Tierwelt:Wo die hungrigsten Wölfe leben

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Zwei Eurasische Wölfe, auch Europäischer Grauwolf genannt. Laut Statistik reißen Wölfe in Frankreich mehr Nutztiere als in anderen Ländern. (Foto: Arterra/Philippe/Imago/alimdi)

In Deutschland tötet jedes der Raubtiere im Schnitt drei Nutztiere pro Jahr, in Frankreich angeblich mehr als dreimal so viele. Es gibt einen Verdacht, woran das liegen könnte.

Von Thomas Hummel

Der französische Dokumentarfilmer Jean-Michel Bertrand berichtet von schönen Begegnungen mit Schäfern, Viehzüchtern und Jägern. "Sie haben mir anvertraut, dass sie die Anwesenheit des Wolfs akzeptiert haben", erzählt der 64-Jährige der Zeitung Le Dauphiné. Sein Film "Vivre avec les loups" - "Leben mit den Wölfen", kommt demnächst in die Kinos als letzter Teil von Bertrands Wolfs-Trilogie, die schon mehr als 200 000 Zuschauer angelockt hat. Frankreich und der Wolf - die Geschichte eines friedlichen Miteinanders? Kommt auf den Blickwinkel an.

Die Tiere dürften es eher nicht schätzen, dass in Frankreich die Gesetze recht großzügig im Sinne der Jäger ausgelegt werden. Seit 2021 dürfen 20 Prozent der Population legal geschossen werden. Trotzdem steigt die Zahl der Wölfe wie in ganz Europa. Und dann stellte die EU-Kommission gerade fest, dass französische Wölfe für Weidehalter und Nutztiere scheinbar gefährlicher sind als andere, zum Beispiel deutsche.

Nach der Analyse aus Brüssel zur Situation des Wolfs gibt es in Frankreich 1104 Exemplare. Sie töteten in einem Jahr 12 526 Nutztiere, hauptsächlich Schafe, auch 79 Hunde. Zum Vergleich: In Deutschland leben 1404 Wölfe. Tote Nutztiere: 4162, davon Hunde: drei. Während also ein durchschnittlicher Wolf in Frankreich elf Schafe pro Jahr reißt, schafft er in Deutschland oder Italien nur drei. In Polen gar nur 0,5. Frankreich ist das Land mit der höchsten Rate an durch Wölfe getöteten Nutztieren in der EU. Die Kommission rätselt, ob es daran liegen könnte, dass in den französischen Alpen viele Schafe frei auf den Weiden herumlaufen.

Es gibt deutliche Kritik an einem kleinen Kreis von Hirten

Andere indes äußern den Verdacht, dass einige Franzosen den Wolf auch deshalb akzeptierten, weil der Staat großzügig Entschädigungen auszahlt. Nirgendwo erhalten Viehzüchter nach Wolfsrissen so viel Geld, 4,1 Millionen Euro waren es 2022. In Deutschland nur gut 616 000 Euro.

Eugène Reinberger, französisches Mitglied in der Europäischen Allianz für die Erhaltung des Wolfs (EAWC), spricht gar von einem "mafiösen System". Frankreichs Züchter könnten bei einem toten Nutztier im Formular das Feld "loups non exclus" - "Wolf nicht auszuschließen" - ankreuzen und bekämen ein paar Hundert Euro, erklärte er der Zeitung L'Opinion . Die Prüfung sei sehr lax.

Reinberger prangert einen kleinen Kreis von Hirten an, die keinen Weidenschutz betrieben, stattdessen jeden Monat zur Präfektur gingen, um eine Entschädigung abzuholen. Er glaube, dass nur die Hälfte der gemeldeten 12 500 Angriffe in Wahrheit auf einen Wolf zurückzuführen sei. Nicht selten werden auf dem Feld gestorbene Tiere anschließend von streunenden Hunden oder Füchsen gefressen.

EU-weit haben Wölfe laut der Brüsseler Erhebung zuletzt 0,065 Prozent der insgesamt 60 Millionen Schafe jährlich gerissen. Seit 40 Jahren sei kein tödlicher Angriff auf einen Menschen dokumentiert. Dennoch protestieren Bauernverbände sowie vor allem konservative und rechtslastige Parteien scharf gegen die Anwesenheit des Raubtiers. Die Kommission schlug nun vor, den Schutz des Wolfs von "streng geschützt" auf "geschützt" herabzusetzen, um mehr Abschüsse zu legalisieren. Das Leben mit dem Wolf, es ist nicht für alle akzeptabel.

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