Fußball:Aus der Wohlfühloase in die Wüste

Lesezeit: 4 min

Gestandener Bundesliga-Profi: Alexander Hack (li.), hier bei einem Spiel mit Mainz 05 gegen RB Leipzig. (Foto: Sven Sonntag/Imago)

Der Allgäuer Alexander Hack spielt in Saudi-Arabiens zweiter Liga. Der politischen Lage in seiner Wahlheimat ist er sich bewusst, dennoch ist sein Gehalt nicht das Einzige, was ihm an seinem Abenteuer dort gefällt.

Von Stefan Galler

Ein solches Weihnachtsfest hatte Alexander Hack noch nie. Es wird das erste sein, das er nicht bei seiner Familie im Allgäu verbringt, und am ersten Weihnachtsfeiertag steht für den Fußballprofi auch noch ein Pflichtspiel an. Mit seinem Zweitligaverein Al-Qadisiyah gastiert er am Mittag arabischer Zeit bei Al-Najma. Seit knapp einem halben Jahr lebt und arbeitet der gebürtige Memminger in Saudi-Arabien. Das christliche Fest spielt in dem streng muslimischen Land natürlich keine Rolle.

Dass er fern der Heimat weilt, wenn sich seine Eltern und seine drei Geschwister unter dem Christbaum versammeln, ist für den 30-Jährigen zu verkraften, auch wenn er sich um das Wohlbefinden seiner Mama sorgt: "Für meine Mutter ist es bestimmt hart, aber ich werde mich per Facetime zuschalten und ein paar Weihnachtslieder mitträllern." Eine Woche später wird ihn seine Schwester zum Jahreswechsel besuchen kommen, mit ihrem Mann und den Kindern, erzählt Hack: "Darauf freue ich mich sehr, wenn die Kids Geschenke auspacken und wir alle zusammen sind."

SZ PlusSaudi-arabische Sportoffensive
:Ein bisschen Ultra ist erlaubt

Saudi-Arabien investiert Milliarden in Fußball, Formel 1 und Golf. Nicht nur aus Imagegründen, sondern um die Wirtschaft vom Öl unabhängig zu machen und die Jugend im Land zu halten. Das Königreich öffnet sich - aber unter strenger Kontrolle.

Von Ronny Blaschke

Die Gäste sollten die Badesachen nicht vergessen, in Hacks neuer Wahlheimat hat es derzeit 25 Grad. Perfektes Klima für einen Trip zum Strand. Kurz vor Weihnachten hat er sich selbst einen solchen Ausflug gegönnt, er ist mit seiner Freundin, der Griechin Dimitra, über den König-Fahd-Damm, eine Autobrücke rund 30 Kilometer von seinem Wohnort, nach Bahrain gefahren. Dort sitzt er am Meer und plaudert am Telefon von dem großen Abenteuer, in das er sich im vergangenen Sommer gestürzt hat.

Hack hofft, dass die Präsenz von bekannten Fußballern zur Demokratisierung des Landes beiträgt

"Man kann hier sehr gut leben", findet Hack. Das gelte etwa für Freizeitangebote, aber auch für die Sicherheit im Land. "Es ist fast erschreckend, wie sicher es hier ist. Erst kürzlich haben wir einen Tauchkurs gemacht und unsere Wertsachen zwei Stunden unbeaufsichtigt gelassen, da würde nie etwas gestohlen werden", erzählt er. Mit Englisch komme man bestens durch, weil die Sprache hier in der Schule früh vermittelt werde. "Und wenn man das ein oder andere arabische Wort verwendet, bekommt man viel Respekt von den Menschen hier." Hack und vor allem seine Lebensgefährtin fühlen sich wohl. "Wie heißt es so schön: Happy wife, happy life", sagt er. Sie kann ihre Reiseagentur für internationale Kunden auch von hier aus betreiben, beide genießen auch die kulinarische Vielfalt im Golfstaat, etwa orientalische Spezialitäten wie Shawarma oder Kabsa.

Besuch aus der Heimat: Hacks Eltern besuchten den Fußballer und dessen Freundin Dimitra. (Foto: privat)

Zum Wohlbefinden trägt natürlich auch das enorme Gehalt bei, das man als Fußballspieler in Saudi-Arabien sogar in der zweiten Liga bezieht. "Mir war nicht bewusst, wie viel man hier wirklich verdienen kann", sagt Hack, es sei ein Vielfaches dessen, was er in Deutschland bei seinem langjährigen Arbeitgeber FSV Mainz 05 bezogen habe. Natürlich sei der monetäre Aspekt einer der entscheidenden gewesen. "Wenn du hierherkommst, dann planst du für die Zukunft und bist auf der Suche nach finanzieller Sicherheit", sagt Hack, da wolle er gar nicht "drum herumreden".

