FC Bayern:Die Wunde muss noch heilen

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Alphonso Davies (li.) und Joshua Kimmich beklatschen den Sieg gegen Union Berlin. Doch noch ist in München nicht wieder alles beim Alten. (Foto: Michael Sohn/AP)

Das 5:2 bei Union Berlin bringt das Selbstvertrauen des FC Bayern nach der Pokalschmach zurück, doch die Verunsicherung ist noch spürbar. Julian Nagelsmann wird bei seiner Rückkehr ein verändertes Team vorfinden.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Thomas Müller sprach von innerer Ruhe und das ist nicht der Fußballjargon, mit dem man den 32-Jährigen für gewöhnlich in Verbindung bringt. Doch in kritischen Zeiten, da werden die ursprünglichsten Bedürfnisse plötzlich wieder spürbar. Man hätte die innere Ruhe verloren, sagte Müller also beim TV-Sender Sky nach dem 5:2 bei Union Berlin. Der Stürmer des FC Bayern bezog sich auf den Spielverlauf im Stadion An der Alten Försterei, wo es diese Momente gab, in denen die Fans der Köpenicker plötzlich wieder an einen großen Erfolg glauben konnten. Doch der Verlust der inneren Ruhe, er passte dann auch zur Gesamtsituation beim FC Bayern.

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Mit einem 5:2 gegen den aufmüpfigen 1. FC Union Berlin zeigt der FC Bayern die erwartete Reaktion. Nach dem Spiel ist große Erleichterung zu spüren - doch das 0:5 im DFB-Pokal wirkt immer noch nach.

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Ja, es stimmt schon: Die Wunde, die das 0:5 im DFB-Pokal gegen Gladbach am Mittwoch in das Klub-Herz gerissen hatte, ist mittlerweile geschlossen, ein Sieg wie gegen Union mit drei Toren Vorsprung kann man schlecht unter dem verkaufen, was es ist: ein Sieg mit drei Toren Vorsprung. "Wir sind total froh, dass wir die gewünschte Reaktion zeigen konnten", sagte Dino Toppmöller mit berechtigter Erleichterung. Er vertrat Cheftrainer Julian Nagelsmann wohl ein letztes Mal vor dessen Rückkehr aus der Corona-Quarantäne. Aber genauso wenig, wie man vier Tage nach einer Herz-OP wieder aufs Rennrad steigen sollte, ist nun bei den Münchnern gleich wieder alles in bester Ordnung. Die Wunde muss noch heilen, oder um es mit den Worten von Müller zu sagen: "Es war ein hart umkämpftes 5:2."

Ein bisschen Pokalschmach wird haften bleiben in dieser Saison

Natürlich wählt einer wie Müller seine Worte auch jetzt mit der gewohnten Portion Süffisanz, aber es steckte auch eine Wahrheit darin, mit der man sich in München noch wird beschäftigen müssen. Wer nach 35 Minuten mit 3:0 führt, hat offensichtlich einiges richtig gemacht, aber das reicht momentan nicht, um die Mannschaft krisenfest zu bekommen. So groß das Bemühen war, so sehr war auch die Verunsicherung spürbar, die das Team derzeit noch begleitet, nicht nur bei Ballverlusten. Beim 3:1 durch Niko Gießelmann konnte der Ball über mehrere Bayern-Stationen ungehindert zum Torschützen gelangen, der dann mit Josip Stanisic leichtes Spiel hatte. Nur wenige Sekunden später lag der Ball schon wieder im Netz von Manuel Neuer, nur die Abseitsstellung von Sheraldo Becker verhinderte das 3:2 vor der Pause.

Das "klassische Union-Gesicht" habe sich dann gezeigt, sagte Müller, sich nicht aufzugeben also, nicht umsonst war das Team von Urs Fischer bis dahin 21 Heimspiele ungeschlagen vom Rasen gegangen. Wobei sich diesmal auch die Frage eröffnete: Sich aus eigentlich komfortabler Position noch zwei Gegentore zu fangen, könnte das auch wieder zum klassischen Bayern-Gesicht werden?

Durchatmen nach dem Totalausfall: Bayerns Co-Trainer Dino Toppmöller hat Julian Nagelsmann gegen Union Berlin erneut vertreten, in der Champions League gegen Benfica Lissabon am Dienstag soll der Chefcoach zurückkehren. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Die Abwehr ist gerade eher ein grobmaschiges Konstrukt, beim 4:2 durch Julian Ryerson war selbst Niklas Süle zu verhalten bei der Sache. "Ich sehe das an dieser Stelle hier nicht so kritisch", sagte Toppmöller am Samstag in Berlin, es überwog das große Durchatmen nach dem Totalausfall. Die Aufarbeitung der jüngsten Geschehnisse würden im Trainerteam erst noch vonstatten gehen, "dazu hat jetzt ein bisschen die Zeit gefehlt".

Allerdings bleibt der Zeitplan weiter eng gestrickt, am Dienstag geht es in der Champions League daheim mit dem Rückspiel gegen Benfica Lissabon weiter. Julian Nagelsmann soll dann an die Seitenlinie zurückkehren, er wird eine andere Mannschaft vorfinden als vor dem Zwangs-Umzug in die heimische Küche. So ein Zusammenbruch wie am Mittwoch sitzt auch manchen Spielern noch länger in den Knochen, außerdem dürfe man trotz des Erfolges gegen Union "nicht vergessen, dass wir trotzdem aus dem Pokal raus sind", sagte Thomas Müller, "wir haben nicht nur ein Spiel verloren, sondern einen Wettbewerb, der uns viel bedeutet in der Saison." Mindestens ein bisschen Pokalschmach wird also haften bleiben, auch in den kommenden Monaten. Und auch die Impfdebatte um Joshua Kimmich ist noch nicht abgeklungen, im Gegenteil.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußert sich zu Kimmich

Mittlerweile ist der Impfstatus des Nationalspielers auch in der Politik angekommen, Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, sie könne die Bedenken Kimmichs nicht nachvollziehen. Es gebe "auf seine Fragen und Zweifel sehr gute Sachargumente, die allgemein verfügbar sind", so Merkel, und: "Vielleicht macht sich Joshua Kimmich darüber ja auch noch Gedanken. Er ist ja als sehr reflektierter Fußballer bekannt." Von der neuen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bekam der 26-Jährige sogar eine Einladung via Rheinischer Post, um über Corona und Impfstoffe zu reden: "Ich treffe mich gerne mit Joshua Kimmich auf einen Kaffee. Denn ich bin ihm sogar dankbar, dass er die Debatte über Langzeitfolgen der Impfungen vor dem Winter noch einmal angestoßen hat."

Es gibt also viel zu moderieren für Julian Nagelsmann, was über das historische 0:5 gegen Gladbach hinausgeht. Aber, man kann das auch so sehen: Für Herausforderungen ist er schließlich zum FC Bayern gekommen. Nun sind sie da.

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