Skigebiet Schmittenhöhe in Österreich:Grüner Schnee

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Tief verschneit und mit Blick auf Dreitausender - so zeigt sich die Schmittenhöhe in diesem Winter. Das Management richtet das Skigebiet nach den strengen Regeln des EU-Umweltzertifikats Emas aus. (Foto: Christian Woeckinger)

Das Skigebiet Schmittenhöhe bei Zell am See bemüht sich um mehr ökologische Verträglichkeit. Aber können Schneekanonen und Hochleistungslifte überhaupt nachhaltig sein?

Von Johanna Pfund

Grün sieht dieses Skigebiet überhaupt nicht aus. Sondern so weiß, wie es sich für den Winter gehört. Auf der Schmittenhöhe hoch über Zell am See hat es endlich einmal wieder schon im November geschneit, Saisonauftakt und Weihnachtsgeschäft liefen gut. Nach einer Fahrt mit dem neu eröffneten "Areit-Xpress" - in einer beheizten Gondel samt Wlan - steht man oben am Berg, der Blick geht zu den Dreitausendern in der Ferne, zum Großglockner, zum Großvenediger. Die Schmittenhöhe ist ein klassisches, komfortables, mittelgroßes Skigebiet. Aber zugleich soll es verhältnismäßig grün sein - das einzige in Österreich, das sich der strengen EU-Umweltzertifizierung Emas (Eco-Management und Audit Scheme) unterzieht. Den Grund dafür kann Erich Egger, Vorstand der Schmittenhöhebahn, in vier Worten zusammenfassen: "Ich habe mich geärgert."

Seit zehn Jahren ist Egger Chef der Bergbahnen auf dem Hausberg von Zell am See und der dazugehörigen Schifffahrt. An diesem Dezembertag sitzt er in einem mit Erdwärme geheizten Verwaltungsgebäude, das nur durch eine Straße von der Talstation des "Areit-Xpress" getrennt ist. Schon 1988 wurde in der Vorgängerbahn eine Wärmerückgewinnungsanlage eingebaut, das Verwaltungsgebäude, ein Niedrigenergiehaus, wurde 2010 bezogen. Auf Nachhaltigkeit schauen die Bahnbetreiber also schon länger. Dies war wohl mit ein Grund, weshalb Eggers Ärger so groß war, als die Bahn 2010 ihre - noch nicht genehmigten - Erweiterungspläne Richtung Westen präsentierte und dafür heftig als Umweltzerstörer kritisiert wurde. "Da habe ich gesagt, das sind wir nicht", sagt Egger. "Wir haben seit 90 Jahren einen Seilbahnbetrieb. Es hat mich geärgert, dass uns vorgeworfen wurde, wir würden den Berg kaputt machen. Das machen wir nicht."

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Beansprucht wird der Berg natürlich schon, das ist Egger auch bewusst. 1927 wurde hier die erste Seilbahn im Land Salzburg gebaut. Heute sind es 27 Seilbahn- und Liftanlagen, 182 Hektar Pistenfläche, 77 Kilometer Abfahrten. Ein Anschluss an das nächste Skigebiet ist geplant, den riesigen Verbund Saalbach-Hinterglemm-Leogang-Fieberbrunn. Nur die erste Sektion des insgesamt dreieinhalb Kilometer langen "Zellamsee-Xpress" von Viehhofen auf die Schmittenhöhe fehlt noch. Eine Million Gäste hat das Gebiet im Jahr. Und das sieht man deutlich in Form von Gebäuden, Liften, Speicherteichen und Parkplätzen.

Kritiker sagen, teils diene der Umweltschutz nur als Tarnung zu weiterer Expansion

Es ist diese stete Erweiterung in noch intakte Natur- und Landschaftsräume, die Organisationen wie die Internationale Alpenschutzkommission Cipra kritisieren. "Wir haben alpenweit die Problematik, dass man die verbliebenen Freiräume nicht akzeptiert und dass es bei Skigebieten nur mehr um Maximierung und Superlative geht", sagt Josef Essl, Geschäftsführer von Cipra Österreich. Natürlich seien die Bemühungen, Energie zu sparen, positiv, aber zu oft dienten die Umweltschutzmaßnahmen in Skigebieten nur als Feigenblatt, um die Erschließungsspirale weiterdrehen zu können. "Wir brauchen eine funktionierende alpine Raumordnung, die Einhaltung von Gesetzen und Programmen sowie eine fachliche und politische Planungssicherheit", sagt Essl.

Auf der Schmitten wollte man die Kritik nicht auf sich sitzen lassen. Egger lud erst einmal einen Wildbiologen ein, Albin Zeitler aus Bayern. Keinen Salzburger, dem man Parteilichkeit vorwerfen könnte. Zeitler fand heraus, dass sich Raufußhühner trotz Skibetriebs immer noch wohlfühlen auf der Schmitten. Dann setzte die Bahn einen Umweltbeirat ein. Dem gehören Egger und der technische Leiter der Schmittenhöhe-Bahn, Hannes Mayer, an, Ulrike Pröbstl-Haider, eine Wissenschaftlerin der Universität für Bodenkultur in Wien, und Helmut Wittmann, Biologe aus Salzburg. Aus diesem Kreis entstand der Beschluss, sich der Emas-Zertifizierung zu unterziehen, 2015 ging es los.