Dass das Regime den Spitzensport auch dazu nutzt, von seinem äußerst bedenklichen Umgang mit Freiheits- und Menschenrechten abzulenken, ist dem 30-Jährigen bewusst. Dennoch habe er sich für den Transfer entschieden: "Ich bin hier, um Fußball zu spielen. Und das mache ich, ganz egal wo auf der Welt." Und seine Werte? "Wenn etwas meinem moralischen Kodex nicht entspricht, dann greife ich ein und leiste Unterstützung", versichert Hack im Brustton der Überzeugung. Er hoffe, so sagt er, dass die Präsenz von bekannten Fußballern zur Demokratisierung des Landes beiträgt, "und wenn es in zwei Jahren deutliche Fortschritte bei den Menschenrechten geben sollte, wäre ich froh, ein Teil dieser Entwicklung gewesen zu sein".

In Mainz hatte Hack seinen Stammplatz in der jüngsten Bundesliga-Rückrunde verloren

Viel Zeit, um sich als Aktivist zu betätigen, bleibt Alexander Hack zumindest nicht, sein Klub hat Großes vor: Der Aufstieg ist das klar formulierte Ziel, Al-Qadisiyah hat den höchsten Etat in Liga zwei: "Wir müssen hoch, das wissen wir auch", sagt Hack. Von seinen Teamkollegen sind einige durchaus prominent, etwa der frühere Everton-Torwart Joel Robles, Verteidiger Álvaro González (ehemals Villarreal und Marseille), der peruanische Nationalspieler André Carillo und der Argentinier Luciano Vietto, der einst bei Atlético Madrid und Sporting Lissabon spielte.

Trainer ist mittlerweile die Real-Madrid-Mittelfeldlegende Míchel, in den Achtziger- und Neunzigerjahren mit den Königlichen sechsmal Meister und zweimal Uefa-Pokalsieger. Zuvor war der ehemalige englische Nationalspieler Robbie Fowler den hohen Erwartungen der Klubführung zum Opfer gefallen. In acht Ligaspielen war er ungeschlagen geblieben und musste trotzdem gehen, weil die Chefs eine offensivere Ausrichtung wünschten. "Ein super Typ, fachlich wie menschlich", sagt Hack über den ehemaligen Liverpool-Stürmer.

Hack mit dem Sportdirektor seines Klubs Al-Quadsiah, dem Spanier Carlos Anton. (Foto: privat)

Hack hat in der Jugend beim TSV 1860 gespielt und später mal eine Drittligasaison für Unterhaching. Dass er die Mainzer im Sommer verlassen hat, bereut er nicht, trotz der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit im Sommer in der Wüste - und auch wenn ihm der Abschied von seiner "Wohlfühloase Mainz" nicht leichtgefallen sei. Es war ja doch absehbar, dass er weniger Spielzeiten bekommen würde als in der Vergangenheit. Seinen Stammplatz hatte er schon in der jüngsten Bundesliga-Rückrunde verloren. "Keiner hat gesagt, dass ich gehen muss, aber ich war dann auch bereit für ein neues Abenteuer", sagt der Verteidiger. Dann kam das Angebot von den Saudis, seine Freundin und er holten so viele Informationen wie möglich ein und sagten dann zu.

Eine Rückkehr nach Deutschland nach Ende seines Zweijahresvertrags könnte ein Thema werden, denkbar sei aber auch, irgendwann in die griechische Heimat seiner Freundin zu ziehen. "Du weißt nie, wie das Leben spielt, gerade im Fußball." Alexander Hack hätte vermutlich auch nicht erwartet, einmal an Weihnachten auf einem Fußballplatz am Persischen Golf zu stehen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMilliarden-Investitionen vom Golf
:Wie sich der Nahe Osten den Weltsport kauft

Die Zeit der westlichen Dominanz über den globalen Profisport endet mit den schier unerschöpflichen Geldmitteln der Golf-Region: Die VAE, Katar und Saudi-Arabien üben mehr Einfluss aus als je zuvor - und sie haben noch viel ehrgeizigere Ziele.

Von Felix Haselsteiner, Dunja Ramadan und Julia Schubert (Grafik und Illustration)

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: