Bayern-Sieg bei Union:Botschaft der Restauration

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Tendenziell bester Münchner an diesem Tag: Thomas Müller, später im Spiel Torschütze zum 5:2. (Foto: Michael Sohn/AP)

Mit einem 5:2 gegen den aufmüpfigen 1. FC Union Berlin zeigt der FC Bayern die erwartete Reaktion. Nach dem Spiel ist große Erleichterung zu spüren - doch das 0:5 im DFB-Pokal wirkt immer noch nach.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es gibt nichts, was einem siegesgewohnten Ensemble wie dem FC Bayern München größere Seelenruhe verschafft als Siege. Erst recht, wenn es die Pein eines Debakels zu verdauen hat wie am Samstag. Und wer wollte, der konnte am Samstag, als der Schiedsrichter pünktlich zur 90. Minute abpfiff, im Stadion An der Alten Försterei entspannte Münchner Gesichter sehen. Es war alles andere als ein lauer Herbstspaziergang, den sie hinter sich hatten. Aber die Mission, die sie sich nach dem beschämenden 0:5 vom Mittwoch im DFB-Pokal bei Borussia Mönchengladbach vorgenommen hatten, war vollends erfüllt.

Denn mit einem 5:2-Sieg gegen einen bekanntermaßen unangenehmen Gegner stellten sie ihre Autorität im deutschen Fußball wieder her. Und so strömte aus Berlin eine Botschaft der Restauration in die Republik, die an den Wiener Kongress von 1815 erinnerte. Nur die Fürsten, nicht das Volk solle herrschen, hieß es damals; "wir sind der FC Bayern", lautete das Statement der Münchner vom Samstag. Oder, in den Worten der Protagonisten: "Wir sind zufrieden, dass wir wieder ein anderes Gesicht gezeigt haben", sagte Bayern-Kapitän Manuel Neuer. Denn nur darum ging es letztlich: "fußballerisch eine Reaktion zeigen", wie der mehr als nur überzeugende Thomas Müller sagte.

Die Logik hatte besagt, dass es so kommen würde. Das Debakel vom Mittwoch und die folgende Häme hatten die Münchner mit Satisfaktionssehnsucht angefüllt, die Unioner sollten stellvertretend büßen. Und sie taten das auch, um den Preis des Endes einer beeindruckenden Serie von 21 Heimspielen ohne Niederlage. Wobei den Bayern zugutekam, dass Union sich erst traute, in den frischen Wunden des Monarchen der Bundesliga zu rühren, als auf der Anzeigetafel bereits ein erschlagend wirkendes 0:3 prangte.

Das war nach einer guten halben Stunde der Fall - durch zwei Standard-Tore von Robert Lewandowski, der nach 15 Minuten per Handelfmeter und nach 23 Minuten per indirektem Freistoß aus 16 Metern traf, sowie einen weiteren Treffer von Leroy Sané (34.). Dieser frühe und hohe Rückstand "war ausschlaggebend fürs ganze Spiel", sagte Unions Kapitän Christopher Trimmel, "wir waren in der ersten Hälfte nicht da", sagte Unions Trainer Urs Fischer. Es zählte zu den Kuriositäten des Tages, dass sich dennoch ein sehr unterhaltsames Spiel entwickelte, und Union zwei Mal verkürzen konnte: Linksverteidiger Nico Gießelmann erzielte das 1:3 und damit sein drittes Saisontor (43.); Julian Ryerson steuerte Sekunden nach seiner Einwechslung den zweiten Köpenicker Treffer bei (65.). Aber: Kingsley Coman (60.) hatte eben auch mit einem trockenen Rechtsschuss aus spitzem Winkel das zwischenzeitliche 4:1 erzielt, und am Ende traf Thomas Müller zum 5:2-Endstand (79.).