Die Zertifizierung ist zwar freiwillig, muss aber hart verdient werden. Der gesamte Betrieb wird auf den Prüfstand gestellt, alljährlich ist eine Umwelterklärung abzugeben, mit klar definierten Zielen, die extern überprüft werden müssen. Einige Jahre lang unterzog sich auch Lech am Arlberg der Prozedur, hat aber wieder aufgegeben. Drangeblieben sind die Schnalstaler Gletscherbahnen in Südtirol und eben auch die Schmitten. Für die jüngste Umwelterklärung wurde die Schmittenhöhe vom österreichischen Landwirtschaftsministerium mit dem Emas-Preis 2017 ausgezeichnet - ein Ansporn. "Die Zertifizierung hat den Vorteil, dass wir die Themen systematisch abarbeiten", sagt Egger.

Ökologisch relevante Themen hat ein Skigebiet viele. Zum Beispiel den Energiebedarf. "Wir wissen, dass wir viel Energie brauchen", sagt Egger. Etwa acht Prozent davon, ungefähr 300 000 Kilowattstunden, erzeugt die Bergbahn selbst, mit fast 3000 Quadratmeter Photovoltaikpaneelen auf den Stationsgebäuden. "Das entspricht in etwa dem Jahresbedarf von 90 Haushalten", erklärt Mayer. Die Station der Glocknerbahn wurde so ausgerichtet, dass die Paneele an der Fassade die Sonneneinstrahlung optimal aufnehmen können.

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Ansonsten liefert die Salzburg AG der Seilbahn Ökostrom. Es gibt zwei Hybrid-Pistengeräte mit dieselelektrischem Antrieb, die bis zu 20 Prozent Diesel sparen. Gäste mit E-Autos finden auf dem Parkplatz Ladesäulen, Nutzung kostenlos. Ein Versuch mit Biogas-betriebenen Motorschlitten wurde wieder eingestellt - es gab Probleme bei der Beschaffung des Treibstoffs, erzählt Mayer. Eine weitere Stellschraube ist die Beschneiung. Schnee wird dort gemacht und dorthin geschoben, wo er gebraucht wird, das ist in einem Masterplan definiert. Mittels GPS können die Pistengeräte die Schneehöhe messen und den Schnee so möglichst effizient verteilen.

Auch der Sommer bringt spezielle Maßnahmen. "Schutz der Flora und Fauna" steht in den Zielen, und es ist einmal mehr eine Reaktion auf altbekannte Vorwürfe: "Wir werden immer wieder konfrontiert mit dem Vorhalt, dass die Pisten den Boden zerstören", sagt Egger. Also schickte er Biologen raus auf die Abfahrtsstrecken, die im Sommer als Weiden und Grünland dienen. Noch liegt das Gutachten nicht vor. Für Georg Dürlinger, Betriebsleiter des mittleren Abschnitts, war die Begleitung der Biologen eine spannende Sache: "Ich habe gedacht, auf der Schmitten kenne ich mich aus. Aber erst bei dieser Begehung habe ich entdeckt, wie viele Tiere hier leben."

Denn eine Piste mag zwar planiert sein und nur monotonen Lebensraum bieten. Doch ein anderer Faktor habe noch viel mehr Einfluss auf die Natur, sagt der Biologe Helmut Wittmann, der sich als Gutachter und Planer zahlreicher Projekte und als Betreuer der botanischen Sammlungen im Salzburger Haus der Natur einen Ruf als korrekter Wissenschaftler erworben hat. "Die landwirtschaftliche Nutzung ist entscheidend für die Artenvielfalt auf den Pisten." Viel zu oft sei die Begutachtung von Skipisten voreingenommen, findet Wittmann, der auf der Schmittenhöhe gezielt Farn- und Blütenpflanzen, Heuschrecken, Schmetterlinge, Wildbienen und die Biotop-Struktur untersucht hat.

Nach ersten Erkenntnissen gibt es auf den Pisten alles: Ökologisch reichhaltige sowie monotone Wiesen - ausschlaggebender Faktor ist in erster Linie die Intensität von Düngung und Mahd. Wittmann fand große Heuschrecken wie den Warzenbeißer, der seit seiner Kindheit aus den meisten Wiesen verschwunden ist. Er fand aber auch eine intensiv bewirtschaftete Wiese, auf der sich nach Düngung und Mahd praktisch "kein Lebewesen mehr tummelte". In einem Grabungsbereich, in dem wegen der Bauarbeiten nicht gedüngt und gemäht wurde, entdeckten die Biologen sogar Arten, die auf der Roten Liste stehen. Wittmanns Fazit: "Skipisten haben wir genug in Österreich. Wenn ein Teil davon so bewirtschaftet wird, wie es die Bauern vor 50 Jahren gemacht haben, dann kann man hier durchaus Naturschutz betreiben."

Es sei eine Sache des Maßes, sagt er. Wie so oft geht es um die Balance zwischen dem Wirtschaftsfaktor Skitourismus und dem Naturschutz. "Aber wenn man hier eine Win-win-Situation erreichen kann, sollte man diesen Weg unbedingt gehen."

In Bezug auf den CO₂-Ausstoß ist ein Skiurlaub in Österreich sowieso relativ grün - grüner als eine Flugreise jedenfalls.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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