Das Politische Buch:Als die Deutschen wieder "gut" sein wollten

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Aus den Augen, aus dem Sinn?: Nach dem Weltkrieg wird in Trier unter US-Aufsicht eine Adolf-Hitler-Straße wieder zur Bahnhofstraße. (Foto: Amerika Haus/Vereinigung "Freunde des Amerika-Hauses")

Frank Trentmanns monumentale, 80 Jahre umfassende Moralgeschichte folgt zahllosen Menschen zwischen Selbstrechtfertigung und Selbstvergewisserung . Und zeigt, wie ihnen immer wieder die komplexe Realität im Wege stand.

Rezension von Frank Biess

Im Jahr 1957 reichte ein damals 49-jähriger Lehrer bei der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit den Entwurf für ein Theaterstück ein. Darin macht sich ein hasserfüllter Jude auf den Weg, die Ermordung seiner Frau bei einer Massenexekution zu rächen. Es stellt sich jedoch heraus, dass der vermeintliche Täter, ein SS-Mann, Juden gerettet und den Lagerkommandanten erschossen hatte. Das fiktive Theaterstück endet damit, dass sich die Tochter des Juden und der Sohn des SS-Mannes ineinander verlieben. Der rachsüchtige Jude war von einem guten Deutschen gerettet worden. Derartige "Wunscherfüllungsfantasien" stehen im Zentrum der monumentalen, den Zeitraum von 1942 bis 2022 umfassenden "Moralgeschichte der Deutschen" des am Londoner Birkbeck College lehrenden Historikers Frank Trentmann.

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Das Politische Buch
:Demokratiehunger und Eigensinn

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