Lewandowski trifft zum 2:0 per Freistoß. (Foto: Boris Streubel/Getty Images)

Wobei die Vorarbeit zum fünften Treffer fast noch bemerkenswerter war als das Tor an sich, denn sie entsprang einem imperialen Solo von Dayot Upamecano. "Das hat er top gemacht, wie ein 'Zehner'", sagte Toppmöller über den "Vierer", der nach dem 0:5 von Gladbach zerpflückt worden war und in Berlin erst einmal auf der Bank saß - so wie die Gladbach-Starter Benjamin Pavard und Serge Gnabry. "Die Wechsel in der Startformation hatten nichts mit dem Mittwoch zu tun, es ging einfach nur um Belastungssteuerung. Das war mit Sicherheit kein Denkzettel", beteuerte Toppmöller. Wobei alles, was am Samstag geschah, eben doch in eine enge Beziehung mit dem Mittwoch zu setzen war. Das konnte man vor allem bei Thomas Müller heraushören, als er im TV-Sender Sky Fragen beantwortete. "Jetzt steh'n wir hier ganz locker-flockig - aber aus'm Pokal sind wir trotzdem raus", gab er da zu bedenken. "Wir haben da nicht nur ein Spiel verloren, sondern einen Wettbewerb, der uns wichtig ist."

Nächste Woche kommen die starken Freiburger nach München

Immerhin: Es bleiben ihnen noch zwei Turniere, in denen sie gut unterwegs sind. In der Champions League steht man in der Gruppe vorn; das Zwischenziel K.-o.-Phase kann man als nahezu erreicht betrachten. Und dass den Münchnern die Liga entgleitet, scheint kaum vorstellbar - auch wenn der Vorsprung auf die Verfolger aktuell minimal ist. Borussia Dortmund ist mit einem Punkt Rückstand Tabellenzweiter; der kommende Gegner, der Tabellendritte SC Freiburg, liegt nur drei Punkte zurück. Der FC Bayern hat 25 von 30 möglichen Zählern geholt - und 38 Tore in zehn Spielen erzielt. Und in Köpenick muss man auch erst mal gewinnen.

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Das bedeutet nicht, dass es am Samstag nicht auch Phasen gegeben hätte, in denen die Bayern und ihre Hintermannschaft wackelten. Exemplarisch dafür stand das 1:3 durch Gießelmann, als die Bayern eigentlich Zeit hatten, sich zu ordnen, aber dann doch vom Linksverteidiger der Unioner komplett überrascht waren. Und wer weiß, was passiert wäre, wenn Sheraldo Becker kurz darauf nicht knapp im Abseits gestanden und sein Tor also gezählt hätte.

Lucas Hernández muss verletzt vom Feld

Auch in den ersten fünfzehn Minuten nach der Pause beschwor Union drei, vier Mal Gefahr herauf, entglitt den Bayern die Kontrolle über Ball und Spiel. Dann aber traf Coman - und warf wie schon Lewandowski beim 2:0 die Frage auf, ob Unions Torwart Andreas Luthe nicht mehr hätte machen können. Beide Male flog der Ball sehenswert, aber eben in die sogenannte Torwartecke. Das 4:1 nahm Unions Coach Urs Fischer zum Anlass, drei Säulen seines Teams vom Platz zu nehmen, und Awoniyi, Trimmel und Prömel für die anstehenden Aufgaben zu schonen.

Am Donnerstag besucht Feyenoord Rotterdam die Unioner in der Conference League, die Bayern wiederum empfangen zwei Tage zuvor Benfica Lissabon in der Königsklasse - möglicherweise ohne den zuletzt schlagzeilenträchtigen Lucas Hernández, der "wegen eines Schlages unterhalb des Knies" Schmerzen verspürte und ausgewechselt werden musste. So oder so, gegen die Portugiesen soll mit der Mentalität von Köpenick zu Werke gegangen werden. "Wir müssen genau so weitermachen und dürfen uns einen Ausrutscher wie am Mittwoch nicht mehr erlauben", sagte Toppmöller.

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