewisse Euphorie vorhanden war", sagte Kapitänin Lina Magull. "Das treibt einen noch mehr an. Von mir aus könnte das zu einer Regelmäßigkeit werden. Ich hoffe, dass wir viele begeistern konnten." Klara Bühl sprach von einem deutlich spürbaren "Push" durch die Atmosphäre: "Wir haben das als positive Energie aufgesaugt. Wir wollten das nutzen, um zu zeigen, welchen Fußball wir spielen können. Das ist uns gelungen."

Über die rechte Seite kommen die Bayern immer wieder gefährlich in Tornähe, doch es fehlt Präzision

Einen Tag vor dem Höhepunkt waren 11 000 Tickets verkauft worden. Scheuer startete in der Pressekonferenz am Nachmittag noch einen Appell an alle in der Stadt und im Umland, sich dieses Ereignis nicht entgegen zu lassen, "damit wir die 12 000 vollmachen, das wäre mein Traum". Und ob es nun die Worte des 43-Jährigen waren oder nicht - am Ende wurden seine Erwartungen übertroffen.

Champions League: Auffällig und als einzige im Abschluss gegen Paris erfolgreich: Nationalspielerin Klara Bühl verwandelte einen Freistoß direkt zum 1:2.

Auffällig und als einzige im Abschluss gegen Paris erfolgreich: Nationalspielerin Klara Bühl verwandelte einen Freistoß direkt zum 1:2.

(Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Damit ist der FC Bayern noch entfernt von jenen Rekorden, die in der jüngeren Vergangenheit von Frauen-Teams aufgestellt worden sind und im Bereich von 40 000 bis 60 000 Zuschauern liegen. Die frischeste und künftig schwer zu überbietende Zahl wird kommende Woche angepeilt, wenn der FC Barcelona im Camp Nou Real Madrid zum Rückspiel empfängt - und dafür innerhalb weniger Tage 85 000 Karten verkauft hat. Aber für die Münchnerinnen war es eben dennoch eine neue Bestmarke und ein Zeichen. Vor fünf Jahren, als sie ebenfalls im Champions-League-Viertelfinale auf PSG trafen, sahen 7300 im Grünwalder Stadion zu. Nun kamen beinahe doppelt so viele.

Bühl hatte mit ihrem in der 84. Minute direkt und wuchtig verwandelten Freistoß die Ausgangslage für den dritten Halbfinaleinzug nach 2019 und 2021 nächsten Mittwoch (21 Uhr, Dazn) im Pariser Prinzenpark verbessert. Den Glauben daran hatte sich die ganze Mannschaft mit ihrer Spielweise erarbeitet, auch wenn einige vergebene Chancen für Verzweiflung gesorgt haben dürften. Über die rechte Seite kamen die Bayern immer wieder gefährlich in Tornähe, doch es fehlten Präzision und Ruhe im Abschluss.

Marie-Antoinette Katoto trifft zweimal nach Eckbällen - sie hat nun 138 Tore in 153 Partien für Paris erzielt

Dass PSG - offensiv weitgehend harmlos und ab der 41. Minute ohne die deutsche Nationalspielerin Sara Däbritz, die nach einem Zusammenprall ausgewechselt werden musste - dennoch als Sieger vom Platz ging, lag an der schlechten Verteidigung von zwei Standards. Hier bekamen die Münchnerinnen die ganze Wucht des französischen Ensembles zu spüren, vor allem die Wucht von Marie-Antoinette Katoto.

Champions League: Vermieste den Münchnerinnen ihre Arena-Premiere: Marie-Antoinette Katoto

Vermieste den Münchnerinnen ihre Arena-Premiere: Marie-Antoinette Katoto

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

In der 19. Minute prallte der Ball nach einer Ecke von der Latte auf Bayerns Keeperin Janina Leitzig, von dort zurück in den Pulk und wie beim Flipper hin und her - bis er bei Katoto landete, die ihn ins Netz trat. Später, ebenfalls nach einer Ecke, schraubte sie sich so hoch wie sonst keine und köpfte perfekt zum 2:0 ein (78.). Ein Exempel an Effizienz. Damit sicherte sie PSG den siebten Sieg im siebten Champions-League-Saisonspiel. Die beeindruckenden 27 Tore des französischen Meisters stört nun lediglich Bühl mit dem ersten Gegentreffer. Katotos persönliche Bilanz hingegen strahlt: In den vergangenen neun Spielen hat sie elfmal getroffen. Mit erst 23 Jahren ist sie die beste Torschützin des Vereins: 138 Tore in 153 Partien. Ihr Coach Didier Ollé-Nicolle warnte dennoch: "Ich weiß, dass Bayern sehr, sehr gefährlich und gut in Paris sein wird. Ich glaube, nächste Woche wird es schwer werden."

Vor allem die Einwechslungen der lange verletzten Sydney Lohmann, Maximiliane Rall (beide 63. Minute) sowie der stets vor Energie strotzenden Jovana Damnjanović (74.) brachten dem FC Bayern neue Power. Die frische Dynamik stellte die Pariserinnen vor Probleme. Aber wieder reichte es nicht. Allein zweimal war bei Lohmann und einmal bei Bühl der Pfosten im Weg. "Wir müssen noch gnadenloser werden, damit wir uns auch belohnen", sagte Scheuer, der insgesamt zufrieden war und eher fehlendes Glück bemängelte. Außerdem sei es doch so: "Es gibt zwei Spiele. Das eine haben wir verloren. Das andere werden wir gewinnen."

Auf die Frage, was sein Team in Paris außerdem anders machen müsse, gab Jens Scheuer ohne lange zu überlegen die einzig naheliegende Antwort: "Standards besser verteidigen." Inzwischen konnte er wieder lächeln.

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