Es war das Fernduell des vorletzten Spieltages: Der FC Bayern wollte gegen Bochum den ersten von vier Schritten zum Triple erledigen, Schalke 04 die Chance auf die erste Meisterschaft seit 1958 wahren. Die Chronologie der Meisterschaftsentscheidung.
15:10 Uhr, Schalke: Thomas Schaaf, der als Trainer des SV Werder Bremen nicht mehr vom Meistertitel träumen darf, sagt vor dem Treffen mit Schalke 04: "Hoffen wir, dass wir so ein schönes Spiel erleben, wie es alle erwarten."
15.20 Uhr, München: Ist es die Ruhe vor dem Sturm? In München schreibt Louis van Gaal vor dem Spiel gegen den krassen Außenseiter VfL Bochum mit der gewohnten Selbstsicherheit, ja, fast schon einer fast demonstrativen Lässigkeit Autogramme. Der FC Bayern läuft in den Heimtrikots der kommenden Saison ein. Schön. Sieht gut aus, was die Bayern da tragen. Siebziger-Jahre-Stil.
15:40 Uhr, München: Schön. Sieht gut aus, was die Bayern da spielen, aber mit den Siebzigern hat es wenig zu tun. Schnell, zielstrebig, offensiv. Ivica Olic, der Drei-Tore-Mann vom Dienstag, taucht schon zum zweiten Mal vorm Bochumer Tor auf - und leistet sich einen Verteidiger-artigen Abschluss. Dennoch: Bochum, seit zehn Partien ohne Sieg, spielt nervös wie ein Absteiger, Bayern wie ein Champions-League-Finalist, ein Meisterschaftsaspirant.
15:48 Uhr, München: Gerade, als man sich die Frage stellen durfte, wie lange das Bochumer Abwehrbollwerk wohl hält, fällt das 1:0. Philipp Lahm flankt, Thomas Müller hält die Brust hinein und drückt den Ball über die Linie.
15:50 Uhr, München: Und weiter eilt der FC Bayern mit breiter Brust, riesigen Schritten und wunderbaren Spielzügen zur nächsten Meisterschaft. Wieder flankt Lahm über den gesamten Strafraum hinüber zu Franck Ribéry, der den Ball mit ebenso viel Übersicht zurück auf den heranfliegenden Müller schickt. Bochums kürzlich inthronisierter Trainer Dariusz Wosz reagiert auf Müllers Kopfball zum 2:0 mit einem Blick, als habe er Führerschein, Frau und Job gleichzeitig verloren. Droht seinen Bochumern das gleiche Schicksal wie Hannover beim 0:7 vor zwei Wochen?
15:52 Uhr, Schalke: Während Kevin Kuranyi an die Latte köpfelt, macht langsam die Kunde von Bayerns Dominanz die Runde. 2:0 für München, von Bochum ist keine Hilfe zu erwarten, nun ist Schalke gefordert. Kann diese Mannschaft von Felix Magath, die mehr für Kraftfußball als Raffinesse steht, gegen Bremen das Spiel machen?
16:11 Uhr, München: Bayern agiert mit geradezu barcelonesker Überlegenheit. 73 Prozent des Spiels waren bisher die Münchner in Ballbesitz! Nur 73 Prozent. Da darf man sich fragen, ob dieser Wert nicht sogar zugunsten der Bochumer schöngerechnet wurde.
16.12 Uhr, Schalke: Per Mertesacker foult Benedikt Höwedes. Im Strafraum. Und was macht Schiedsrichter Knut Kircher? Pfeift nicht. Schalke verliert weiter an Boden auf die Tabellenspitze. Und aus Thomas Schaafs Hoffnung auf ein schönes Spiel wird auch die vier verbleibenden Minuten bis zur Pause nichts, weil vor allem seine eigene Mannschaft offenbar ihre Ambitionen auf einen Champions-League-Platz vergessen hat. Noch ist der Cutter von der Sportschau nicht um die Aufgabe zu beneiden, aus diesem Spiel einen mitreißenden Beitrag zu schneidern.
Olic spielt, als habe es in Lyon keinen Schlusspfiff gegeben, Müller macht drei Tore, und van Bommel klärt die Chef-Frage. Die So-gut-wie-Meister in der Einzelkritik.
16:42 Uhr, Schalke: Die Sportschau und der FC Bayern bekommen Schützenhilfe von Mesut Özil. Wie ein Tänzer umkurvt der Bremer mit schnellen Stakkatoschritten die Schalker Lukas Schmitz und Marcelo Bordon, bringt seine Mannschaft mit 1:0 in Führung und vergrößert damit gleichzeitig den Vorsprung der Bayern an der Tabellenspitze vor Schalke auf schier uneinholbare drei Punkte und 16 Tore.
16.43 Uhr, München: Für München ist spätestens in diesem Moment Lyon vergessen und wahrscheinlich sogar das bevorstehende Champions-League-Finale am 22. Mai gegen Inter Mailand. Ein "Pling" kündigt in der Münchner Arena Özils Führungstreffer auf Schalke an und leitet ein rot-weißes Fest ein. München jubelt, München feiert, München schunkelt.
16:51 Uhr, Schalke: Özil auf Almeida. 2:0.
16:51 Uhr, München: Pling. Jubeln. Feiern. Schunkeln. FCB-Aufsichtsratsvorsitzender Uli Hoeneß lacht sich auf der Tribüne halbtot. Bayern führt jetzt mit drei Punkten und 17 Toren vor Schalke.
16:55 Uhr, München: Kein Pling, sondern Müller führt den nächsten bayerischen Freudentaumel herbei. Denn der Jungnationalspieler macht sein drittes Tor, ganz ohne Flankenvorarbeit von Lahm und Ribéry. Sondern per Solo. Bayern führt jetzt mit drei Punkten und 18 Toren vor Schalke.
17.11 Uhr, München: Bastian Schweinsteiger, der unter Louis van Gaal den Sprung zum Führungsspieler hinlegte, bekommt den verdienten Abgang. Christian Fuchs verkürzt direkt nach dem Wechsel noch per Freistoß auf 1:3.
17:17 Uhr, München: Abpfiff. Bayern kann nächste Woche wohl auch die A-Jugend zum letzten Saisonspiel nach Berlin schicken und die Profis für das Pokal- und Champions-League-Finale schonen. Den Briefkopf dürfen sie schon einmal ändern, denn die 22. Meisterschaft ist ihnen nicht mehr zu nehmen.
17. 20 Uhr, Schalke: Abpfiff. Bremen gewinnt erstmals seit dem 24.11.2001 auf Schalke. Falls nicht etwas sehr, sehr merkwürdiges am letzten Spieltag passiert, wird Schalke auch heuer wieder nicht Meister.